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Studie bestätigt: Bürgergeld Regelsatz reicht nicht

Mann empört über teure Lebensmittel

Eine brisante Studie der Universitätskinderklinik Bochum offenbart, dass das Bürgergeld nicht ausreicht, um eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten. Wie die Berliner Zeitung berichtet, liegt das Gutachten seit über einem Jahr im Bundesarbeitsministerium bei Hubertus Heil (SPD) – doch bisher wurde es nicht veröffentlicht.

Bürgergeld recht nicht für ausgewogene Ernährung

Tabelle: Bürgergeld Regelsatz für Kinder
Bürgergeld Regelsatz für Kinder

Das Gutachten, das vom Deutschen Verein in Auftrag gegeben und vom Bundessozialministerium gefördert wurde, analysiert die Kosten für eine gesunde Ernährung auf Grundlage der Lebensmittelpreise von November 2022. Es wurde vom Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) der Universitätskinderklinik Bochum erstellt. Dabei verwendeten die Forscher das Modell der „optimierten Mischkost“, das auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen wird. Die Ergebnisse sind alarmierend: Die zur Verfügung stehenden Mittel, die Familien 2022 über das Sozialgeld im Rahmen von Hartz IV – das heutige Bürgergeld – erhielten, reichten in vielen Altersgruppen nicht aus, um die Kosten für eine ausgewogene Ernährung zu decken.

Für kleinere Kinder beliefen sich die monatlichen Kosten für eine gesunde Ernährung auf etwa 95,49 Euro, was noch weitgehend durch das Sozialgeld abgedeckt wurde. Bei älteren Kindern und Jugendlichen klafften jedoch deutliche Lücken. Besonders betroffen waren männliche Jugendliche ab 15 Jahren, deren monatliche Ernährungskosten bei rund 199 Euro lagen, während sie nur etwa 166 Euro Sozialgeld (Bürgergeld) erhielten – eine Unterdeckung von knapp 20 Prozent.

Bürgergeld-Erhöhung 2023 und 2024 von Inflation aufgefressen

Bürgergeld im Kontext mit der Inflation

Im Zuge der Umstellung von Hartz IV auf das Bürgergeld wurde der Regelsatz für Erwachsene Anfang 2023 von 449 Euro auf 502 Euro angehoben. Diese Erhöhung klang zunächst nach einem bedeutenden Schritt, aber sie musste nach Jahren nachgeholt werden, in denen die Regelsätze der Inflation hinterherhinkten. Die steigenden Preise, vor allem für Lebensmittel, machten den Effekt dieser Erhöhung schnell zunichte. Auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche wurden auf Basis dieser Erhöhung angepasst, aber auch sie litten unter den gleichen inflationsbedingten Belastungen.

Von 2023 auf 2024 wurde der Regelsatz für Erwachsene erneut angehoben – von 502 Euro auf 563 Euro. Auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche folgten dieser Anpassung. Doch auch diese Erhöhung wurde weitgehend von der anhaltenden Inflation aufgefressen, insbesondere durch die stark gestiegenen Lebensmittelpreise im Jahr 2023. Obwohl die Zahlen auf den ersten Blick nach einer deutlichen Verbesserung aussehen, bleibt der finanzielle Spielraum für Familien, die auf das Bürgergeld angewiesen sind, weiterhin sehr eng.

Nullrunde 2025: Kaufkraftverlust für Betroffene

Für das Jahr 2025 ist keine weitere Anpassung der Bürgergeld-Regelsätze vorgesehen – es steht eine sogenannte Nullrunde bevor. Das betrifft nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche. Arbeitsminister Hubertus Heil verteidigt diesen Schritt und argumentiert, dass die Inflation derzeit abflaue. Doch klar ist: Das bedeutet nicht, dass die Preise wieder sinken. Vielmehr steigen die Preise weiter an, nur langsamer als zuvor. Die Produkte, die während der Hochinflationsphase teurer geworden sind, bleiben auf hohem Niveau, und eine Nullrunde führt somit zu einem realen Kaufkraftverlust für die Betroffenen. Der Verzicht auf eine Erhöhung bedeutet, dass die Bürgergeld-Empfänger 2025 de facto weniger Kaufkraft haben werden, da ihre Ausgaben weiterhin steigen, insbesondere für Grundnahrungsmittel.

Gutachten seit über einem Jahr unter Verschluss

Laut der Berliner Zeitung liegt das mehr als 300 Seiten umfassende Gutachten dem Ministerium von Hubertus Heil bereits seit Mitte 2023 vor. Doch obwohl die Ergebnisse klare Missstände aufzeigen, wurde es bisher nicht veröffentlicht. Die Linken-Politikerin Heidi Reichinnek kritisierte diese Geheimhaltung scharf: „Dass das Ministerium dieses Dokument bis heute unter Verschluss hält und die Regelsätze nicht entsprechend anpasst, ist ein absolutes Unding“, erklärte sie der Berliner Zeitung. Dies zeige erneut, dass Kinderarmut keine Priorität für die Bundesregierung habe.

Zweck des Gutachtens

Das Gutachten wurde ursprünglich erstellt, um zu berechnen, welche Mehrkosten für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Krankheiten anfallen. Der private Deutsche Verein, der vom Bundessozialministerium finanziert wird, soll auf Basis dieser Studie Empfehlungen für Zuschläge auf das Bürgergeld bei bestimmten Erkrankungen erarbeiten. Dieser Prozess läuft jedoch noch, weshalb das Ministerium auf Vertraulichkeit pocht und das Gutachten bisher nicht freigibt.

Wissenschaftler warnen vor langfristigen Folgen

Ernährungswissenschaftler und der Wissenschaftliche Beirat des Bundesernährungsministeriums (WBAE) warnen seit Jahren vor den Auswirkungen einer unzureichenden Ernährung bei Kindern aus einkommensschwachen Familien. Laut Hans Konrad Biesalski, einem renommierten Ernährungswissenschaftler, leben etwa 20 Prozent der Kinder in Deutschland in „Ernährungsarmut“. Dies habe schwerwiegende Folgen für ihre körperliche und geistige Entwicklung. „Die körperliche Entwicklung ist gestört, die Kinder wachsen nicht richtig, und die geistige Entwicklung zeigt deutliche Defizite“, erklärte Biesalski gegenüber der Berliner Zeitung. Diese Mängel verschärfen den Teufelskreis der Armut.

Titelbild: voronaman / shutterstock