Der Streit ums Bürgergeld hat ein neues Level erreicht. Geblieben ist der Umstand, dass nach wie vor Arbeiter gegen Bürgergeldempfänger ausgespielt werden. Mit fatalen Folgen. Der Riss durch die Gesellschaft wird immer tiefer. Und das, obwohl die Bundesbürger die jüngste Anpassung der Regelsätze zum Jahr 2024 in der Mehrheit – wenn auch nur knapp – für gerechtfertigt gehalten. Allerdings monieren viele: Arbeit lohnt sich nicht mehr.
Stimmungsmache gegen Betroffene
Was passiert, wenn plötzlich jeder zum Experten für das Bürgergeld, Regelsätze, Kosten für Unterkunft und Heizung sowie das allgemeine Lohnniveau wird, zeigt sich in den sozialen Medien. Tabellen und Berechnungen, die beweisen sollen, dass Bürgergeldempfänger (fast) immer mehr in der Tasche haben, als jemand, der arbeitet, machen die Runde. Und sie zeigen Wirkung. Die Stimmung gegen Bürgergeld-Bedürftige verdüstert sich zusehends.
Umfrage zu den Bürgergeld-Regelsätzen
Das spiegelt sich auch in einer Umfrage der „Bild“ wider. 1.005 Personen wurden gefragt, ob sie den Eindruck hätten, dass sich Arbeit noch lohne, und ob die um knapp zwölf Prozent höheren Bürgergeld-Regelsätze gerechtfertigt seien.
Bürgergeld wird 2024 auf 563 Euro steigen
Arbeit lohnt sich nicht
Die Mehrheit von 52 Prozent sagt, Arbeit lohne sich nicht mehr. Lediglich 40 Prozent glauben, dass Arbeit sich nach wie vor rentiere. Acht Prozent gaben keine Antwort. Wähler der Ampelparteien sind eher geneigt, der Arbeit den Vorzug zu geben: FDP 54 Prozent, SPD 58 Prozent, Grüne 61 Prozent. Wohingegen bei den übrigen Parteien das Pendel eher zu der Seite schwenkt, die behauptet, Arbeit lohne sich nicht: CDU/CSU 50 Prozent, Linke 56 Prozent, AfD 77 Prozent.
Fortschreibung ist in Ordnung
Blickt man auf die Höhe des Bürgergelds, für einen Single künftig 563 statt wie bisher 502 Euro, bewerten 45 Prozent der Befragten die Anpassung als gerechtfertigt. 44 Prozent sehen das anders und elf Prozent enthielten sich. Während Wähler von SPD (61 Prozent), den Linken (63 Prozent) und der Grünen (72 Prozent) ja zur Fortschreibung sagen, halten Wähler der FDP (46 Prozent), von CDU/CSU (57 Prozent) und der AfD (60 Prozent) die Regelsätze für zu hoch.
Das Thema Lohn wird ausgeblendet
Schade, dass bei dieser Umfrage nur die Höhe des Bürgergelds in den Mittelpunkt gerückt wurde. Denn, ob Arbeit sich lohnt, hängt nun einmal vom Lohn ab. Ein Viertel der Deutschen malocht für unter 14 Euro die Stunde. Und der Mindestlohn steigt zum kommenden Jahr nur um 41 Cent von 12,00 auf 12,41 Euro (plus 3,4 Prozent) und zum Jahr 2025 auf 12,82 Euro. Ist das gerechtfertigt – vor dem Hintergrund der enormen Inflation?
Mindestlohn in Deutschland soll schrittweise auf 12,82 Euro steigen
Vizekanzler hält Mindestlohn für zu gering
Diese Diskrepanz kann nicht einmal Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beantwortet. Darauf hingewiesen, dass die unterschiedliche Erhöhung von Bürgergeld und Mindestlohn ungerecht sei, erklärte er lediglich, das sei im Grunde schwer bis gar nicht zu begründen.
„Ich würde für mich sagen, die Mindestlohnerhöhung ist zu niedrig“,
so Habeck. Daher: Warum werden Bürgergeld-Empfänger an den Pranger gestellt und nicht jene, die den Lohn bewusst niedrig halten?
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