Traurig, aber wahr: Die interne Revision der Bundesagentur für Arbeit (BA) deckt immer mehr Schwachstellen bei den Jobcentern auf. Meist zum Nachteil derer, die auf Hartz IV oder andere Sozialleistungen angewiesen sind. Das belegt auch die horizontale Revision zur „Identifizierung eines möglichen Rehabilitationsbedarfs (Wiedereingliederung)“. Fazit: Statt Betroffene umfassend zu informieren, lässt man sie viel zu oft im Regen stehen und verstößt damit auch gegen rechtliche Grundlagen.
Inhaltsverzeichnis
Behinderungsspezifische Nachteile beseitigen
Eine der zentralen Aufgaben der Jobcenter ist es, Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden und zu reduzieren. Daher wird das Thema Prävention immer wichtiger. Das gilt umso mehr, wenn es darum geht, behinderungsspezifische Nachteile Hartz IV Bedürftiger zu beseitigen.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
In diesem Zusammenhang sind die Integrationsfachkräfte (IFK) dazu verpflichtet, Betroffene „über den Rechtsanspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben zu beraten“. Dieser Anspruch muss zunächst geprüft werden. Im Bericht der internen Revision heißt es dazu:
„Die IFK muss klären, in welchem Ausmaß sich die gesundheitlichen Einschränkungen auf die Leistungsfähigkeit und in der Folge auf die Eingliederung in Arbeit auswirken und ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig sind.“
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Die gesetzliche Grundlage
Das ist wichtig, weil Hartz IV Bedürftige, bei denen Rehabilitationsbedarf besteht, Leistungen beim zuständigen Rehabilitationsträger beantragen müssen. Die Grundlage hierfür bildet § 12a SGB II:
„Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist.“
240 Fälle wurden untersucht
Das scheint bei den Jobcentern, die man seitens der internen Revision näher unter die Lupe genommen hat, nur bedingt zu funktionieren. Untersucht wurden die Datensätze von 240 Personen, bei denen „vermittlungsrelevante gesundheitliche Einschränkungen“ vorliegen.
In neun Prozent der Fälle (21 Hartz IV Bedürftige) wurde nicht näher dargelegt, wie sich die Einschränkungen auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Bei 100 der Betroffenen gab es aus Sicht der internen Revision Hinweise auf einen möglichen Rehabilitationsbedarf.
Hinweise werden zu spät aufgegriffen
In 55 dieser 100 Fälle wurde die entsprechenden Hinweise aufgegriffen, teils aber deutlich zu spät (13 Prozent). In 14 Fällen wurden die Gründe dokumentiert, warum man die berufliche Rehabilitation nicht weiterverfolgte. Aber: Bei 31 Prozent wurden die Hinweise nicht erkannt und damit auch nicht auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hingewiesen.
Von den 55 Betroffenen, bei denen ein Rehabilitationsbedarf erkannt wurde, beantragen 32 Leistungen beim Rehabilitationsträger. Für 20 Hartz IV Bedürftigen wurden Gründe hinterlegt, warum noch kein Antrag erfolgte. Lediglich in drei Fällen fehlt dieser Hinweis.
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Nicht über Rechtsanspruch informiert
Schlüsselt man die 32 Fälle auf, bei denen ein Antrag erfolgte, machten die Jobcenter ebenfalls Fehler: 18-mal wurde „nicht nachvollziehbar über den möglichen Vorrang von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ informiert. Und bei 63 Prozent fehlte die Verpflichtung, einen Antrag zu stellen.
Ärztliche Gutachten
Probleme sieht die interne Revision auch bei ärztlichen Gutachten, die Integrationsfachkräfte veranlassen. Hier wurden 120 Fälle untersucht. Im Schnitt dauerte es 89 Tage, ehe ein solches Gutachten beauftragt wurde, obwohl erkannt worden war, dass die gesundheitlichen Einschränkungen beurteilt werden müssen.
Enorme Verzögerungen
Lediglich in 13 Fällen wurde der ärztliche Dienst schon während des Gesprächs informiert. „Bei 29 der 120 Kundinnen und Kunden (24 %) verzögerte sich die Beauftragung des ärztlichen Gutachtens
ohne erkennbaren Grund um mehr als 30 Tage“, erklärt der Bericht. Besonders ärgerlich: Dadurch ergäben sich Verzögerungen von 152 Tagen.
Bis die Ergebnisse der Gutachten mit den Hartz IV Bedürftigen besprochen wurden, vergingen im Schnitt weitere 42 Tage. Die Folge: Verzögerungen von 72 Tagen. Auch für die interne Revision nicht nachvollziehbar: In neun Fällen war das ärztliche Gutachten nicht einmal geöffnet worden.
Fehlendes Bewusstsein für Rehabilitation
Die Gründe für das Versagen sehen die Teamleitungen der jeweiligen Jobcenter vor allem im fehlenden Bewusstsein der Integrationsfachkräfte für das Thema Rehabilitation. Daraus ergeben sich gravierende Probleme für Betroffene. Denn, so die interne Revision:
„Werden Hinweise auf einen möglichen Rehabilitationsbedarf nicht frühzeitig erkannt und konsequent weiterverfolgt, geht wertvolle Zeit im Integrationsprozess verloren.“
Was ist Arbeit auf Augenhöhe?
An dieser Stelle ist dann die Frage erlaubt, wie Jobcenter beim künftigen Bürgergeld Fairness und Arbeit auf Augenhöhe gewährleisten sollen, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt schon nicht in der Lage sind, bei gesundheitlichen Einschränkungen entsprechend zu reagieren.
Bericht der internen Revision der BA | Januar 2022:
Identifizierung eines möglichen Rehabilitationsbedarfs (Wiedereingliederung)
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