Das Jobcenter Vorpommern-Greifswald verhängt in kürzester Zeit drei Sanktionen gegen eine Mutter mit zwei Kindern. Zwar ging ihr Betreuer in Widerspruch, doch wurden diese in allen drei Fällen abgelehnt. Darauf hin engagierte er eine Rechtsanwältin, die jetzt insgesamt drei Klagen gegen das Jobcenter beim Sozialgericht einreichte.
Drei Sanktionen innerhalb von zwei Monaten verhängt
Silke Meier (Name geändert) ist 40 Jahre alt, Mutter zweier Kinder und lebt aktuell von Hartz IV. Da sie durch eine psychische Erkrankung eingeschränkt ist, erhält sie seit 2011 Unterstützung durch den gerichtlich bestellten Betreuer Ingo Heger. Als der Alleinerziehenden Mutter zwischen Februar und März kurz hintereinander drei Sanktionen reingedrückt werden, legt Heger Widerspruch beim Jobcenter ein. „Drei Monate lang hatte sie jeweils 212 Euro weniger in der Haushaltskasse“, erklärt der Mann gegenüber der „Ostsee-Zeitung“ (OZ).
Erst am 18. Juni (nicht fristgerecht) erhielt er einen Bescheid, in welchem er über die Ablehnung aller Widersprüche unterrichtet wurde. „Ich habe zunehmend das Gefühl, dass man meine Kompetenz als Betreuer komplett ignoriert. Die Handlungsweisen des Jobcenters sind oft deprimierend und lassen die notwendige Sensibilität und soziales Einfühlungsvermögen vermissen“, sagt Heger.
Persönliche Situation der kranken Frau bleibt unbeachtet
Doch was war zuvor geschehen? Im Dezember 2018 erhielt Silke Meier eine Einladung zu einem Meldetermin im Jobcenter. Aufgrund von Krankheit, musste sie den Termin jedoch absagen und informierte ihren Betreuer einen Tag vorher. Die Krankmeldung wurde an an das Jobcenter versendet. Auch der Betreuer informierte das Jobcenter darüber noch einmal und bat um einen neuen Termin. „Das fand keine Berücksichtigung. Stattdessen wurde die erste Sanktion verhängt mit der Begründung, dass eine einfache Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreiche, sondern zusätzlich eine Bescheinigung über eine Wegeunfähigkeit erforderlich sei“, sagt Ingo Heger.
Die zweite Sanktion folgte fast zeitgleich. Dieses Mal aufgrund fehlender Nachweise über Bemühungen zur Arbeitsaufnahme. Darüber ärgert sich Heger besonders, denn „für die Frau wurde ja nicht umsonst eine gerichtlich bestellte Betreuung angeordnet. Aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur sind Hemmnisse und Grenzen vorhanden“, sagt er. Daraufhin bat er das Jobcenter darum, Frau Meier an das Fallmanagement abzugeben. „Dabei wird dort sehr kompetent mit Menschen in solch schwierigen Lebensumständen umgegangen“, findet der Betreuer. Vergeblich.
Jobcenter ignoriert Anträge und Briefe
Die dritte Sanktion kam zwei Wochen nach den ersten beiden Briefen. Jetzt wollte man die betroffene Frau wegen Nichterscheinens bei Meldetermin im Haus bestrafen. „Dafür haben aber weder ich als Betreuer, wie es das Jobcenter üblicherweise handhabt, noch sie ein Einladungsschreiben erhalten“, sagt Heger.
Um hohe Leistungskürzungen zu vermeiden, beantragte Heger den Vollzug der Geldkürzungen so lange auszusetzen, bis eine Entscheidung über die von ihm eingereichten Widersprüche gefällt wurde. Sein Antrag inklusive einem Brief an den Geschäftsführer des Jobcenters blieb unbeantwortet. Der Mutter wurden die Leistungen schließlich stark gekürzt. „Ich habe mir von Freunden schon Geld geborgt, damit ich für uns Lebensmittel kaufen kann“, sagt sie gegenüber der OZ.
Anwältin bestätigt Jobcenter Fehler
Auf Anfrage der Zeitung erklärt die Pressesprecherin des Jobcenters: „Sanktionen finden ihre rechtliche Grundlage in den §§ 31f SGB II. Hierbei handelt es sich um gebundene Entscheidungen. Mithin sind bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zwingend die Rechtsfolgen einzuhalten.“ Zudem bedauere man, dass das Jobcenter Vorpommern-Greifswald „Gegenstand von Presseberichterstattung geworden“ sei. Eine einvernehmliche und kundenfreundliche Zusammenarbeit läge im Interesse des Jobcenters.
Nachdem alle Widersprüche abgelehnt wurden, suchte sich Ingo Heger Unterstützung bei der Rechtsanwältin Anja Bartz. Sie reichte drei Klagen beim Sozialgericht ein und erklärt gegenüber der OZ: „Herr Heger handelt als Betreuer sehr fürsorglich, weiß um die Einschränkungen seiner Klientin. Trotzdem kam es zu diesen Entscheidungen. Und das ist kein Einzelfall, es gibt täglich Probleme mit dem Jobcenter. Da fehlt es einfach an Menschlichkeit. Die Behörde ist schließlich Dienstleister am Kunden“, sagt Bartsch.
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