Das Jobcenter muss Bürgergeld vorläufig zur Überbrückung zahlen, auch wenn vorrangige Leistungen wie das Wohngeld oder der Kinderzuschlag noch nicht bewilligt sind, so das Sozialgericht Kiel (S 41 AS 92/22). Eine wichtige Entscheidung, anderenfalls würden Hilfebedürftige möglicherweise monatelang ohne finanzielle Unterstützung dastehen.
Jobcenter verweigert Bürgergeld
Eine alleinerziehende Mutter mit zwei minderjährigen Kindern stellte beim Jobcenter Kiel einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 1. Dezember. Das Jobcenter lehnte den Folgeantrag ab mit der Begründung, dass die Familie ihren Lebensunterhalt mithilfe von Wohngeld und Kinderzuschlag decken kann.
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Vorrangige Leistungen
Die Ablehnung stützte das Jobcenter auf §12a Satz 1 SGB II: „Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist.“ Das Bürgergeld ist – im Gegensatz etwa zum Wohngeld oder Kinderzuschlag – „nur“ eine nachrangige Sozialleistung und im Vorfeld müssen alle anderen Optionen ausgeschöpft werden.
Vier Monate Bearbeitungszeit
Die Mutter reagierte umgehend auf den Ablehnungsbescheid des Jobcenters und beantragte am 25. November sowohl Wohngeld als auch Kinderzuschlag. Gleichzeitig machte sie dem Amt deutlich, dass die Bearbeitung der Anträge sehr lange – bis zu vier Monate – dauern werde. Sie bat um die Weiterbewilligung von Bürgergeld, bis die vorrangigen Leistungen abschließend bewilligt sind. Doch das Jobcenter blieb bei seiner Entscheidung, so dass die Mutter den Klageweg beschreiten musste.
Jobcenter muss in Vorleistung gehen
Das Sozialgericht Kiel widersprach dem Jobcenter. Zwar verpflichte §12a SGB II vorrangige Leistungen zu beantragen. Die Regelung ermächtige das Jobcenter jedoch nicht, mit Verweis auf den Vorrang anderer Leistungen die Zahlung von Bürgergeld gänzlich zu verweigern. Liegen die Voraussetzungen vor, müsse das Jobcenter bis zur Zahlung der vorrangigen Hilfen in Vorleistung gehen und gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch gegen den Leistungsträger (Familienkasse oder Wohngeldstelle) anmelden.
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