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Bürgergeld Mietobergrenzen führen direkt in die Schuldenfalle

Verzweifeltes junges paar sitzt auf dem Boden und packt Umzugskartons

Das Bürgergeld sollte eigentlich eine Grundsicherung darstellen, die es Menschen ermöglicht, ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Doch die Realität sieht oft anders aus, vor allem bei den Wohnkosten. Denn wer als Bürgergeld-Empfänger in einer Wohnung lebt, die über den engen von der Kommune festgelegten Mietobergrenzen liegt, gerät schnell in eine prekäre Lage. Die Angemessenheitsgrenzen, die vielerorts die Grundlage der Kostenübernahme durch das Jobcenter bilden, sind dabei oft das Hauptproblem.

Mietobergrenzen unrealistisch angesetzt

Die Jobcenter übernehmen – außerhalb der Karenzzeit – nur Mieten, die als „angemessen“ gelten. Doch die festgelegten Angemessenheitsgrenzen orientieren sich häufig an veralteten Mietspiegeln, die nicht immer den tatsächlichen Wohnungsmarkt widerspiegeln. Gerade in Ballungsgebieten oder Regionen mit stark steigenden Mieten ist es für Bürgergeld-Empfänger nahezu unmöglich, eine Wohnung zu finden, die diese Bedingungen erfüllt.

Lesetipp: So hoch darf die Miete mit Bürgergeld sein

Kostensenkungsaufforderung und die Folgen

Werden die Wohnkosten vom Jobcenter als unangemessen hoch eingestuft, erhalten Betroffene mit einer sogenannter Kostensenkungsaufforderung eine Mitteilung, dass die Wohnkosten gesenkt werden müssen. Diese sieht vor, dass innerhalb einer bestimmten Frist (bis zu sechs Monate Kostensenkungsverfahren) entweder die Wohnkosten reduziert oder eine günstigere Wohnung gefunden werden muss – Ausnahmen bestehen, wenn trotz intensiver Wohnungssuche keine günstigere Unterkunft gefunden werden kann.

Doch das ist leichter gesagt als getan. Günstigere Wohnungen, die den engen Kriterien des Jobcenters entsprechen, sind auf dem angespannten Wohnungsmarkt selten. Und Bürgergeld-Empfänger haben es ohnehin schwer, eine neue Wohnung zu finden – nicht zuletzt, weil viele Vermieter solvente Mieter bevorzugen.

Können Betroffene nach Anlauf des Kostensenkungsverfahrens ihre Wohnkosten nicht senken und auch keine vom Jobcenter akzeptierten Gründe hierfür vorbringen, werden fortan nur die angemessenen Wohnkosten vom Amt übernommen. Das führt dazu, dass viele Leistungsbezieher gezwungen sind, die Differenz zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten aus dem Regelsatz selbst zu tragen – eine „Wohnkostenlücke“, die sie finanziell schwer belastet. Laut Analysen wird in vielen Fällen bis zu 20 Prozent zu wenig für die Miete übernommen, was die Probleme zusätzlich verschärft.

Anteil der Haushalte mit Wohnkostenlücke

Die folgende Liste zeigt die Bundesländer mit den höchsten Anteilen an Bürgergeld-Haushalten, die bei den Wohnkosten aus eigener Tasche zuzahlen mussten. Die Zahlen spiegeln einen Auszug wider und beziehen sich auf das Vorjahr.

  • 17,10 % Rheinland-Pfalz
  • 15,00 % Baden-Württemberg
  • 14,60 % dem Saarland
  • 14,00 % Niedersachsen
  • 13,30 % Hessen
  • 13,20 % Bayern

Mietschulden: Ein kaum zu überwindender Teufelskreis

Die finanzielle Belastung durch die Wohnkostenlücke kann schnell zu Mietschulden führen. Das hat gravierende Folgen: Viele Vermieter verlangen bei der Wohnungsbewerbung eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung (mietrecht.de) zur Bonitätsprüfung. Liegen Schulden vor, wird diese nicht ausgestellt – und die Wohnungssuche scheitert. Besonders dramatisch ist, dass diese Mietschulden oft direkt durch das Versagen der Politik entstehen. Fehlender sozialer Wohnungsbau und unrealistische Mietobergrenzen zwingen viele in eine Sackgasse. Hier zeigt sich deutlich: Der Staat treibt die Mieten nach oben, statt sozialen Wohnraum zu fördern – eine Entwicklung, die die Krise verschärft.

Häufig gesellen sich zu den Mietschulden auch noch Stromschulden beim Energieversorger, da der Strom nicht Teil der Unterkunftskosten ist und ebenfalls wie die Wohnkostenlücke aus dem Regelbedarf gezahlt werden muss – auch hier ist der vorgesehene Bedarf niedriger als die tatsächlichen Stromkosten, siehe auch Erschreckend: Bürgergeld Regelsatz deckt Stromkosten nicht

Hinzuverdienst keine Lösung für alle

Für viele Bürgergeld-Empfänger wäre ein Hinzuverdienst theoretisch eine Möglichkeit, die finanzielle Situation zu entlasten. Doch der Bezug von Bürgergeld hat in den meisten Fällen nachvollziehbare Gründe – er resultiert nicht aus Faulheit oder fehlendem Willen, sondern aus realen Lebensumständen. Viele Menschen sind auf Sozialleistungen angewiesen, weil sie gesundheitliche Einschränkungen haben, die es ihnen unmöglich machen, zu arbeiten. Andere befinden sich in schwierigen familiären Situationen, beispielsweise als pflegende Angehörige oder Alleinerziehende, die keine bezahlbare Kinderbetreuung finden.

Lesetipp: Wieso gehen Bürgergeld Bedürftige nicht einfach arbeiten?

Auch das Alter spielt eine Rolle: Ältere Menschen, die zu jung für eine Rente und die aus dem Arbeitsmarkt herausgefallen sind, finden oft keine neue Anstellung. Hinzu kommen Menschen mit fehlenden Qualifikationen oder langjährigen Lücken im Lebenslauf, die sie für viele Arbeitgeber unattraktiv machen. Schließlich gibt es auch eine Gruppe von Bürgergeld-Empfängern, die aufgrund von gesellschaftlichen oder strukturellen Problemen – wie einem Mangel an Arbeitsplätzen oder unzureichender Unterstützung bei der Integration – keine Möglichkeit haben, ihre monatlichen Sozialleistungen mit einem Einkommen aufzubessern.

Für diese Menschen bleibt der Teufelskreis bestehen: steigende Mietschulden, keine Aussicht auf eine günstigere Wohnung und keinerlei Spielraum, der Abwärtsspirale zu entkommen. Es wird deutlich, dass es hier um systembedingte Hürden geht und nicht um individuelles Versagen.

Sozialer Wohnungsbau: Der einzige Ausweg?

Die Lösung des Problems liegt letztlich in der Politik. Ohne eine Anpassung der Mietobergrenzen an die realen Mietspiegel und eine massive Förderung des sozialen Wohnungsbaus wird sich die Lage für Bürgergeld-Empfänger nicht verbessern. Der Staat hat hier eine Verantwortung, die er nicht länger ignorieren kann. Ansonsten bleibt das Bürgergeld ein System, das die Existenz der Menschen sichern soll, sie in der Realität jedoch häufig in die Verschuldung treibt.

Titelbild: Antonio Guillem / shutterstock