Um den Anspruch auf Bürgergeld nicht zu verwirken, muss man erreichbar sein. Heißt im Umkehrschluss: Wer für das Jobcenter nicht erreichbar ist, geht komplett leer aus. Deshalb ist das Thema Erreichbarkeit beim Bürgergeld klar geregelt. Dazu liegt jetzt ein neuer Referentenentwurf vor, der mit den übrigen Änderungen des Hartz-IV-Nachfolgers am 1. Juli in Kraft treten soll. Schade nur, dass die versprochene Digitalisierung mal wieder auf der Strecke bleibt.
Erreichbarkeitsverordnung im Detail
Die Erreichbarkeitsverordnung, kurz ErrV, oder
„Verordnung zur Regelung weiterer Voraussetzungen der Erreichbarkeit erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)“
hat aus Sicht des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles durchaus positive Züge.
Werktägliche Kenntnisnahme
Demnach reicht laut § 2 ab Juli die „werktägliche Möglichkeit der Kenntnisnahme“ anstelle einer werktäglichen und persönlichen postalischen Erreichbarkeit. Konkret heißt es in Absatz 1:
Als erreichbar gilt man also auch, wenn die Post über Messanger etc. weitergeleitet wird – was insbesondere wohnungslosen Bürgergeld Bedürftigen zugutekommt.
„Mitteilungen und Aufforderungen des zuständigen Jobcenters müssen werktäglich zur Kenntnis genommen werden können.“
Hinweis: Werktage sind alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind.
Orts- und zeitnahe Bereich
Überdies wurde der orts- und zeitnahe Bereich ausgeweitet. Von 2,5 Stunden Hin- und Rückweg für die Strecke vom Aufenthaltsort zur zuständigen Dienststelle auf 2,5 Stunden für die einfache Wegstrecke (§ 1). Hier wird nunmehr berücksichtigt, dass durch ungünstige Anbindungen gerade im ländlichen Bereich Fahrten sehr zeitintensiv sein können.
Wichtige Gründe
Positiv gewertet wird auch, dass es weitere wichtige Gründe für die behördliche Unerreichbarkeit gibt. Geregelt ist dies über § 3 der Verordnung. Als wichtiger Grund gilt künftig, wenn man Angehörige im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes oder bei der Pflege unterstützt oder der Todesfall eines Angehörigen.
Ärgerlich: keine zeitnahen Zusagen
Bitter stößt hingegen auf, dass es keine Regelung dazu gibt, wann das Jobcenter einer Nichterreichbarkeit zustimmen muss. Die Zusage kann laut Verordnung frühestens drei Monate im Voraus erteilt werden. Aus Erfahrung weiß der Verein allerdings, dass Bürgergeld Betroffenen oft gesagt werde, eine Entscheidung könne erst fünf Tage vorher getroffen werden. Es fehlt der Anspruch auf eine zeitnahe Zusage.
Digitalisierung wird ausgeblendet
„Sozi Simon“ hat sich ebenfalls mit der Verordnung befasst. Er weist darauf hin, dass in dem 15-seitigen Papier kein Wort zum Thema digitale Erreichbarkeit verloren wird. Stattdessen „soll aber weiter nur mit Post gearbeitet werden“, heißt es in dem Tweet. Dabei sei in der Gesetzesbegründung zum Bürgergeld noch auf „moderne Kommunikationsmittel in dem datenschutzrechtlich möglichen Umfang“ verwiesen worden.
Willen des Gesetzgebers missachtet
In der Erreichbarkeitsverordnung sei dann aber nichts mehr von einer ausreichenden digitalen Erreichbarkeit zu erahnen. Erwähnt bleibe nur die Sichtung durch Dritte. Das Thema Digitalisierung werde indes „weg-ignoriert“. Fazit von „Sozi Simon“: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bleibe mit seiner Verordnung weit hinter dem Willen des Gesetzgebers zurück. Man sperre sich der Digitalisierung. Dabei hatte die Ampel doch stolz erklärt, die Grundsicherung werde digitaler. Heißt: Wieder ein Versprechen, das man nicht gehalten hat.
Weitere Infos: Ortsabwesenheit – Erreichbarkeit beim Bürgergeld
Link zum Referentenentwurf: https://www.tacheles-sozialhilfe.de/files/redakteur/Aktuelles/230525-Entwurf-ErrV.pdf