Der Europäische Gerichtshof urteilte kürzlich, dass arbeitslose EU-Bürger Anspruch auf Hartz IV Leistungen haben können, wenn ihre Kinder hierzulande eine Schule besuchen.
Europas oberstes Gericht urteilt
Die Diskussion um den Hartz IV Anspruch von ausländischen EU-Bürgern sorgte zuletzt immer wieder für Furore. Bisher galt: EU-Bürger aus dem Ausland haben hierzulande keinen Anspruch auf Hartz IV, wenn sie sich nur zu Arbeitssuche in Deutschland befinden – eine Rechtsprechung, die von Seiten verschiedener Sozialverbände und Stimmen aus der Politik immer wieder scharf kritisiert wurde. Nun erreicht die hitzige Debatte ihren umstrittenen Höhepunkt in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Europas oberstes rechtsprechendes Organ entschied in einem Urteil vom 06.10.2020 (Az.: C-181/19), dass arbeitslose Ausländer aus EU-Mitgliedstaaten in der Bundesrepublik sehr wohl Hartz IV Ansprüche geltend machen können, solange ihre Kinder in Deutschland zur Schule gehen.
Jobcenter kürzt arbeitslosem Mann aus Polen die Hartz IV Leistungen
Hintergrund des Urteils war der Fall eines Arbeitslosen aus Krefeld. Der Mann zog im Jahr 2013 mit seinen beiden Töchtern von Polen nach Deutschland. Zunächst arbeitete er in verschiedenen Jobs, wurde jedoch 2016 arbeitslos und bezog Hartz IV Leistungen. 2017 kürzte das zuständige Jobcenter dem Mann jedoch sämtliche Leistungen. Die Begründung: EU-Ausländer, die sich nur zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten haben keinen Anspruch auf Grundsicherung (§7 Abs. 1 SGB II).
Diesen Beschluss des Jobcenters wollte der Mann jedoch nicht einfach hinnehmen und zog in zweiter Instanz vor das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen. Das Gericht überwies die Entscheidung mit Beschluss vom 14.02.2019 dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung (Az.: L 19 AS 1104/18).
EuGH: Hartz IV Anspruch durch Schulbesuch der Kinder
Der EuGH urteilte, dass auch Wanderarbeitnehmern bei Jobverlust ein Aufenthaltsrecht zustünde, aus dem sich ein Hartz IV Anspruch ergibt – solange ihre Kinder hierzulande eine Schule besuchen würden. Da sie eine Schule in Deutschland besuchen, bestünde für die Töchter des Polen ein Aufenthaltsrecht. Für den Mann, der sich um seine schulpflichtigen Kinder gekümmert hat, leite sich daraus ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ab, das auch im Fall der Arbeitslosigkeit gilt.
Die gesetzliche Regelung entstammt des Rechts auf Gleichbehandlung mit Inländern. Auf Weise solle verhindert werden, dass Kinder die Schule verlassen müssen, wenn ihre Eltern arbeitslos werden. Die Leistungskürzung des Jobcenters Krefeld erfolgte somit ungerechtfertigt.
Quelle: Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Verfahrensgang:
SG Düsseldorf, 08.05.2018, Az.: S 21 AS 3098/17
LSG Nordrhein-Westfalen, 14.02.2019, Az.: L 19 AS 1104/18
Generalanwalt beim EuGH, 14.05.2020, Az.: C-181/19
EuGH, 06.10.2020, Az.: C-181/19
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