Raus aus Hartz IV und dem Nachfolger Bürgergeld. Diese Chance bietet die Wohngeldreform. Dadurch, dass an vielen Stellschrauben gedreht wurde, haben ab dem kommenden Jahr mehr Menschen Anspruch auf Wohngeld als bisher. Dazu gehören, so die Regierung, auch rund 380.000 Haushalte, die aktuell noch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen sind. Sie haben ab 2023 die Möglichkeit, Wohngeld zu beantragen und sind damit nicht länger abhängig vom Jobcenter und den Launen der Sachbearbeiter.
Wenn das Geld trotz Arbeit nicht reicht
„Arm trotz Arbeit“ betrifft inzwischen immer mehr Haushalte. Sie müssen zum Amt und mit Hartz IV, künftig mit Bürgergeld aufstocken. Das ist gewiss kein angenehmes Gefühl, zumal man im übertragenen Sinn die Hosen herunterlassen muss, damit der Anspruch auf das Bürgergeld geprüft werden kann. Zwar werden auch beim Wohngeld Daten erfragt, um zu prüfen, ob der Bescheid bewilligt werden kann. Doch dabei geht es eher um das Einkommen und nicht darum, wie dick die Sparschweine der Kinder sind.
Wohngeld Plus für 1,4 Millionen Haushalte
Mit dem „Wohngeld Plus“ hat die Bundesregierung den Weg geebnet, damit mehr Menschen finanziell unterstützt werden.
„Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens“,
erklärt die Ampel auf der Regierungswebsite. Zielgruppe sind Personen, deren Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze liegt.
Hier die wichtigsten Änderungen in Kurzform:
- Statt 600.000 Haushalten haben künftig 1,4 Millionen Haushalte die Chance auf Wohngeld.
- Der Wohngeldbetrag steigt im Schnitt um 190 auf 370 Euro pro Monat.
- Maßgeblich sind die Zahl der Haushaltsmitglieder, die Miete bzw. die Belastung bei selbstgenutztem Wohneigentum sowie das Gesamteinkommen aller Haushaltsmitglieder.
- Neu ist die Heizkostenkomponente von 2,00 Euro je Quadratmeter.
3.000 Euro Inflationsprämie auch bei Hartz IV / Bürgergeld möglich
Wohngeld hat Vorrang vor dem Bürgergeld
Aufgrund der neuen Rahmenbedingungen haben etwa 380.000 Hartz IV Aufstocker die Möglichkeit, Wohngeld zu beantragen und sich damit vom Jobcenter zu verabschieden. Ob man zu dieser Gruppe zählt, kann und sollte man beispielsweise mit dem Wohngeldrechner von wohngeld.org prüfen. Denn das Wohngeld zählt zu den vorrangigen Leistungen, die anstelle von Bürgergeld in Anspruch genommen werden müssen.
Das regelt §12a des SGB II:
„Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist.“
Eine Ausnahme gilt beim Wohngeld laut Satz 2 des Paragrafen,
„wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde“.
Anspruch mit dem Wohngeldrechner klären
Gewissheit bietet nur ein Wohngeldrechner. Das Tool ist einfach zu bedienen. Die Formularfelder fragen Punkt für Punkt ab, angefangen beim Jahr über den Wohnort und die aktuelle Miete bis hin zu allen Personen der Bedarfsgemeinschaft – maßgeblich ist insbesondere das Einkommen für die Wohngeldberechtigung.
Parallel dazu können Sie auch Berechnungen mit dem Bürgergeld Rechner von buergergeld.org vornehmen.
Jobcenter müssen beraten
Allerdings sind auch die Jobcenter in der Pflicht. Sie können sich nicht allein auf § 12a SGB II ausruhen, sondern müssen von sich aus auf das Wohngeld aufmerksam machen. In den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) Stand 27.10.2022 zu den vorrangigen Leistungen wird auf Seite 5 explizit darauf hingewiesen:
„Das Jobcenter hat die leistungsberechtigten Personen auf vorrangige Leistungen und die Verpflichtung, sie in Anspruch zu nehmen, hinzuweisen. Insofern besteht eine gesteigerte Beratungspflicht.“
Selbst aktiv werden
Angesichts der prognostizierten Flut an Wohngeldanträgen sollten Hartz IV Aufstocker nicht darauf hoffen und warten, vom Jobcenter angesprochen zu werden, sondern selbst aktiv werden. Erste Anhaltspunkte gibt der Wohngeldrechner. Wer sich dennoch nicht sicher ist, sollte mit dem Jobcenter oder der zuständigen Wohngeldstelle Rücksprache halten. Zu beachten ist, dass nach aktuellen Angaben der entsprechenden Stellen die Bearbeitung von Wohngeldanträgen auf das Wohngeld-Plus nicht rechtzeitig im Januar 2023 erfolgen kann, da sich die Anzahl der Anträge exorbitant erhöhen wird. Viele Anträge sollen bis spätestens April 2023 bewilligt werden, dann aber auch rückwirkend.
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