Früh in Rente: Davon träumen viele. Doch das kann auch zum Albtraum werden. Vor allem dann, wenn man zwangsweise in Frührente geschickt wird. Denn dadurch minimiert sich die Rentenzahlung und aus dem sorgenfreien Ruhestand wird ein finanzieller Kampf. Für Hartz IV Bedürftige war dieses Szenario vorgezeichnet. Bürgergeld Empfänger indes profitieren davon, dass jetzt Schluss ist mit der Zwangsverrentung – zumindest vorerst.
Hilfebedürftigkeit mit der Rente beenden
Das Zauberwort, das Jobcenter dazu berechtigte, Hartz IV Bedürftige vorzeitig in Rente zu schicken, lautet Subsidiaritätsprinzip. Demnach müssen andere Sozial- und/oder Versicherungsleistungen in Anspruch genommen werden, um die Hilfebedürftigkeit zu beenden. Zu diesen vorrangigen Leistungen gehört auch die Altersrente. Maßgeblich sind die §§ 5 und 12a des SGB II.
Pflicht zur Rente mit 63
Daraus ergab sich die Pflicht, mit 63 einen Rentenantrag zu stellen, wenn die 35-jährige Wartezeit in der Deutschen Rentenversicherung erfüllt war. Kam man der Aufforderung dazu nicht nach, hat das Jobcenter die Arbeit übernommen. Diesbezüglich mussten allerdings einige Ausnahmen und Regeln beachtet werden. Die stehen in der Unbilligkeitsverordnung, die aktuell aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen jedoch nicht wirklich von Belang ist. Nicht zwangsverrentet werden dürfen demnach:
- Personen, die trotz Rente weiterhin auf Grundsicherung im Alter angewiesen wären.
- Jeder, der nachweisen kann, dass er eine neue Arbeitsstelle hat.
- Leistungsempfänger, die in „nächster Zukunft“ die Rente abschlagsfrei beantragen können.
Ausgenommen sind darüber hinaus alle, die mit Bürgergeld aufstocken oder Arbeitslosengeld I beziehen.
Die Folgen der Zwangsverrentung
Wie wichtig einzelne Bausteine dieser Unbilligkeitsverordnung sind, zeigt ein Blick auf die Folgen der Zwangsverrentung. Denn jeder Monat, den man eher in Rente geht, kostet Geld – und zwar bis zum Lebensende. Konkret geht es um 0,3 Prozent pro Monat, den man vor der persönlichen Regelaltersgrenze nach § 7a SGB II einen Schlussstrich unter das Arbeitsleben zieht.
Eintrittsalter zur Regelaltersrente
Geburtsjahr | Renteneintrittsalter | regulärer Renteneintritt |
---|---|---|
1956 | 65 Jahre + 10 Monate | 11/2021 bis 10/2022 |
1957 | 65 Jahre + 11 Monate | 12/2022 bis 11/2023 |
1958 | 66 Jahre | 01/2024 bis 12/2024 |
1959 | 66 Jahre + 2 Monate | 03/2025 bis 02/2026 |
1960 | 66 Jahre + 4 Monate | 05/2026 bis 04/2027 |
1961 | 66 Jahre + 6 Monate | 07/2027 bis 06/2028 |
1962 | 66 Jahre + 8 Monate | 09/2028 bis 08/2029 |
1963 | 66 Jahre + 10 Monate | 11/2029 bis 10/2030 |
1964 | 67 Jahre | 01/2031 bis 12/2031 |
Bis zu 14,4 Prozent weniger Rente
Ausgehend von vier Jahren, die man früher in Rente geschickt werden konnte, also 48 Monate, ergeben sich maximale Abzüge von 14,4 Prozent. Das klingt nicht nach viel, macht sich aber sehr deutlich bemerkbar.
Die Frankfurter Rundschau hat dazu ein Rechenbeispiel: Von 1.441 Euro Rente, die nach 35 Jahren Erwerbstätigkeit eigentlich zu Buche stünden, würden bei einem Abschlag von 14,4 Prozent nurmehr 1.234 Euro bleiben. Das sind über 200 Euro pro Monat, die dann im Portemonnaie fehlen. Hätte die Person lediglich 34 Jahre gearbeitet und geht nicht zwangsweise eher in Rente, blieben 1.400 Euro.
Zahl der Betroffenen ist unbekannt
Wie viele Hartz IV Bedürftige davon betroffen waren, kann nicht gesagt werden, weil es dazu keine Statistiken gibt und keine Zahlen veröffentlicht wurden. Ver.di hat für 2014 Schätzungen vorliegen, wonach 65.000 Menschen von einer Zwangsverrentung betroffen waren.
Die neuen Regeln im Bürgergeld
Mit dem Bürgergeld wurde das Prinzip der Zwangsverrentung vorerst auf Eis gelegt. § 12a SGB II besagt jetzt:
„Für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 findet Satz 2 Nummer 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass Leistungsberechtigte nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.“
Zudem heißt es im § 65 Abs. 2 SGB II:
(2) Sofern die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor dem 1. Januar 2023 nach § 5 Absatz 3 Satz 1 Leistungsberechtigte aufgefordert haben, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, ist die Stellung eines entsprechenden Antrages durch die Träger nach diesem Buch nach dem 31. Dezember 2022 unzulässig.
Was nach 2026 kommt, ist damit noch offen. Der Sozialverband Deutschland jedenfalls befürchtet, dass sich die Politik auf diese Weise eine Hintertür offen hält, um die Zwangsrente dann wiederbeleben zu können.
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