Eine Steuererstattung wird im laufenden Bürgergeld-Bezug immer als einmalige Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 2 SGB II zum Zeitpunkt des Zuflusses angesehen und voll als Einkommen angerechnet. Dies gilt auch für Steuererstattungen für Zeiten vor dem Leistungsbezug, also Zeiträume in denen noch kein Bürgergeld bezogen wurde – es gilt ausnahmslos das Zuflussprinzip wobei es nicht darauf ankommt, für welchen Zeitraum Zahlungen zufließen.
Je nach Höhe der Erstattung durch das Finanzamt kann dies im Zuflussmonat dazu führen, dass für diesen Monat keine Hilfebedürftigkeit mehr besteht und die Leistungen für einen Monat aufgehoben werden. Hat das Jobcenter die Auszahlung der Leistungen bereits vorgenommen, bevor die einmalige Einnahme zufließt, erfolgt die Anrechnung im Folgemonat des Zuflusses.
Hinweis: Die Bürgergeld Auszahlung erfolgt immer Voraus, z.B. Ende März für den Monat April. Daher wird eine einmalige Einnahme in den meisten Fällen immer nach der Bürgergeld Auszahlung durch das Jobcenter erfolgen mit der Folge, dass der Zufluss im Folgemonat berücksichtigt wird.
Beispiel:
- 28.03.2024 Bürgergeld Auszahlung für April
- 02.04.2024 Eingang der Steuererstattung auf dem Konto
Die Steuererstattung wird ab dem Folgemonat – Mai 2024 – als einmalige Einnahme angerechnet
Inhaltsverzeichnis
So rechnet das Jobcenter die Steuererstattung an
Nach der Rechtslage seit dem 01.07.2023 gibt es auf einmalige Einnahmen keine Aufteilung auf sechs Monate, wenn es sich nicht um Nachzahlungen handelt. Hier unterscheidet der Gesetzgeber zwischen einmaligen Einnahmen nach § 11 Abs. 2 SGB II und als Nachzahlungen zufließenden Einnahmen nach § 11 Abs. 3 SGB II.
Als Nachzahlung zufließende Einnahmen gelten bspw. Lohnnachzahlungen, Nachzahlung von Krankengeld, Arbeitslosengeld oder auch BAföG etc. – Steuererstattungen werden nicht als Nachzahlungen klassifiziert, dies ergibt sich aus den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit in der Rz. 11.67, womit sie im Monat des Zuflusses voll auf den Bürgergeld Bedarf berücksichtigt werden.
Volle Anrechnung im Monat des Zuflusses
Kann die Steuererstattung im Monat des Zuflusses bzw. im Folgemonat den Bedarf komplett decken, entfällt für diesen Monat die Hilfebedürftigkeit und es wird kein Bürgergeld ausgezahlt. Der den Bedarf übersteigende Betrag der Steuererstattung wird im Folgemonat der Anrechnung zum Vermögen gerechnet und unterliegt den Freibeträgen zum Schonvermögen beim Bürgergeld. Durch die hohen Vermögensfreibeträge erfolgt im Regelfall auch keine weitere Anrechnung.
Beispiel: Bedarfsgemeinschaft hat einen Bürgergeld-Bedarf von 1.200 Euro. Für 2023 erfolgt am 02.04.2024 eine Steuererstattung in Höhe von 1.800 Euro. Das Bürgergeld wurde für April bereits ausgezahlt, so dass der Zufluss der einmaligen Einnahme im Mai berücksichtigt wird. Aufgrund der Höhe der Steuererstattung ist der komplette Bedarf gedeckt und die Hilfebedürftigkeit entfällt, so dass für Mai kein Bürgergeld ausgezahlt wird. Ab Juni wird der überhängende Betrag von 600 Euro dem Schonvermögen zugerechnet und da hier die Freibeträge nicht ausgeschöpft sind, wird das Bürgergeld wieder in voller Höhe gezahlt.
In diesem (konkreten) Fall ist die „Neuregelung“ zu den einmaligen Einnahmen für Bürgergeld Bedürftige günstiger, da nach der alten Sechstelregelung nicht nur 1.200 Euro bis zur Bedarfsdeckung im Zuflussmonat sondern insgesamt 6 x (300 Euro – 30 Euro Versicherungpauschale) = 1.620 Euro angerechnet worden wären.
Berücksichtigung von Freibeträgen auf Einkommen
Einen Freibetrag von 100 Euro gibt es bei der Anrechnung der Steuererstattung nicht, da es sich nicht um Erwerbseinkommen handelt. Lediglich die 30 Euro Pauschale für angemessene Versicherungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Bürgergeld-VO kann von der Steuerrückzahlung für die Bürgergeld Anrechnung abgesetzt werden, sofern der Freibetrag nicht bereits bei anderem Einkommen ausgeschöpft ist.
Steuererstattung bereits ausgegeben
Die Anrechnung der einmaligen Einnahme und damit Kürzung der laufenden Leistungen darf aber nicht in jedem Fall erfolgen. Insbesondere wenn der Hilfebedürftige diese bereits zu anderen Zwecken als zur Bestreitung der aktuellen Notlage verwendet und sie nicht mehr zur Deckung des laufenden Bedarfs zur Verfügung hat. So beispielsweise in den Fällen, die vor dem Bundessozialgericht unter den Az.: B 4 AS 9/20 R sowie Az.: B 14 AS 33/12 R verhandelt wurden, bei denen die vom Finanzamt eingegangene Steuererstattung zum Ausgleich von Schulden für ein Immobiliendarlehen bzw. Ausgleich des Dispokredites genutzt wurde. In beiden Fällen hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass die Steuerrückzahlung dem Hilfebedürftigen nicht mehr als „bereites Mittel“ zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehe und auch kein sozialwidriges Verhalten vorliege. Demzufolge darf das Jobcenter keine fiktiven Einkünfte anrechnen und muss weiterhin ungekürzt Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs erbringen – allerdings dann nicht mehr als Zuschuss sondern als Jobcenter Darlehen.
