Viele Rentnerinnen und Rentner kommen gerade so über die Runden oder schnallen den Gürtel so eng, dass es weh tut. Dabei hätten viele, gerade Frauen, Anspruch auf Grundsicherung im Alter – dem Pendant zum Bürgergeld. Diese Leistung ist allerdings genauso schambehaftet wie der Hartz-IV-Nachfolger und wird daher von 60 Prozent der Berechtigten gar nicht erst beantragt. Überdies wissen viele nicht, dass ihnen Sozialhilfe zusteht, oder sie finden den Antrag zu kompliziert.
Hetze gegen Arme schürt Ängste
Maßgeblich dürfte jedoch sein, dass mit dem Bürgergeld und damit auch mit der Grundsicherung im Alter sehr viel Scham einhergeht. Die Angst davor, was wohl Freunde, Bekannte oder Nachbarn sagen, wird durch die ständige Hetze immer weiter geschürt. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider, die jetzt vom Deutschen Institut für Interdisziplinäre Sozialforschung im Rahmen einer Überblickstudie veröffentlicht wurden. Demnach verzichten sogar 80 Prozent auf Grundsicherung im Alter, wenn die mögliche Hilfe unter 200 Euro betragen würde.
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Gleiches Problem beim Bürgergeld
Die Studiendaten aus dem Jahr 2019 decken sich mit der Erhebung des Sozialwissenschaftlers Felix Wilke von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena zum Bürgergeld (wir berichteten). Vier von zehn Hilfsbedürftigen machen lieber einen großen Bogen um das Jobcenter, als einen Antrag auf Grundsicherung für Arbeitsuchende zu stellen. Auch hier sind es Scham und die Sorge vor Stigmatisierung, die Menschen davon abhalten, finanzielle Unterstützung anzunehmen. Einige betrachten es auch als persönliches Scheitern, wenn sie plötzlich auf Bürgergeld angewiesen sind.
Kampf gegen Altersarmut
Würden betroffene Seniorinnen und Senioren über ihren Schatten springen, hätten sie im Schnitt – so die Überblickstudie – knapp 30 Prozent mehr Einkommen. Der Sozialverband Deutschland spricht angesichts der Zahlen von einem sozialpolitischen Problem. Die Angst vor dem Antrag verhindere, dass sich Altersarmut verringere und Teilhabe gewährleistet sei. Helfen könne aus Sicht der Studienautorin, wenn der Antrag ganz einfach in einem Seniorentreff oder in Begegnungsstätten gestellt werden könnte.
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Wohngeld für Rentner
Dieser Ansatz bietet sich auch beim Wohngeld für Rentner an: Menschen dort abzuholen und zu informieren, wo sie sich wohlfühlen. Scham und Unwissenheit, die beim Wohngeld ebenfalls als „Bremsklötze“ wirken, lassen sich so leichter überwinden. Ein möglicher Anspruch auf Wohngeld besteht, wenn die Bezüge zwar zu hoch für die Grundsicherung im Alter sind, aber nicht für einen auskömmlichen Ruhestand sorgen.
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