Alles wird besser und Hartz IV endlich überwunden. Das hatten SPD, Grüne und FDP versprochen. Sie bastelten mit großem Tamtam ein Bürgergeld, überklebten dabei aber letztlich nur das alte Etikett. Die Folgen dieser Augenwischerei müssen die Betroffenen ausbaden. Sie haben dank Bürgergeld inzwischen sogar weniger Kaufkraft als zu Zeiten von Hartz IV. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ an die Bundesregierung hervor.
Teuerung greift weiter um sich
Um das Problem sichtbar zu machen, reicht ein Blick auf den Kassenzettel nach dem Einkauf beim Discounter. Offiziell liegt die Teuerung im Bereich Nahrungsmittel bei über 20 Prozent (März 2023: 22,3 Prozent). Da einzelne Produkte selbst diese Marke reißen (Gemüse 27,3 Prozent, Zucker 70,9 Prozent, Sonnenblumenöl 54,1 Prozent, Margarine und Pflanzenfett 42,4 Prozent) bleibt nicht viel im Portemonnaie. Das bekommen alle Haushalte zu spüren, nicht nur Bürgergeld-Empfänger.
Inflation bricht Bürgergeld-Empfängern das Genick
Existenzminimum wird gefährdet
Menschen, die Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalten, müssen sich allerdings darauf verlassen können, dass die Regelsätze zumindest das Existenzminimum gewährleisten. Da hat man sich beim Bürgergeld offenbar verkalkuliert. Das weist Jessica Tatti, Sprecherin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundestagsfraktion „Die Linke“, mit wenigen Zahlen nach.
Inflationsvergleich Hartz IV und Bürgergeld
Sie vergleicht mit Verweis auf eine Anfrage an die Bundesregierung die Inflation bei Hartz IV und beim Bürgergeld. Die Daten basieren auf den im Regelbedarf enthaltenen Gütern. Demnach standen im Januar und Februar 2021 0,7 Prozent zu Buche. Anfang 2022 waren es 3,7 und 3,8 Prozent. In diesem Jahr mussten Bürgergeld-Empfänger eine Teuerung von 12,2 Prozent im Januar und 12,8 Prozent im Februar stemmen. Angepasst wurden die Regelsätze zum Jahreswechsel jedoch nur um 11,8 Prozent.
Das Fazit von Jessica Tatti: Mit dem Bürgergeld habe man noch weniger Kaufkraft als vorher mit Hartz IV. Oder anders ausgedrückt: „Auch mit dem Bürgergeld gilt: Arme werden immer ärmer!“
Familien steht weniger zur Verfügung
Bestätigt wird die Aussage von jenen, die täglich mit den Problemen von einkommensschwachen Haushalten, Rentnern und Bürgergeld-Empfängern konfrontiert werden. Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende des Awo-Bezirksverbands Potsdam, hat sich in einem Interview mit der „Märkischen Allgemeinen“ zum Bürgergeld geäußert.
Die Regelsatzerhöhung fange die steigenden Ausgaben nicht auf. „Sie wird schlichtweg von der Inflation aufgefressen“, so Angela Schweers. Unter dem Strich stehe Familien nun sogar noch weniger zur Verfügung.
Forderung nach Kindergrundsicherung
Daran ändere auch ein höheres Kindergeld nichts, da es auf das Bürgergeld angerechnet werde. Berücksichtige man das Kindergeld beim Regelsatz für einen Vierjährigen, bedeute dies: Die Mutter erhalte für das Kind nur 68 Euro Bürgergeld statt 318 Euro. Damit werde Kinderarmut in keinster Weise vorgebeugt. Würden die 250 Euro Kindergeld zusätzlich zum Regelsatz gezahlt, nähere man sich einem angemessenen Betrag.
Bürgergeld hat kaum Verbesserung gebracht
Verbessert habe sich durch das Bürgergeld nur wenig. Auf die Frage, ob die Reform – wie versprochen – mehr Gerechtigkeit, mehr Teilhabe und weniger Bürokratie gebracht habe, sagt Angela Schweers: „Auf gar keinen Fall.“
Bürgergeld mit diesen Tricks kleingerechnet – 725 Euro plus Strom anstatt 502 Euro
Bürokratiemonster sind geblieben
Als Beispiel nennt sie die Leistungen für Bildung und Teilhabe. Sie seien ein absolutes Bürokratiemonster. Und die Möglichkeit, als Neu-Bürgergeld-Empfänger mehr Geld behalten zu dürfen, verpuffe. 40 Prozent der Deutschen hätten schon jetzt keine Rücklagen mehr. Somit sei dieses Zugeständnis der Politik nicht relevant.
Viele Gründe für Not
Verärgert zeigt sich Angela Schweers auch über die Leistungsminderungen. Ein Existenzminimum könne nicht mit einer Sanktion belegt werden, betont sie. Der Gedanke, Menschen auf diese Weise erziehen zu können, sei „so falsch“. Damit werde verkannt, dass es viele Gründe gebe, warum Menschen in Not geraten sind.
Haltung der Regierung muss sich ändern
Die Lage spitze sich immer weiter zu. Die Schere zwischen Arm und Reich werde jeden Tag größer. Das bedeute: Familienarmut sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Um das zu ändern, müsse sich vor allem die Haltung der Regierung ändern.
Einer von vielen Wünschen, die bei der Ampel vermutlich wieder auf taube Ohren stoßen.
Bild: Bartolomiej Pietrzyk/ shutterstock.com