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Jobcenter darf beim Bürgergeld Stromguthaben nicht mit Heizkosten verrechnen

Taschenrechner und Glühbirne auf Stromrechnung und Euro-Banknoten

Zu den häufigen Missverständnissen beim Bürgergeld zählt, dass die Stromkosten vom Jobcenter übernommen werden. Das ist ein Trugschluss: Strom muss aus dem Regelsatz bestritten werden. Wer nun bewusst Strom spart, hat auch als Leistungsempfänger Anspruch auf das Guthaben aus der Stromrechnung. Es darf nicht mit einer möglichen Heizkostennachzahlung verrechnet werden, auch wenn Strom und Gas vom selben Versorger kommen. Das hat das Sozialgerichts Schleswig mit dem Urteil S 35 AS 635/18 klargestellt.

Guthaben und Nachzahlung

Dass Strom und Gas vom selben Anbieter geliefert werden, kommt nicht selten vor. Wenn dann auf der einen Seite eine Nachzahlung fällig ist und auf der anderen ein paar Euro Guthaben vorhanden sind, rechnen viele Versorger einfach gegen. So auch im Fall einer Familie mit drei Kindern, die seinerzeit Hartz IV (heute Bürgergeld) bezog.

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Jobcenter übernimmt nur Differenz

2017 hatten die Stadtwerke auf der Rechnung 611,79 Euro Stromguthaben ausgewiesen. Beim Gas wiederum sollte die Familie 649,24 Euro nachzahlen. Unter dem Strich blieb eine Forderung von 37,45 Euro, die das Jobcenter übernahm. Die Familie erhob Widerspruch. Sie forderte die komplette Gasnachzahlung in Höhe von 649,24 Euro, weil ihr das Stromguthaben zustehe. Das Amt weigerte sich. So landete der Fall vor Gericht.

Betroffenen darf kein Nachteil entstehen

Die Richter unterstrichen, dass die durch den Versorger vorgenommene interne Verrechnung beim Jobcenter unberücksichtigt zu bleiben hat. Die Kammer sei der Überzeugung, „dass den Klägern durch den Bezug von Strom und Gas aus einer Hand kein Nachteil entstehen darf“. Denn: Hätten die Stadtwerke Strom und Gas getrennt abgerechnet, hätte den Leistungsempfängern das Guthaben aus der Stromabrechnung anrechnungsfrei zugestanden. Hierbei berief sich das Sozialgericht auf ein Urteil des BSG aus 2011 (B 14 AS 185/10 R).

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Einsparungen sind kein Einkommen

Ferner gelte: „Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen resultieren, [sind] über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellen.“ Auch diesbezüglich verwiesen die Richter auf das Bundessozialgericht (B 14 AS 185/10 R). Eine Gegenrechnung, wie vom Versorger und dann auch vom Jobcenter vorgenommen, käme de facto einer Anrechnung des Guthabens als Einkommen gleich.

Heißt: Stromguthaben muss aus Sicht des Sozialgerichts an Bürgergeld Betroffene ausgezahlt und eine Nachzahlung für Gas über die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II erstattet werden – unabhängig davon, ob man die Leistungen von einem oder von unterschiedlichen Versorgern bezieht.

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Revision vor dem BSG

Der Kreis Schleswig-Flensburg hat die Entscheidung des Sozialgerichts nicht hingenommen und ist in Revision vor das Bundessozialgericht gegangen. Dieses hatte am 10.04.2024 unter Az.: B 7 AS 21/22 R den Fall verhandelt und kam zu keinem anderen Schluss als die Vorinstanz.

Kernaussage: Heizkosten dürfen ausschließlich mit den Kosten der Unterkunft verrechnet werden.

Grundsätzlich, so das Bundessozialgericht, darf eine Heizkostennachzahlung, die den Kosten der Unterkunft nach § 22 zuzuordnen ist, nicht mit einer Erstattung für Haushaltsstrom, die aus dem Bürgergeld Regelbedarf gezahlt werden muss, verrechnet werden. Dies ändert sich auch nicht, wenn beide Lieferungen vom selben Anbieter bezogen werden und dieser intern eine Verrechnung vornimmt. Die Verträge sind bei der Grundsicherung getrennt voneinander zu berücksichtigen, so dass die Nachzahlung für die Heizkosten vom Leistungsträger in ungekürzter Höhe im Monat der Fälligkeit zu übernehmen ist. Sofern zum Haushaltsstrom keine weiteren Bedarfe für Strom zur Deckung des Heizkostenbedarfs geleistet wurden, in diesem Fall für den Betrieb der Gastherme, sei die Erstattung für die Stromkosten auch nicht als Einnahme zu berücksichtigen.

Titelbild: Javidestock / shutterstock