Hauptsache, der Termin steht. Wie andere damit fertig werden, spielt keine Rolle. Dieser Eindruck drängt sich beim Bürgergeld auf. Obwohl die Bundesagentur für Arbeit (BA) schon früh davor gewarnt hat, die Hartz IV Reform übereilt auf den Weg zu bringen, hat die Bundesregierung sich lediglich dazu durchringen können, das Bürgergeld in zwei Schritten einzuführen. Ausbaden dürfen das Problem jetzt die Jobcenter. Deren Sprecher befürchten einen Kollaps in den Behörden.
Änderungen erst kurz vor knapp beschlossen
Dass Hartz IV abgelöst und durch das Bürgergeld ersetzt wird, war schon lange klar. Daran hatte die Regierung nie auch nur einen Zweifel zugelassen. Nur das „wie“ und „was“ rund um das Bürgergeld ließ lange – zu lange – auf sich warten. Das macht es den Jobcentern deutlich schwerer, sich auf das neue System einzustellen. Das gilt umso mehr, da man durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie ohnehin schon am Anschlag arbeitet.
Bürgergeld kommt 2023 in zwei Schritten
Neuerungen bedeuten sehr viel Arbeit
Im Landkreis Fulda ist man daher wenig erfreut, dass durch das Bürgergeld noch mehr Arbeit auf die Beschäftigten in den Jobcentern zukommt.
„Wir müssen uns jeden Fall einzeln ansehen. Denn es ändert sich ja nicht nur die Höhe der monatlichen Zahlung“,
so Jürgen Stock, Fachbereichsleiter Arbeit und Soziales. Hinzu kämen viele weitere Neuregelungen, etwa zum Unterhaltsvorschuss oder dem Kinderunterhalt.
Arbeitshilfe umfasst acht Seiten
Dass die Umstellung auf das Bürgergeld nicht per Knopfdruck realisiert werden kann, beweist die Arbeitshilfe, die den Jobcentern für das Bürgergeld zur Verfügung gestellt wurde. Sie umfasst acht Seiten. Das eigentliche Problem: Erst seit Anfang Dezember, also weniger als einen Monat vor der geplanten Einführung des Bürgergelds, wussten die Behörden, „welche Änderungen genau kommen“.
Mindestens eine halbe Stunde Aufwand je Familie
Laut Jürgen Stock ließe sich nur ein Drittel der Fälle leicht umstellen. „Bei den anderen zwei Dritteln muss man sich einiges ansehen“, so der Experte. Er rechnet mit einem Aufwand von einer halben Stunde je Familie. Daher gilt eine Urlaubssperre und ist das Jobcenter an zwei Tagen in der Woche telefonisch nicht mehr erreichbar. Das heißt, die Umstellung steht einer ordentlichen Betreuung Bürgergeld Betroffener schon jetzt im Weg.
Mehraufwand an der Basis
Unmut über die Entscheidungen der Regierung, von Bundestag und Bundesrat äußert daher auch der Landrat des Kreises, Bernd Woide (CDU):
„Der Gesetzgeber hat kein Gefühl mehr, welchen Aufwand seine Änderungen in den Verwaltungen an der Basis produzieren.“
Die Mitarbeiter seien gezwungen, binnen weniger Tage Änderungen umzusetzen, für die man sonst Monate benötige.
Jobcenter bald nicht mehr arbeitsfähig
Das stößt auch dem Sprecherrat des Bundesnetzwerks Jobcenter bitter auf. Er warnt vor „unkalkulierbaren Konsequenzen“. Angesichts von fünf Millionen Menschen, die auf die Hilfe der Jobcenter angewiesen seien, müssten die Behörden arbeitsfähig bleiben. Das sei aufgrund der vielfältigen Herausforderungen derzeit nicht mehr gewährleistet.
Bürgergeld Regelsatz 2023 bei 725 Euro und Übernahme der Stromkosten
Zu wenig Personal
Kernproblem: Die Arbeit, die mit dem Bürgergeld, teils auch mit dem Wohngeld und den vielen anderen Neuerungen auf die Behörden zukommt, müsse mit dem bestehenden Personal und teils sogar mit weniger Mitarbeitern bewältigt werden. Und statt den Jobcentern mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sei die finanzielle Decke 2023 im Vergleich zu 2022 sogar dünner.
Zu dünne Finanzdecke
Der Sprecher des Netzwerkes, Stefan Graaf, auch Geschäftsführer der Jobcenter der Städteregion Aachen, beziffert den Fehlbetrag für die Wiedereingliederung von Arbeitslosen und die Personalkosten allein in seinem Bereich mit 3,86 Millionen Euro.
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