Sie lächelt. Dabei ist die Lage alles andere als rosig. Edeltraud Rager, Leiterin der Nürnberger Tafel, gehört zu denen, auf deren Schultern man die Not der Menschen ablädt. Statt selbst zu helfen, schicken Behörden Betroffene zu ihr und ihren Mitstreitern. Bürgergeld-Empfänger, Rentner, Haushalte mit geringem Einkommen, Geflüchtete: Für die Nürnberger Tafel hieß das, mal eben von 40 auf 1.400 Mahlzeiten aufstocken.
Tafel: 1.400 statt 40 Mahlzeiten
In so mancher Amtsstube hätte sich der Krankenstand angesichts einer solchen Herausforderung von jetzt auf gleich verdoppelt. Die Tafel Nürnberg und mit ihr die vielen anderen Vereine in Deutschland müssen diesen Spagat Tag für Tag bewältigen. Als die für 40 Kundinnen und Kunden ausgelegte Küche plötzlich 1.400 Essen ausgeben musste: „Das war wirklich Hardcore“, sagt Edeltraud Rager.
11.000 Hilfebedürftige allein in Nürnberg
Dabei seien die Aktiven der Tafel nicht unbedingt die Jüngsten. Und zum Glück habe sich die Lage entspannt. Falls man von Entspannung sprechen kann, wenn statt 5.500 inzwischen 11.000 Menschen allein in Nürnberg um Hilfe bitten. Der Anstieg geht nicht nur auf den Krieg in der Ukraine zurück. Nein. Ob nun Bürgergeld, Rente oder Gehalt – zur Tafel kämen immer mehr Menschen, „die vorher knapp mit ihrem Geld ausgekommen sind und es jetzt nicht mehr schaffen“.
Rückläufige Spenden
Das Problem der Tafeln: Auch sie haben mit rückläufigen Spenden zu kämpfen, müssen rationieren. In Nürnberg ist man froh, den Großmarkt in der Nähe zu haben, und über Bauern, die Obst und Gemüse beisteuern. Nur so sei es möglich, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie für zwei Euro auch angemessen Waren mitnehmen können.
Arbeit am Limit
Doch es wird immer schwerer. Aktuell sei die Stimmung noch gut. Es ist ein gewisser Zweckoptimismus, der aus den Zeilen spricht, wenn die Tafel-Leiterin das Motto mit „Wir schaffen das“ umschreibt. Letztlich arbeite man am Limit. Dafür erwartet die resolute Frau nicht viel, wie sie am 15. Februar im Tafel Deutschland Blog schreibt:
„Was mich freuen würde, und ich denke, das geht uns allen so, dass unsere Arbeit mehr wertgeschätzt wird, von Politik und Gesellschaft. Wir haben eine wichtige Aufgabe übernommen, da brauchen wir neben Spenden auch die nötige Anerkennung.“
Fehlende Wertschätzung
Dass es eine solche Wertschätzung offenbar nicht gibt, ist eine Schande. Die Politik sieht untätig zu, wie Menschen verzweifeln. Das gilt für Bürgergeld-Empfänger, deren Regelsätze seit Jahren zu knapp bemessen sind, ebenso für Rentner, die ihr Leben lang gebuckelt haben, und alle, deren Einkommen nicht einmal mehr reicht, um Toastbrot zu kaufen.
Das Thema Ernährungsarmut bleibt aktuell
Das Thema Lebensmittel und Armut oder Lebensmittel und Bürgergeld hat sich inzwischen zum Dauerbrenner entwickelt. Viele können es nicht mehr hören oder nicht nachvollziehen. Doch das Problem verschwindet dadurch nicht. Blumenkohl für 5 Euro oder Kohlrabi für 1,49 Euro – diese Fotos aus dem Supermarkt wurden mittlerweile über 10.000-Mal angeklickt – unterstreichen, dass die Teuerung bei Lebensmitteln immer weiter voranschreitet. Das macht vielen Menschen Angst.
Falls ihr glaubt auch arme Menschen könnten sich gesund ernähren…wenn sie nur wollten… Bürgergeld…niedrige Einkommen und Renten…Bafög und so… kein Feinkostdings…heute morgen bei Edeka zufällig gesehen… pic.twitter.com/zeCoWGgi6l
— ✨Timpete in Wonderland 💫 ~ ✨leicht seltsam 💫 (@LeichtSeltsame) February 16, 2023
30 Jahre Tafeln in Deutschland
Für die Tafeln bleibt es damit bei enormen Herausforderungen. Sie wurden, darauf weist der Vorsitzende des Vereins Jochen Brühl auf Twitter hin, im Februar vor 30 Jahren nach Deutschland geholt. Das sind 30 Jahre, in denen Lebensmittel gerettet und Hilfebedürftige unterstützt werden. Die Tafeln thematisieren Armut und erheben ihre Stimme inzwischen auch, um gesellschaftliche Veränderungen zu fordern.
Es wird nur nicht darauf gehört. Stattdessen betrachten Politiker und Behörden die Vereine als billige Hilfskräfte in der Krise und verwechseln sie mit einem Grundversorger. Vergessen wird dabei, dass auch hier das Ende der Fahnenstange irgendwann erreicht ist.
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