Jetzt haben alle ihren Willen durchgesetzt, einen Kompromiss gefunden und den Weg für das Bürgergeld nach hartem Ringen freigemacht. Da auch der Vermittlungsausschuss grünes Licht gegeben hat, dürfte Hartz V somit zum 1. Januar 2023 kommen. Allerdings nicht in einem Rutsch, sondern in zwei größeren Schritten. Das gilt zumindest auf dem Papier. Denn ob die Jobcenter ausreichend auf den Systemwechsel vorbereitet sind, steht auf einem anderen Blatt.
Vermittlungsausschuss segnet Kompromiss ab
Die Streitpunkte Sanktionen, Schonvermögen und Karenzzeit waren am Mittwoch schon vor dem Zusammentreffen des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat geklärt. Von daher ist es keine Überraschung, dass der Kompromiss abgesegnet wurde.
Hartz 5 Kompromiss: Respekt und Vertrauen bleiben auf der Strecke
Hubertus Heil: Hartz IV geht
Im Anschluss an die Sitzung zeigte man sich weitgehend zufrieden. Die Vorsitzende des Ausschusses, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), betonte, der Kern der Reform sei erhalten geblieben. Und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist froh:
„Heute ist klar: Das Bürgergeld kommt zum 1. Januar – Hartz IV geht.“
Faire Grundsicherung
Ähnlich äußerte sich FDP-Vizechef Johannes Vogel. Er sieht im Ergebnis eine
„Reform für eine modernere und faire Grundsicherung“
und bezieht sich dabei vor allem auf die neuen Regeln für einen Zuverdienst. CDU-Chef Friedrich Merz war etwas zurückhaltender und lobte den „vertretbaren Kompromiss“.
Keine Überwindung von Hartz IV
Auf der anderen Seite gab es aber auch Kritik am Hartz V Kompromiss. Die Linke lehnte die Lösung ab. Den Grund nannte Gesine Lötzsch: Hartz IV sei lediglich umbenannt worden. Schon vor dem Vermittlungsausschuss hatte die Partei betont, es könne keine Rede mehr davon sein, dass man Hartz IV überwinde. Stattdessen gebe es nur „mickrige Verbesserungen“.
Hartz IV wird mit dem Bürgergeld nicht überwunden
50 Euro sind einfach zu wenig
Diese Aussage würde die Grüne Jugend umgehend unterschreiben. Sie moniert insbesondere die Anpassung der Regelsätze (502 statt 449 Euro für einen Single).
„Wir brauchen eine Krisenbewältigung, mit der wir alle gut durch den Winter kommen“,
sagte Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrich dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Eine Fortschreibung um 50 Euro sei daher „einfach zu wenig“.
Freitag entscheiden Bundesrat und Bundestag
Ob der Kompromiss tatsächlich eine breite Mehrheit findet, wird sich am Freitag klären. Zum einen muss der Bundestag dem Kompromiss und damit der neuen Gesetzesgrundlage zustimmen. Zum anderen bedarf es der Zustimmung durch den Bundesrat. Doch beides scheint gesichert zu sein. Damit ist auch die Bundesagentur für Arbeit in der Lage, die neuen Regelsätze passend zum 1. Januar 2023 einzuführen.
Umsetzung erst ab Juli 2023
Das ist dann der erste von zwei Schritten. Das Gesetz tritt zum 1. Januar in Kraft und damit auch die Regelsatzanpassung. Alle weiteren Bausteine des Bürgergelds, etwa der Kooperationsplan zwischen Hartz V Betroffenen und dem Jobcenter, sollen mit dem 1. Juli 2023 Einzug halten.
Jobcenter sind schlecht vorbereitet
Bis dahin hat man noch viel Arbeit vor sich. Denn aufgrund der Streitereien ist erst jetzt klar, wohin die Reise geht, und kann man auch jetzt erst die Jobcenter oder vielmehr die Integrationsfachkräfte (Sachbearbeiter) auf die Neuerungen vorbereiten. Das sei auch zwingend nötig, mahnt die Diakonie. Sie zweifelt daran, dass die Anträge schnell bearbeitet werden können, weil schon jetzt alles auf Kante genäht sei.
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