Ämter verschanzen sich gerne mal hinter (Nicht-)Zuständigkeiten, was für viele Betroffene oft an die finanzielle Existenzgrenze mit all ihren Folgen geht. So auch in diesem Fall, bei dem das Jobcenter die Erwerbsfähigkeit eines Hilfebedürftigen anzweifelt. Dennoch wurde das Amt in einem Eilverfahren vom Gericht dazu verdonnert, zumindest vorläufig Hartz IV Leistungen zu zahlen, so die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen.
Antrag auf Hartz IV gestellt
Zum Fall: Der seit vielen Jahren in Deutschland lebende Antragsteller stammt ursprünglich aus Italien, besitzt jedoch ein Daueraufenthaltsrecht, wodurch er grundsätzlich ein Anrecht auf ALG II Leistungen hat. Da ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes derzeit keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, hat er beim Jobcenter Herne einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt.
Hartz IV Antrag abgelehnt
Reaktion des Jobcenters: Um über den Hartz IV Antrag zu entscheiden, zog das Jobcenter ein arbeitsmedizinisches Gutachten der Bundesagentur für Arbeit heran. Darin wurde beschrieben, dass der Antragsteller nicht erwerbsfähig sei. Das Jobcenter schickte den Mann weiter an den Sozialhilfeträger der Stadt Herne – dort liegt die Zuständigkeit für Personen, die nicht erwerbsfähig sind. Das Ergebnis: Auch der Sozialhilfeträger verweigerte dem Mann die existenzsichernden Leistungen.
Jobcenter handelte rechtswidrig
Am 9. Juni 2016 befand das LSG Nordrhein-Westfalen in einem Eilverfahren, dass das Vorgehen des Jobcenters rechtswidrig war (Az.: L 9 SO 427/15 B ER). Die Begründung: Das Gericht gab dem Jobcenter zwar Recht, dass Hartz IV Leistungen die Erwerbsfähigkeit voraussetzen würden, doch habe das Jobcenter bis zur Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit die Leistungen erst einmal zu zahlen. Anhand dieser gesetzlichen Verpflichtung werde vermieden, dass Antragssteller, bei denen die Erwerbsfähigkeit nicht abschließend geklärt ist, zwischen die verschiedenen Antragsstellen geraten und letztlich von beiden Seiten (Jobcenter und Sozialamt) keine Leistungen erhalten. Ohne den Sozialhilfeträger hinzugezogen zu haben, dürfe das Jobcenter die fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen.
Sozialamt und Jobcenter müssen zusammenarbeiten
Das Gericht ermahnte das Jobcenter, mit dem Sozialamt zusammenzuarbeiten. Das Jobcenter sei sogar verpflichtet, dem Sozialamt das arbeitsmedizinische Gutachten zu übersenden und in Erfahrung zu bringen, wie das Sozialamt die Erwerbstätigkeit der betreffenden Person bewertet. Es könne dem Sozialamt eine angebrachte Frist zur abschließenden Bewertung nennen. Sollte diese ohne eine Äußerung des Sozialamtes auslaufen, dürfe das Jobcenter Betroffenen die ALG II Leistungen verweigern und sie an den Sozialhilfeträger weiterschicken. Den gesetzlichen Vorgaben folgend sei das Jobcenter im Zweifelsfall verpflichtet, ein über die Erwerbsfähigkeit bindendes Gutachten des Rentenversicherungsträgers anzufordern, so das LSG Nordrhein-Westfalen.