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Urteil: Urlaubsabgeltung wird beim Bürgergeld voll angerechnet

Liegestuhl und Geldscheine am Strand

Arbeitsunfähig zu werden, ist schlimm genug. Der nächste Schlag ins Gesicht folgt, wenn noch eine Urlaubsabgeltung gezahlt wird, weil man die freien Tage nicht nutzen konnte, und diese Zahlung auf Bürgergeld angerechnet wird. Und zwar ohne Berücksichtigung des bei Erwerbseinkommen sonst üblichen Freibetrags von mindestens 100 Euro. Denn: Laut Sächsischem Landessozialgericht ist der finanzielle Ausgleich in Form einer Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit.

Der vorliegende Fall

In der Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2016 war die Klägerin bei einem Verkehrszentrum beschäftigt und hatte jeden Monat Anspruch auf zwei Tage Erholungsurlaub. Da sie seit dem 2. November 2015 arbeitsunfähig ist, erhielt sie am 2. August 2016 von ihrem ehemaligen Arbeitgeber eine Urlaubsabgeltung für 2015 und 2016 in Höhe von insgesamt 1.218,38 Euro.

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Abgeltung als einmalige Zahlung gewertet

Das Jobcenter wertete diese Zahlung als einmalige Einnahme und rechnete sie auf die Bürgergeld Leistungen an. Dabei wurden allerdings eine Versicherungspauschale und die Ausgaben für die Kfz-Haftpflichtversicherung berücksichtigt.

Pauschalen für Versicherungen abgezogen

Zunächst wurden monatlich 195,45 Euro abgesetzt (1.218,36 Euro minus 30 Euro Versicherungspauschale minus 15,68 Euro Autoversicherung geteilt durch sechs Monate). Später dann 157,38 Euro, weil sowohl die Versicherungspauschale als auch die Kfz-Haftpflicht nicht einmalig, sondern monatlich von der Zahlung abgezogen wurden. Demzufolge 1.218,36 Euro geteilt durch sechs Monate gleich 203,06 Euro monatlich, abzüglich 45,68 Euro für die Versicherungen.

Die Regelung der Verteilung auf sechs Monate ergibt sich aus § 11 Abs. 3 SGB II und findet Anwendung, wenn eine Einmalzahlung bei Zufluss in einem Monat zum Entfall des Leistungsanspruchs führen würde.

Klägerin fordert Freibetrag

Die Frau klagte, weil sie davon ausging, dass von der reinen Urlaubsabgeltung (monatlich 203,06 Euro) noch der Freibetrag für Erwerbseinkommen abgezogen werden müsse. Dieser beträgt aktuell pauschal mindestens 100 Euro sowie weitere 20 Prozent für Einkommen ab 100,01 bis 520 Euro, 30 Prozent auf Einkommen ab 520,01 bis 1.000 Euro. In erster Instanz vor dem Sozialgericht bekam sie Recht. Das Sächsische Landessozialgericht wiederum teilte die Ansicht des Jobcenters.

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Berücksichtigung der Versicherungen

Die Tatsache, dass vom Jobcenter die Kfz-Haftpflichtversicherung und auch eine Pauschale für Versicherungen von der Urlaubsabgeltung abgezogen wurden, ließen die Richter dahingestellt. Eine Änderung der Berechnung wäre zu Ungunsten der Klägerin ausgefallen und sei daher ausgeschlossen.

Kein Freibetrag möglich

Recht deutlich fällt das Urteil hinsichtlich der Bewertung der Urlaubsabgeltung aus. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Chemnitz seien von der Urlaubsabgeltung keine Freibeträge für Erwerbstätige abzusetzen. Daher müsse bei der Bürgergeld Berechnung ein Teilbetrag der zugeflossenen Leistung berücksichtigt werden.

Einnahme wird auf sechs Monate verteilt

„Bei der Urlaubsgeltung handelt es sich um eine einmalige Einnahme, da sie der Klägerin […] nicht regelmäßig, sondern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses […] einmalig gezahlt wurde, auch wenn sie sich nicht nur auf ein Kalenderjahr (§ 1 BUrlG) bezieht“, so die Urteilsbegründung. Für den vorliegenden Fall heißt das: Die Urlaubsabgeltung müsse, so das Landessozialgericht, gleichmäßig auf sechs Monate aufgeteilt werden. – diese Regelung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 SGB II.

Die Richter sahen keine Ausnahme, wonach man die Urlaubsabgeltung als Erwerbseinkommen hätte werten können. Daher könne kein Erwerbstätigen-Freibetrag geltend gemacht werden. Außerdem sei die Zahlung nicht zu einem „ausdrücklich genannten Zweck“ erbracht worden und auch keine Zuwendung, da der ehemalige Arbeitgeber zur Zahlung verpflichtet gewesen sei.

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Freibeträge sollen Anreize schaffen

Zum Freibetrag erklärte das Landessozialgericht: Sinn und Zweck des Erwerbstätigenfreibetrags sei zunächst gewesen, einen Anreiz zur Aufnahme oder Aufrechterhaltung einer Erwerbstätigkeit zu bieten und stärkere Arbeitsanreize zu bewirken. Dabei gelte als erwerbstätig, wer „eine wirtschaftlich verwertbare Leistung gegen Entgelt erbringt, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen“. Daher seien die Freibeträge „nur vom Erwerbseinkommen (im engeren Sinne) und nicht vom Erwerbsersatzeinkommen abzusetzen“.

Für die Urlaubsabgeltung gelte: Sie diene aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „weder einem pauschalierten Ausgleich für arbeitsbedingte Mehraufwendungen“ noch schaffe sie „einen Anreiz zur Aufnahme oder Aufrechterhaltung bzw. Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit“.

Revision vor BSG zugelassen

Das LSG Sachsen ließ in diesem Fall eine Revision zu, da „eine ausdrückliche Entscheidung des Bundessozialgericht zur Urlaubsabgeltung als Einkommen aus Erwerbstätigkeit im vorgenannten Sinne noch nicht ergangen ist“.

Verfahrensgang:
LSG Sachsen, 08.09.2022, Az. L 7 AS 1023/18
SG Chemnitz, 02.11.2018, Az. S 14 AS 3396/17

Titelbild: MakroBetz / shutterstock