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BSG: Bürgergeld darf bei getrenntlebenden Eltern nicht zwangsläufig gekürzt werden

Sozialrichter Urteil getrenntlebende Eltern Bürgergeld

Die Leidtragenden sind oft die Kinder. Das gilt besonders, wenn der Streit mit dem Jobcenter und ums Bürgergeld sich im Kern um sie dreht. So wie in einem Fall, in dem das Bundessozialgericht der Behörde und der Vorinstanz indirekt mangelnde Recherche vorwirft. Dabei ging es darum, ob die Leistungen beim Bürgergeld gekürzt werden dürfen, wenn die Kinder tageweise beim Vater leben. Die Antwort des Gerichts: nicht zwangsläufig. Entscheidend ist die Konstellation bei der Betreuung.

Jobcenter rechnete tageweise

Der Fall bezieht sich auf Hartz-IV-Zahlungen (heute Bürgergeld) im Jahr 2016. Mutter und Vater lebten getrennt. Die Kinder wohnten mal bei dem einen, dann wieder bei dem anderen Elternteil – überwiegend aber bei der Mutter. Das Jobcenter hat daher den Bedarf der Kinder nicht zu 100 Prozent an die Mutter ausgezahlt. Gerechnet wurde tageweise, und zwar nur für die Tage, an denen die Kinder – das Mädchen zog die Klage später zurück – auch tatsächlich bei der Mutter wohnten. Die Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nicht gekürzt.

Existenzminimum unterschritten

Gegen das Vorgehen des Jobcenters legte die Mutter Widerspruch ein. Sie betonte, dass der Regelsatz für Kinder auch Bedarfe decke, die für langlebige Güter gedacht seien, etwa Bekleidung und Schuhe sowie Haushaltsgeräte und Einrichtungsgegenstände. Wenn diese Leistungen gekürzt würden, unterschritten die Zahlungen das Existenzminimum der Kinder.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Sozialgericht Schleswig urteilte, dass die Bürgergeld-Bedürftigen Anspruch auf ungekürzte Leistungen nach dem SGB II haben. Hiergegen wehrte sich das Jobcenter. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein hat daraufhin entschieden, dass vom Jobcenter die Abteilungen 3 (Bekleidung und Schuhe), 4 (Energie und Wohnungsinstandhaltung), 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung) und 8 (Post und Telekommunikation) des Regelsatzes auch für die Tage bezahlt werden müssen, an denen sich die Kinder nicht im Haushalt der Mutter aufgehalten haben.

Bundessozialgericht moniert offene Fragen

Das vorletzte Wort hatte jetzt das Bundessozialgericht, nachdem die Revision durch das Jobcenter zugelassen worden war. Die Richter erklärten, es lasse sich nicht abschließend überprüfen, ob die Kinder zu den Zeiten, während sie beim Vater waren, nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter gehörten. Es sei nicht festgestellt worden, ob die Eltern die Betreuungs- und Erziehungszeiten hälftig geteilt hätten (paritätisches Wechselmodell Info von unterhalt.net) oder ob die Kinder überwiegend von der Mutter betreut worden seien.

War es eine temporäre Bedarfsgemeinschaft?

Denkbar sei, soweit der Vater Hartz IV bezogen hat, auch eine temporäre Bedarfsgemeinschaft des Kindes mit dem Vater. Da aber nicht geklärt worden sei, ob der Vater tatsächlich Leistungen nach dem SGB II bezog, stehe nicht fest, ob der Sohn möglicherweise Mitglied zweier Bedarfsgemeinschaften war. Falls der Vater nicht hilfebedürftig war, gelte: „Für eine Aufteilung seiner (Anm.: des Kindes) pauschalierten Regelbedarfe fehlt es in diesem Fall an einer gesetzlichen Grundlage.“

Das Vorgehen des Landesgerichtes, die Mehrbedarfe des Kindes zu pauschalisieren, stehe der Regelung des § 21 Abs. 6 SGB II „hinsichtlich des “Ob“ als auch in Bezug auf ihre Höhe“ entgegen. Der Fall wurde an das Landessozialgericht zurückgewiesen.

Verfahrensgang:

  • Sozialgericht Schleswig, S 8 AS 206/16, 26.10.2018
  • Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 3 AS 17/19, 24.03.2022
  • Bundessozialgericht, B 7 AS 13/22 R, 27.09.2023

Bild: Studio Romantic/ shutterstock.com