Wertung Steuererstattung als Vermögen?
Eine Steuererstattung würde nur dann als Vermögen angesehen, wenn diese vor der Antragstellung auf Bürgergeld auf dem Konto des Bedürftigen zufließt wobei zu beachten ist, dass ein Bürgergeld Antrag im Regelfall auf den Ersten des Monats zurückgreift.
In dieser Konstellation spielt es aber keine Rolle, um welche Einnahme es sich handelt, da es als Geld- bzw. Barvermögen angesehen würde, welches dem allgemeinen Freibetrag auf Vermögen unterliegt.
Höhere Freibeträge auf Vermögen
Während eine Steuererstattung, die im laufenden Bürgergeld Bewilligungszeitraum zufließt, als Einkommen berücksichtigt wird und lediglich um die Versicherungspauschale von nur 30 Euro bei der Anrechnung gemindert wird, stehen jedem Hilfebedürftigen in der Bedarfsgemeinschaft 15.000 Euro Vermögensfreibetrag zu, in der Karenzzeit sogar 40.000 Euro für den Haushaltsvorstand. Ein Ehepaar in Bedarfsgemeinschaft hätte also beim Erstantrag auf Bürgergeld für die ersten 12 Monate einen Vermögensfreibetrag von 55.000 Euro, ab dem Folgejahr immerhin noch 30.000 Euro. So lange diese Freibeträge auf Vermögen nicht ausgeschöpft sind, erfolgt auch keine Anrechnung der Steuererstattung auf das Bürgergeld.
BVerfG bestätigt volle Anrechnung als Einkommen
Gegen das Urteil des LSG erhob die Klägerin Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht folgte unter dem Az. 1 BvR 2007/11 vom 08.11.2011 jedoch den Vorinstanzen: Die Anrechnung von Steuererstattungen auf steuerfinanzierte Sozialleistungen als Einkommen führen zu keiner Verletzung des Grundrechts auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG, so die unanfechtbare Entscheidung des Gerichts.
Weiter führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass es sich nicht um eine Kürzung der Steuererstattung handle, sondern dass die Steuerrückzahlung als Einkommen die staatlichen Leistungen – die als „fürsorgliche Sozialleistung“ nicht als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt seien. Demnach liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nicht vor, darüber hinaus sei diese unbegründet und hat keine Aussicht auf Erfolg.
Wie erfährt das Jobcenter von einer Steuererstattung?
Wer Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat auch Mitwirkungspflichten, worunter auch die Vorlage von Steuerbescheiden und Kontoauszügen fällt. Möglicherweise lässt sich das Jobcenter bereits beim Bürgergeld Antrag den letzten Steuerbescheid vorlegen. Gerade wenn man Bürgergeld nur aufstockend – also zusätzlich zum Erwerbseinkommen erhält – wird man regelmäßig die Steuerbescheide vorlegen müssen, aus denen auch möglicherweise eine Steuerrückzahlung resultiert.
Auch könnte das Jobcenter die Vorlage des Steuerbescheides verlangen, wenn man im vergangenen Jahr einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Denn die Wahrscheinlichkeit ist in diesem Fall sehr hoch, dass es im laufenden Jahr dann zu einer Steuererstattung im Rahmen der Einkommensteuererklärung kommt, insbesondere auch dann wenn man nicht das gesamte Jahr durchgehend gearbeitet hat.
Darüber hinaus können auch die Steuerklassen, bei Ehegatten, ein Anzeichen dafür sein, dass eine Steuererklärung abgeben werden muss – unabhängig davon ob eine Steuererstattung- oder Nachzahlung dabei herauskommt. Hat beispielsweise ein Ehepaar die Lohnsteuerklassen III und V gewählt, sind die verpflichtet eine Steuererklärung abzugeben, das wissen auch die Jobcenter, die dann den Steuerbescheid zur Einsicht einfordern werden.
Datenabgleich mit Finanzbehörden
Jobcenter haben darüber hinaus die Möglichkeit, die sie auch rege nutzen, um regelmäßig Datenabgleiche mit den Finanzbehörden zu machen. Zwar bekommen dadurch die Jobcenter nicht heraus, in welcher Höhe eine Steuererstattung erfolgt ist, können aber vom Bundeszentralamt für Steuern erfahren, ob Einkünfte vorliegen, die der Bürgergeld Leistungsempfänger nicht angegeben hat. Bei weiterem Nachhaken beim Finanzamt könnte das Jobcenter auch hier weitere Informationen erhalten.
Steuererstattungen nicht melden und Anrechnung umgehen?
Wir raten ausdrücklich davon ab, Steuererstattungen beim Jobcenter zu verheimlichen, da die Konsequenzen eines bewussten Verschweigens bzw. Nichtnennens gravierend sein können – dies kann sogar bis zu Sozialbetrug reichen, wenn man sich so arglistig Bürgergeld Leistungen beim Jobcenter erschlichen hat.
Quelle: Bundesverfassungsgericht Az. 1 Bvr 2007/11
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