Die Pläne der Ampelkoalition für ein Bürgergeld als Hartz IV Ersatz haben aktuell zwar keine Priorität. Doch wenn die Idee wie in der Koalitionsvereinbarung umgesetzt wird, bleiben die gravierenden Probleme der Grundsicherung bestehen. Davon sind die beiden Sozialwissenschaftler Wiebke Schröder und Jonas Pieper überzeugt. In den Blättern für deutsche und internationale Politik warnen sie vor einer Zunahme von Armut – produziert durch Hartz IV.
Debatte um Grundsicherung
Darüber, dass Hartz IV reformiert werden muss, herrscht weitgehend Einigkeit. Streit birgt das Wie. Das belegen auch die Beiträge in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Die Journalistin Maike Rademakers erklärte dort im Januar, dass höhere Regelsätze keine Verbesserungen brächten. Dem widersprechen jetzt Wiebke Schröder und Jonas Pieper in ihrem Beitrag: „Bürgergeld statt Hartz IV: Die ignorierte Armut.“
Großbaustelle Hartz IV
Bei der Einschätzung, dass Hartz IV eine Großbaustelle ist und die Bemühungen der Ampel die Probleme im Kern nicht lösen, stoßen die Autoren ins gleiche Horn. Schröder und Pieper gehen jedoch einen Schritt weiter und machen deutlich, wie wichtig eine höhere Grundsicherung wäre.
Regelsätze werden fortgeschrieben
Obwohl die Regierung erklärt hat, die Energiepreise beim Bürgergeld berücksichtigen zu wollen, haben die Autoren den Eindruck, dass die bisherigen Hartz IV Regelsätze einfach nur fortgeführt werden. Daher sei es
„ein Missverständnis davon auszugehen, dass die Ampel die brutalen Härten von Hartz IV in finanzieller Hinsicht hinter sich lassen möchte“.
Gleich mehrere Problemfelder
Die aktuellen Regelsätze reichten vorne und hinten nicht. Das belegen die Autoren mit mehreren Beispielen. Sie führen die Lebensmittelkosten an, die Energiekosten und auch das Thema Mobilität. Die vom Hartz IV System vorgesehenen 40 Euro pro Monat reichten nicht aus, um die tatsächlichen Mobilitätskosten zu decken – schon gar nicht in ländlichen Gebieten.
Entbehrung und Ausgrenzung
Die Konsequenzen bringen Wiebke Schröder und Jonas Pieper auf den Punkt:
„Die kleingerechneten Regelsätze bedeuten somit Entbehrung und Ausgrenzung.“
Oder anders ausgedrückt: Hartz IV fördere Armut. Denn gerade die materiellen Entbehrungen seien ein zentrales Problem bei Hartz IV.
Armutsquote steigt
Geld stelle eine Schlüsselressource dar, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Dieses Problem kennen immer mehr Menschen. Denn die Armutsquote in Deutschland steigt: von 14 Prozent in 2006 auf 16,1 Prozent in 2020. Betroffen sind auch Menschen, die arbeiten und Rentner. Diese Großbaustelle müsse angegangen werden.
Bildungspolitik hilft nicht gegen Armut
Doch die Regierung klammere wichtige armutspolitische Maßnahmen einfach aus und setze wie gehabt auf Bildung- und Arbeitsmarktpolitik. Gute Bildungspolitik sei zwar wichtig. „Doch sie hilft akut keinem Kind, das derzeit in Armut aufwächst“, heißt es in dem Beitrag. Sinnvoller sei zum Beispiel, dass der Mindestlohn angehoben wird. Wichtig sei, dass die Bürger besser gegen Armut geschützt werden, etwa durch eine Mindestrente und eine effektive Mietpreisdämpfung. Darüber hinaus müssten die Regelsätze „signifikant“ erhöht werden. Als Wert nennen die Autoren 600 Euro von der Paritätischen Forschungsstelle. Anderenfalls könne von einer Überwindung von Hartz IV keine Rede sein.
Quellen: Bürgergeld statt Hartz IV: Die ignorierte Armut von Wiebke Schröder, Jonas Pieper, Ausgabe 02/2022
Bild: Olena Yakobchuk/ shutterstock.com