Arbeit muss sich lohnen, lautet eines der Argumente der Bürgergeld Kritiker. Das sollte auch für jene gelten, die Tag für Tag malochen und ihren kargen Lohn mit Bürgergeld aufstocken müssen. Doch statt sie zumindest mit „normalen“ Arbeitern gleichzustellen, sind Betroffene gleich zweifach in den Hintern gekniffen. Sie müssen regelmäßig die Hosen beim Amt herunterlassen und werden bei den Fahrkosten, die sie geltend machen können, benachteiligt. Das macht über 750.000 Bürgergeld Aufstocker im wahrsten Sinne zu Arbeitern zweiter Klasse.
Aufstocken mit Bürgergeld
Wenn der Lohn nicht reicht, um sich und die Familie über Wasser halten zu können, bleibt oft nur der Gang zum Jobcenter und der Antrag auf aufstockendes Bürgergeld. Damit ändern sich dann allerdings die Spielregeln. Das gilt insbesondere für die Fahrtkosten, wenn man das eigene Auto benutzt. Denn bei Bürgergeldbezug greifen nicht die Vorgaben aus dem Einkommensteuergesetz, sondern die Werte aus der Bürgergeld-Verordnung.
20 Cent je Kilometer absetzbar
§ 6 Abs. 1 S. 5 dieser Bürgergeld-V beziffert den Pauschbetrag, der für Fahrtkosten vom Einkommen abgesetzt werden darf, mit 20 Cent je Kilometer für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Sofern öffentliche Verkehrsmittel günstiger und zumutbar sind – ein sehr dehnbarer Begriff –, dürfen nur die Kosten für Bus oder Bahn abgesetzt werden. Das regelt § 6 Abs. 2 Bürgergeld-V.
Maßstab bleiben die öffentlichen Verkehrsmittel
Betrachtet man die 20 Cent näher und liest die Informationen der Bundesagentur für Arbeit zur Abrechnung von Fahrtkosten, wird schnell deutlich: Je Kilometer sind es letztlich nur 0,10 Euro, da die 0,20 Euro für den Hin- und Rückweg, nicht aber für jeden gefahrenen Kilometer gelten. Sollten für die Fahrt höhere Kosten anfallen, müssen sie nachgewiesen werden, wobei auch hier wieder die öffentlichen Verkehrsmittel als Maßstab genutzt werden.
Da die Fahrtkosten teilweise bereits vom Arbeitgeber bezahlt werden, gilt für diesen Fall: Die Erstattung wird als Einkommen gewertet und die Fahrkosten können später mit 0,10 Euro je Kilometer abgesetzt werden.
Bis zu 38 Cent bei „normalen“ Arbeitern
Für Arbeitnehmer, die nicht auf das Jobcenter angewiesen sind, gelten hinsichtlich der Fahrkosten völlig andere Vorgaben. Sie basieren auf § 9 Abs. 1 Satz 4 EStG. Absetzbar sind demnach 0,30 Euro je Kilometer für die ersten 20 Kilometer und je Kilometer darüber hinaus 0,38 Euro. Insgesamt dürfen aufs Jahr gerechnet maximal 4.500 Euro abgesetzt werden. Nutzt man den eigenen oder einen zur Nutzung überlassenen Pkw, sind auch höhere Ausgaben absetzbar, sofern sie nachgewiesen werden können.
Differenz summiert sich
Vergleicht man nun die beiden Pauschalen, liegen zwischen den beiden Werten 0,10 bis 0,18 Euro. Das mag auf den ersten Blick gering wirken. Angesichts der jährlichen Fahrstrecke ergeben sich daraus aber teils beachtliche Summen. Bei 10.000 Kilometern sind es 1.000 bis 1.800 Euro und damit ein Betrag, der für Bürgergeld Haushalte ein kleines Vermögen darstellt.
Uralt-Daten für Fahrtkosten
Besonders ärgerlich daran: Die Vorgaben für Bürgergeld Aufstocker wurden seit 16 Jahren nicht angepasst, dabei sind Benzin und Co. immer teurer geworden. Die 20 Cent gelten seit 2008. Seinerzeit kostete ein Liter Super im Schnitt 1,20 Euro. Derzeit sind es zwischen 1,85 und 2,00 Euro.
Die tatsächlichen Ausgaben
Damit nicht genug: Die tatsächlichen Ausgaben liegen deutlich über dem Pauschbetrag. Ermittelt werden die Gesamtkosten je Kilometer regelmäßig vom ADAC – wobei hier nicht nur auf die reinen Spritpreise sondern auch Wartung, Versicherungen, Steuern etc. abgestellt wird.
Bei einem kleinen Hyundai i10 1.0 Select sind es bereits 40,1 Cent je Kilometer – doppelt so viel, wie die Bürgergeld Verordnung vorsieht. Fährt man einen Golf 1.0 TSI Life, betragen die tatsächlichen Kosten etwa 54,1 Cent, bei einem Golf Variant je nach Ausstattung bis zu 87,1 Cent und bei einem Fiat 500e rund 56,6 Cent. Wobei man auch bedenken muss, dass Bürgergeld Bedürftige in den meisten Fällen über ältere Fahrzeuge mit einer höheren Wartungsintensität verfügen.
Weniger Bürgergeld
Weil nun aber nur 20 Cent je Kilometer vom Einkommen abgesetzt werden und nicht 30 oder 38 Cent, bleibt unter dem Strich ein höherer Betrag, der mit den Sozialleistungen verrechnet wird, und damit weniger Bürgergeld im Portemonnaie der Betroffenen. Ein höherer Wert würde sich direkt bemerkbar machen, gerade bei Aufstockern, die lange Fahrtwege in Kauf nehmen, um die Familie zu ernähren.
Kurzum: Bürgergeld Bedürftige werden massiv benachteiligt. Für sie ist die Aussage, Arbeit muss sich lohnen, eher ein Hohn. Sie leben trotz Arbeit weiterhin in Armut. Zudem werden dadurch Bedürftige, die einen Arbeitsweg mit dem Kraftfahrzeug zurücklegen müssen gegenüber Aufstockern, die keinen oder nur sehr kurzen Arbeitsweg haben, deutlich schlechter gestellt. Hier wird es signifikante Unterschiede zwischen Bedürftigen in Großstädten gegenüber Hilfebedürftigen in ländlichen Gegenden geben, wo die Infrastruktur für öffentliche Verkehrsmittel schlechter ausgebaut ist.
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