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Bürgergeld-Trick durch Gehaltsverzicht? Gericht sagt: Sittenwidrig

Geschäftsmann im Anzug sitzt an einem weißen Schreibtisch und zählt 50 Euro Scheine

Tausende Euro als Stammkapital in eine GmbH investieren wollen, auf ein Gehalt verzichten, aber Bürgergeld verlangen. Gut, dass ein solches Konstrukt im Sozialrecht nicht funktioniert und gleich von zwei Gerichten als „sittenwidrig“ eingestuft wurde. Denn von Hilfebedürftigkeit kann in einem solchen Fall wohl kaum die Rede sein. Sie wird vielmehr „grob fahrlässig“ herbeigeführt, betont nicht nur das zuständige Jobcenter.

Dubioses Vertragskonstrukt

Dass Menschen versuchen, Sozialleistungen zu erschleichen, lässt sich nie ganz vermeiden. Ein solcher Fall, wie er zunächst vor dem Sozialgericht Duisburg (S 35 AS 578/24) und dann kürzlich vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 12 AS 1047/24 B ER) verhandelt wurde, dürfte es jedoch – zum Glück – eher selten geben.

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Geld für GmbH war vorhanden

Ein Mann gründete eine GmbH (KFZ Handel, KFZ Aufbereitung, KFZ-Teilehandel). Dafür zahlte er als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ein-Mann-GmbH mehrere Tausend Euro Stammkapital ein. Im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, der ihm jährlich 12.000 Euro brutto plus jährliche Tantiemen zuspricht, verzichtet er jedoch für vier Jahre auf das Gehalt. Stattdessen sollte das Jobcenter mit Bürgergeld für den Lebensunterhalt aufkommen.

Firmeneinnahmen als Einkommen gewertet

Zunächst wurde daher auch kein Einkommen berücksichtigt. Mit Vorlage der vorläufigen EKS für die Weiterbewilligung des Bürgergelds hat das Jobcenter dann genauer gerechnet. Denn es ergaben sich von Dezember 2023 bis Mai 2024 Betriebseinnahmen und -ausgaben, die einen Gewinn von etwa 8.640 Euro erwarten ließen. Der Betrag wurde abzüglich der Freibeträge als Einkommen gewertet und dementsprechend auf das Bürgergeld angerechnet – der Bedarf war gedeckt.

Widerspruchsgrund: Firma ist eine Rechtsperson

Der Mann, der sich zwischenzeitlich über seine GmbH auch selbst ein Arbeitgeberdarlehen bewilligt hatte, um davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, legte Widerspruch ein und klagte. Diesen Schritt begründete er damit, dass die GmbH eine eigene Rechtsperson sei und die Gewinne nicht ihm zugeschrieben werden dürften. Das Unternehmen müsse erst ausreichend Gewinne erzielen. Und schon mit dem Darlehen habe er die Existenz der GmbH bereits „erheblich gefährdet“.

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Gericht spricht von Umgehungskonstruktion

Beim Sozialgericht Duisburg fand das keinen Anklang. Dort machte man dem Kläger deutlich: „Rechtsgeschäfte, die darauf abzielen, dass jemand trotz eigener Erwerbsquellen oder Unterhaltsmöglichkeiten zu Ansprüchen auf Sozialhilfe gelangt, seien in der Regel sittenwidrig.“ Als Alleingesellschafter könne er seine Hilfebedürftigkeit jederzeit abwenden. Das Sozialgericht ging sogar so weit, von einer Umgehungskonstruktion zu sprechen, zumal eine Stammeinlage eingebracht worden und der Betrag daher nicht als Mittel im Sinne des SGB II anzusehen sei.

Kläger kann sich selbst helfen

Mit einer ähnlichen Argumentation wies schließlich das Landessozialgericht NRW die Beschwerde des Mannes zurück. Es erklärte: Der von dem Antragsteller vereinbarte Gehaltsverzicht diene allein dem Zweck, einen erhöhten Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu begründen und das Vermögen der GmbH zu mehren. Kurzum: Die Einnahmen aus der GmbH müssen beim Bürgergeld berücksichtigt werden. Grundsätzlich gelte: „Derjenige, der sich aus eigener Kraft zu helfen in der Lage ist, muss mit seinen Wünschen nach staatlicher Hilfe zurücktreten.“

Dass der Mann in der Lage war sich selbst zu helfen, beweise der Umstand, dass er sich aus dem Firmenvermögen zunächst 2.000 Euro, wenn auch in Form eines Darlehens, ausgezahlt hatte. Mit diesen Mitteln habe der Antragsteller ohne weiteres seinen Bedarf (und den seiner Familie) decken können. Das Geld vom Konto der GmbH – die das Gericht als „bereite“ und damit nicht als fiktive Mittel wertete – für den Lebensunterhalt zu verwenden, sei dem Mann zumutbar gewesen.

Das Landessozialgericht sorgte außerdem dafür, dass den Finanzspielchen keine weitere Zeit vor Gericht eingeräumt wird. Der Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Titelbild: nito / shutterstock