Der Rückgang der Inflation ist erfreulich. An den Folgen der über Monate exorbitant hohen Teuerung werden Armutsbetroffene und Bürgergeld Empfänger jedoch noch lange zu knabbern zu haben. Davor warnt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Professor Marcel Fratzscher. Er spricht von einer „unsozialen Rezession“ und stimmt in den Chor derer ein, die von der Politik etwas mehr Feingefühl hinsichtlich der Zukunftsängste vieler Haushalte fordern.
Lebensmittel bleiben teuer
Mit 6,1 Prozent ist der Verbraucherpreisindex auf dem niedrigsten Wert seit März 2022. Bei Nahrungsmitteln deuten die Zahlen ebenfalls eine leichte Entspannung an. Hier betrug die Teuerung im Mai 2023 „nur“ noch 14,9 Prozent. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Brot, Butter und Co. im vergangenen halben Jahr im Schnitt 19,5 Prozent teurer geworden sind. Von Erholung sind Bürgergeld Bedürftige und Haushalte mit geringem Einkommen also noch weit entfernt.
Inflation bricht Bürgergeld-Empfängern das Genick
Forderungen der Verbraucherzentralen
Mit den steigenden Preisen bei Lebensmitteln hat sich vorigen Monat auch der Verbraucherzentrale Bundesverband befasst. Die Überlegungen, warum welche Nahrungsmittel teurer geworden sind, münden in mehreren Forderungen.
Politik muss gegensteuern
Politik und Bundeskartellamt sollen die Preisentwicklung und vor allem versteckte Preissteigerungen untersuchen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass in weiten Teilen der Bevölkerung aufgrund der Inflation Ernährungsarmut drohe.
„Die Politik muss sich dieses Problems annehmen und mit wirksamen Maßnahmen gegensteuern“,
so die Verbraucherzentralen.
Bürgergeld Regelbedarfe anheben
Konkret bedeute das: Die Bürgergeld Regelbedarfe müssten so angehoben werden, dass auch bei höheren Lebensmittelpreisen eine gesunde Ernährung möglich sei und die realistischen Kosten für eine Umsetzung der DGE-Empfehlung (DGE: Deutsche Gesellschaft für Ernährung) zugrunde gelegt werden. Zudem bedürfe es Sonderzahlungen für Menschen mit niedrigem Einkommen, niedriger Rente und Bezieherinnen und Beziehern von Grundsicherung.
Inflation betrifft Armutsbetroffene besonders
All das sind Wünsche, die Professor Marcel Fratzscher vermutlich eins zu eins auch unterschreiben würde. In seiner Kolumne für „Die Zeit“ erinnert er daran, dass die Inflation für Bürgergeld Haushalte und jene mit geringem Einkommen nicht selten doppelt so hoch sei. Denn der Anteil, der für Lebensmittel und Energie ausgegeben werde, sei wesentlich höher. Das heißt, so Marcel Fratzscher:
„Somit mussten vor allem Menschen mit geringen Einkommen starke Einbußen in ihrer Kaufkraft erfahren.“
Gürtel noch enger schnallen
Diese Probleme werden uns noch einige Zeit begleiten. Der Wirtschaftsexperte prognostiziert, dass die nächsten zwölf Monate für Menschen mit wenig Einkommen – zu denen Bürgergeld Bedürftige zweifelsohne zählen – „nochmals härter werden“. Der Grund: Die Inflation bewege sich weiterhin oberhalb des Anstiegs von Löhnen und Renten. Viele Menschen müssten daher den Gürtel noch enger schnallen und hätten noch weniger Geld für Lebensmittel.
Die Gesellschaft wird gespalten
Daher nennt Professor Marcel Fratzscher die Rezession unsozial. Sie spalte die Gesellschaft. In der Sorge um den sozialen Zusammenhalt sieht der DIW-Präsident auch einen der Gründe, warum immer mehr Deutsche sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen aussprechen. Die Zustimmungsrate liege bei 53 Prozent und sei bei jüngeren Menschen bis 45 Jahren besonders hoch.
Nötig sei ein besseres Verständnis für das bedingungslose Grundeinkommen, auch mit Blick auf eine Reform der Sozialsysteme. Politik und Gesellschaft müssten die Sorgen ernst nehmen und den Menschen Lösungen bieten. Schade nur, dass die Ampel ausgerechnet auf diesem Ohr taub ist.