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Bürgergeld und Mietschulden: kein Darlehen vom Jobcenter bei zu hoher Miete

Paar rechnet verzweifelt Mietschulden aus

Damit ein Jobcenter Mietschulden von Bürgergeld Bedürftigen als Darlehen übernimmt, sind nur wenige Ausnahmen vorgesehen – insbesondere, wenn die Wohnung als unangemessen eingestuft wurde. Unmöglich ist es nicht, aber schwierig. Diese Erfahrung musste eine Familie machen, die mehrere tausend Euro Schulden angehäuft hatte. Der juristische Versuch, das Ruder doch noch herumzureißen, scheiterte vor allem aufgrund der für das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg nicht erkennbaren Bereitschaft, an der Lösung des Problems mitzuwirken – nicht an der Unangemessenheit der Wohnung selbst.

Über 8.000 Euro Schulden

Vorgeschichte: Eine Familie mit zwei Kindern bezog Bürgergeld und hatte Mietrückstände für eine 90 m² große Wohnung, die warm 1.371,44 Euro kostete. Die Frau arbeitete und kam dadurch auf einen Einkommens-Freibetrag von 378 Euro. Der Vermieter klagte erfolgreich auf Räumung, bot aber an, das Mietverhältnis fortzusetzen, wenn die Mietschulden von mittlerweile 8.316,33 Euro beglichen würden.

Jobcenter lehnt Darlehen ab

Daher beantragten die Bürgergeldempfänger beim Jobcenter, die Mietschulden als Darlehen zu übernehmen. Die Behörde lehnte ab und auch das Bezirksamt Soziale Wohnungshilfe sprach sich gegen ein solches Darlehen aus – was eher ungewöhnlich ist. Im vorliegenden Fall wurde die Entscheidung damit begründet, dass die Familie keinen Nachweis erbracht hatte, wie sie künftig die Miete sichern will.

LSG verwirft Urteil des Sozialgerichts

Der Fall landete zunächst beim Sozialgericht Berlin (S 128 AS 2711/23 ER). Dort verpflichtete man das Jobcenter, ein Darlehen zu gewähren. Man verwies auf gesundheitliche Einschränkungen und machte deutlich, dass vor allem die Kinder leiden müssten. Ihnen drohe während des Schuljahres der Verlust des Wohnumfeldes. Daher sah man eine Ausnahme. Dagegen wehrte sich das Jobcenter, unter anderem mit Hinweis auf die Unangemessenheit der Wohnung – mit Erfolg.

Darlehen nicht gerechtfertigt

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (L 31 AS 627/23 B ER) betonte von Anfang an, dass eine Übernahme von Mietschulden nur gerechtfertigt sei, wenn die Wohnung innerhalb der Angemessenheitsgrenze liege. Das Jobcenter zahle für einen Vierpersonenhaushalt 713,70 Euro plus Heizkosten, im konkreten Fall 346,24 Euro, die als angemessen gelten. Daraus ergibt sich ein Betrag von 1.059,94 Euro. 311,50 Euro weniger als die tatsächliche Miete, die überdies um 50 Euro steigen sollte. „Dies bedeutet, dass die Angemessenheitsgrenze um rund ein Drittel überschritten wird. Dies kann nicht als geringfügig angesehen werden“, so die Richter. Auch wenn man auf die Maßgaben für das Wohngeld zurückgreife – 1.171,24 Euro – betrage die Differenz 200,20 Euro oder 17 Prozent. Das sei ebenfalls nicht geringfügig.

Bürgergeld Mietobergrenzen – so hoch darf die Miete sein

Negative Prognose

Die Frage, ob die Wohnung erhaltenswert sei und damit ein Darlehen infrage käme, richte sich daher vor allem nach der Prognose, ob die Bürgergeld Bedürftigen den vorhandenen Freibetrag beim Einkommen auch tatsächlich nutzten, um die Mietdifferenz zu tragen. Bislang hätten sich die Antragsteller „in keiner Weise bemüht, etwas zum Erhalt der Wohnung beizutragen“ oder mit dem Vermieter eine Tilgung zu vereinbaren. Das LSG warf den Bürgergeld Bedürftigen ferner vor, sich nicht um eine günstigere Wohnung bemüht zu haben.

Fehlende Eigeninitiative

Denn: Bei intensiver Suche nach einer Wohnung ohne Erfolg müsste das Jobcenter, so die Richter, einen Zuschlag auf den Mietrichtwert zahlen, um Wohnungslosigkeit zu verhindern. Ein solches Bemühen sei allerdings nicht zu erkennen – auch nicht hinsichtlich der schon bestehenden Schulden beim Jobcenter. „Das Verhalten der Antragsteller im Zusammenhang mit der Entstehung der Mietschulden ist nicht verständlich, weil die nun eingetretene Situation durchaus hätte vermieden werden können.“

Kurzum: Das Landesgericht glaubt nicht daran, dass die Familie die Wohnung langfristig finanzieren und damit sichern kann, wodurch ein Darlehen gerechtfertigt wäre. Oder anders ausgedrückt: Das Jobcenter muss kein Darlehen gewähren, weil es eher unwahrscheinlich ist, dass die Familie den Freibetrag in die höhere Miete investiert.

Schulwechsel keine Rechtfertigung

Die Hinweise auf den drohenden Schulwechsel und die gesundheitlichen Probleme hat das Landessozialgericht übrigens in der Luft zerrissen. Auch andere Kinder müssten während des Schuljahres die Schule wechseln, etwa aufgrund eines Jobwechsels oder eines Umzugs. Und gesundheitliche Probleme würden durch medizinische Heilbehandlungen und nicht durch Sozialleistungen gelöst.

Obdachlosigkeit zählt auch nicht

Auch das Argument der drohenden Obdachlosigkeit und der damit einhergehenden Folgekosten ließen die Richter nicht gelten. Es liege „neben der Sache“ und wäre ein willkürlicher Eingriff in „das vom Gesetzgeber vorgesehene Regelungsprogramm“. Das Gericht fälle Urteile anhand von Tatbestandsvoraussetzungen und nicht, weil sie sich als wirtschaftlich sinnvoll erwiesen.

Keine Übernahme von Mietschulden bei Kündigung

Urteil wegweisend

Zwar konnte die Familie in diesem Fall keinen Erfolg erzielen, weil das Landessozialgericht von einer negativen Prognose ausgeht. Allerdings ist das Urteil dahingehend wegweisend, dass bei einer positiven Prognose für die Zukunft, das Jobcenter auch Mietschulden als Darlehen für eine unangemessene Wohnung übernehmen müsste.

Eine positive Prognose liegt dann vor, wenn der Differenzbetrag der tatsächlichen Miete und den angemessenen Kosten aus dem Erwerbstätigenfreibetrag (aktuell höchstens 378 Euro) genutzt werden kann und auch evident dafür eingesetzt wird.

Bürgergeld Bedürftige zahlen bei Miete aus dem Regelsatz drauf

Titelbild: fizkes / shutterstock