Eine ehrliche Antwort, die tief blicken lässt: Die Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, hat sich zu den neuen Regelsätzen beim Bürgergeld geäußert. Dass sie die Anpassung und die eigene Partei für das Engagement lobt, war zu erwarten. Dann kommt aber eine Aussage, mit der sie sich in der Ampelkoalition gewiss keine Freunde macht. Sie sagte wortwörtlich:
„Regelsätze müssen zum Leben reichen, das ist noch nicht geschafft.“
Die Sozialreform-Floskel
Bislang haben sich Politiker kaum zum Thema Bürgergeld geäußert. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wiederholte lediglich seine Floskel zur größten Sozialreform. Sonst blieb es still oder hat man das Bürgergeld mit wenigen Worten und einem nichtssagenden Lächeln als wichtigen Schritt bezeichnet. Auch Ricarda Lang sieht die Grundsicherung mit dem Bürgergeld auf dem richtigen Weg. Doch bei den Regelsätzen hat sie offenbar Zweifel, dass die Neuberechnung ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.
Regelsätze nicht tragbar
Im Interview mit dem Hamburger Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ bezeichnet sie den 53 Euro höheren Bürgergeld-Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen zwar als eine „deutliche Entlastung“. Die Erhöhung bringe „akut sehr vielen Menschen mehr Geld aufs Konto“. Doch die Grünen-Vorsitzende ist sich auch bewusst, dass Vieles aus dem Regelsatz herausgerechnet wurde, was eigentlich zum Leben und zur Teilhabe nötig wäre. „Das ist nicht tragbar“, so Ricarda Lang.
Weitere Erhöhung ist schwierig
Angesprochen auf die Forderung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes nach einem Bürgergeld in Höhe von 725 Euro (plus Strom), bleibt sie jedoch zurückhaltend. Sie möchte sich nicht auf eine Zahl festlegen. Ihr sei es wichtig, eine neue Berechnungsgrundlage zu schaffen und künftig noch stärker die Inflation bei der Fortschreibung der Regelsätze zu berücksichtigen. Das sei eine Verbesserung durch die Koalition. Eine „weitere, große Erhöhung darüber hinaus“ sei aber schwierig.
Sanktionen auf Drängen der CDU
Hinsichtlich der Sanktionen, die beim Bürgergeld auch weiterhin verhängt werden dürfen und in „Leistungsminderungen“ umbenannt wurden, gibt die Grünen-Chefin die Schuld der Union. Die CDU habe mit ihrer Blockadehaltung einen Kompromiss nötig gemacht, ohne den es gar keine Fortschritte gegeben hätte. Als einen wichtigen Schritt nach vorn bezeichnet Ricarda Lang in dem Zusammenhang, dass die erste Nachricht vom Jobcenter nicht direkt mit einer Sanktionsandrohung verbunden sei.
Jedem eine Chance geben
Wäre es nach ihr gegangen, so die Bundesvorsitzende der Grünen, hätte sie auf Sanktionsfreiheit gesetzt. Auch die Vertrauenszeit, die mit dem Kompromiss gekippt wurde, hätte „dem System gutgetan“. Davon wäre eine wichtige Botschaft ausgegangen, betont Ricarda Lang: „Wir geben jeder und jedem eine Chance.“ Dafür hätten sie und die Grünen gekämpft. Ohne das Engagement im Vermittlungsausschuss wäre man nie so weit gekommen.
Nur leere Worte?
Schade nur, dass diesen Worten meist keine Taten folgen. Warum hat man sich nicht auf das Angebot eines Sozialgipfels eingelassen, bei dem man nebenbei nichts zu verlieren gehabt, sondern viele wichtige Erkenntnisse zur Armut in Deutschland gewonnen hätte? Warum spricht man nicht über Soforthilfen oder eine zeitnahe Anpassung der Regelsätze, wenn die Inflation es erfordert? Zu sagen, das Geld reicht nicht zum Leben, ist eines. Daran etwas zu ändern, die eigentliche Aufgabe der Politik.
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