Irrwitzig, die Tricks, mit denen das Bürgergeld kleingerechnet wird. Denn ginge es nach der Statistik, müsste die Grundsicherung deutlich höher ausfallen. 502 Euro pro Monat sieht der Gesetzgeber aktuell für einen Single vor. 53 Euro mehr als mit Hartz IV. Würde man das Statistikmodell berücksichtigen, läge man jedoch bei 725 Euro pro Monat plus Strom. Wie diese Differenz zustande kommt, erklärt Dr. Andreas Aust vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Zahlen der Grundsicherung entwirrt
Der Referent für Sozialpolitik entwirrt im Gespräch mit der Tageszeitung „junge Welt“ die Zahlenspielereien rund um das Bürgergeld. Die Basis für die Berechnung bildet das sogenannte Statistikmodell. Dafür wird, bezogen auf das Einkommen, das untere Fünftel der Gesellschaft herangezogen. Hier finden sich unter anderem Studierende und Tagelöhner. Also Menschen, die haushalten müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen.
Referenzwert: 725 Euro plus Strom
Laut den Berechnungen von Dr. Andreas Aust, die auf den Daten des Statistischen Bundesamtes beruhen, gibt dieses untere Fünftel monatlich 725 Euro aus. Die Stromkosten bleiben in dieser Kalkulation unberücksichtigt. Denn Strom sei, so der Experte, selbst mit Preisdeckel für viele unbezahlbar.
Warum gibt es nur 502 Euro?
Wenn Menschen mit geringem Einkommen 725 Euro für Nahrungsmittel, Kleidung, Verkehr und Kultur ausgeben, was als Maßstab für das Bürgergeld gilt: Wie kommt die Ampel mit ihrer neuen Berechnung dann auf 502 Euro? Diese Frage stellen sich viele. Die Antwort von Dr. Andreas Aust: Weil einige Ausgabenposten als nicht „regelbedarfsrelevant“ gelten, würden sie grundlos gestrichen.
Die Streichliste: Kultur, Bildung und Co.
Während die Referenzgruppe knapp 100 Euro monatlich für Kultur ausgibt, sieht das Bürgergeld weniger als die Hälfte vor. 11,85 Euro pro Monat, so der Referent für Sozialpolitik beim Paritätischen Gesamtverband, bleiben für Sport- oder Kultur über. Bei Zeitungen und Magazinen sind es nur 6,17 Euro und für Bücher und Broschüren 4,27 Euro.
Verzicht aufs Auto
Komplett aus der Liste genommen wurden Versicherungen, ebenso Haushalte, die einen Pkw besitzen. Das Ergebnis:
„Die Ausgaben der Referenzgruppe für Mobilität zum Beispiel werden dadurch von 102,66 auf 45,02 Euro gebracht“,
sagt Dr. Andreas Aust. Auch bei der Bildung wird gespart. Laut Statistikmodell müssten es 8,13 Euro sein. Eingepreist wurden 1,81 Euro.
So wird die Referenzgruppe „angepasst“
Die zweite Stellschraube, an der gedreht werde, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten, sei die Referenzgruppe. Normalerweise sollen Bürgergeldempfänger bei der Berechnung ausgeschlossen sein. Doch Aufstocker fließen ebenso in die Berechnung ein wie Menschen, die eigentlich Anspruch auf Grundsicherung hätten, aber keinen Antrag stellen.
Altes Prinzip neu aufgelegt
Dieses Spiel ist nicht neu. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2010 gemahnt hatte, die Ermittlung der Regelbedarfe sei nicht nachvollziehbar, wurde eifrig nachgebessert. Weil man plötzlich zu viel hätte zahlen müssen, wurde kurzerhand die Referenzgruppe angepasst. Daher darf man gespannt sein, ob die Klagen vom VdK und dem SoVD zur Regelsatzberechnung Erfolg haben.
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