Man hört sie schon fast: die Peitschen beim Bürgergeld. Betroffene, die es aus Sicht des Jobcenters an Motivation mangeln lassen, werden künftig mit Arbeitsgelegenheiten in die Spur gebracht. Anders ausgedrückt: Nicht zu Terminen zu erscheinen oder die Mitarbeit zu verweigern endet im 1-Euro-Job. Die Weisung 202410008 der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom 23. Oktober 2024 gibt Zwangsarbeit damit einen legalen Anstrich, der mit der Wachstumsinitiative der Bundesregierung begründet wird.
Augenhöhe ist passé
Blickt man auf die Einführung des Bürgergelds zurück, klang das noch ganz anders. Augenhöhe wurde propagiert. Die Ausführungen, insbesondere von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), suggerierten Bilder von Leistungsempfängern und Sachbearbeitern, die in trauter Eintracht Kaffee trinken und über die Zukunft sinnieren. Doch schon der Gedanke, Bürgergeld Bedürftige menschlich zu behandeln, war vielen ein Dorn im Auge – der die sozialdemokratische Seifenblase schnell platzen ließ. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit wich dem Druck von oben und das Thema Augenhöhe den Rufen nach radikaler Härte.
+++ Bundeskabinett bringt Bürgergeld Verschärfungen auf den Weg
Zwangsmaßnahme für Totalverweigerer
Jetzt ist es so weit. Die schmutzigen Fantasien von AfD und Union werden Wirklichkeit. Mit der Weisung der BA hat Zwang einen festen Platz im Bürgergeld. Realisiert über Arbeitsgelegenheiten (besser als 1-Euro-Job bekannt), die als „Brücke in den regulären Arbeitsmarkt“ dienen sollen. Sie drohen allen, die nicht an Maßnahmen teilnehmen wollen oder nicht beim Jobcenter erscheinen. Gemeint sind Totalverweigerer. Diese Personengruppe soll mit den 1-Euro-Jobs schrittweisen wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen.
Strafarbeit bei fehlender Zusammenarbeit
So stellt es sich die Regierung in Punkt 23e ihrer Wachstumsinitiative vor. Die Arbeitsgelegenheiten dienen dazu, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen. Sie sollen zur Arbeitssuche und -aufnahme motivieren sowie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit stärken. So degradiert man erwachsene Menschen zu Kleinkindern, denen man erst noch die Uhr erklären muss.
+++ Sozialrichter: Bürgergeld braucht Verbesserungen
Damit alles ordnungsgemäß abläuft, erfolgt die Zuweisung in einen Ein-Euro-Job mit Belehrung über die Rechtsfolgen. Basis hierfür ist § 15 SGB II (Potenzialanalyse und Kooperationsplan) dessen Grundidee laut BA eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist. Funktioniert das nicht – was nicht zwangsläufig am Bürgergeld Bedürftigen liegen muss – geht es in die Zwangsarbeit.
Eine das Vertrauen vernichtende Maßnahme
Künftig sind sie dann also wieder unterwegs, die Heerscharen an Leistungsempfängern, die Parks von Unrat befreien, Unkraut ziehen oder die Straße fegen. Wichtige Aufgaben, keine Frage. Man darf jedoch bezweifeln, dass Menschen zur Motivation drangsaliert werden können oder danach perfekte Kandidaten für einen Job sind. Mit diesem Instrumentarium wird vielmehr Vertrauen zerstört und Sozialgerichten ein neuer Berg Arbeit beschert. Zudem bleibt fraglich, ob die Ein-Euro-Jobs in dieser Weise überhaupt eingesetzt werden dürfen und einer Überprüfung der Verfassungsrichter Stand halten würden – schließlich werden in fast allen Bereichen Mitarbeiter gesucht und Ein-Euro-Jobs dürfen keine regulären Arbeitsplätze, für die übrigens auch der Mindestlohn gilt, verdrängen.
Titelbild: Happy_Nati / shutterstock / Quelle: Weisung 202410008 vom 23.10.2024