Noch schlimmer, noch gravierender und letztlich ein Warnschuss, endlich die Scheuklappen abzunehmen: Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat seinen Armutsbericht für das Jahr 2022 überarbeiten müssen. Denn die Grundlage für Daten, die Erstergebnisse des Statistischen Bundesamtes, weichen teils deutlich von den Endergebnissen ab, die im Februar 2023 veröffentlicht wurden. Dadurch liegt die Armutsquote in Deutschland noch höher. Es sind nicht 16,6 Prozent, sondern 16,9 Prozent.
14,1 Millionen Armutsbetroffene
Die Verschlechterung und damit ein ziemlich düsteres Zukunftsbild zieht sich durch alle Bereiche. Wobei bereits die Armutsquote Grund genug ist, endlich zu erkennen: Viele Menschen stehen mit dem Rücken zur Wand. In der Summe gilt das für 14,1 Millionen Menschen (alte Fassung: 13,8 Millionen), die auf das Bürgergeld angewiesen sind, von einer Mini-Rente leben müssen oder zu wenig Gehalt haben, um davon sich und eine Familie zu ernähren.
Gravierende Abweichungen
Die gravierenden Abweichungen, von denen der Paritätische Gesamtverband spricht, gelten etwa für die Kinderarmut. 20,8 Prozent, von denen man zuletzt ausgegangen war, sind schon erschreckend. Tatsächlich sind es aber 21,3 Prozent – also weit mehr als jedes fünfte Mädchen und jeder fünfte Junge lebt in Armut. Auch Alleinerziehende sind stärker betroffen: 42,3 Prozent (erste Fassung des Armutsberichts: 41,6 Prozent).
Betrachtet man die Armutsquoten für die einzelnen Bundesländer, so zeigen sich auch hier Sprünge nach oben, die man so nicht erwartet hatte:
- Berlin: 20,1 statt 19,6 Prozent
- Nordrhein-Westfalen: 19,2 statt 18,7 Prozent
- Rheinland-Pfalz: 17,0 statt 16,5 Prozent
- Schleswig-Holstein: 15,6 statt 15,0 Prozent
Nicht in den schlechtesten Träumen erwartet
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Dr. Ulrich Schneider, kommentiert die überarbeitete Neuauflage:
„Die Armutsquoten waren bereits nach den vom Statistischen Bundesamt in 2022 vorgestellten Daten auf einem traurigen Rekordhoch.“
Nicht einmal in den schlechtesten Träumen hätte man erwartet, dass die Zahlen noch einmal nach oben gehen würden.
Bitteres Armutszeugnis
Dr. Schneider nennt es „ein bitteres Armutszeugnis für die Politik der Großen Koalition“. Sie habe Armut billigend in Kauf genommen. Daher fordere man die Ampel-Koalition jetzt auf, rigide und wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Armut in Deutschland zu ergreifen. Es sei keine Zeit zu verlieren. Die Armut werde immer größer. Dadurch wachse die Not vieler Betroffener.
Zentrale Maßnahmen, die der Paritätische Wohlfahrtsverband (erneut) einfordert:
- Anhebung des Bürgergeld Regelsatzes auf 725 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen (derzeit sind es 502 Euro)
- Das BAföG muss existenzsichernd angehoben werden.
- Die Kindergrundsicherung soll zügig eingeführt werden.
Der Armutsbericht finden Sie hier zum Download beim Paritätischen Wohlfahrtsverband.
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