Statt Hilfe gibt es Schikane, statt Verständnis und Augenhöhe wird diskriminiert. Dass Menschen, die sich an das Jobcenter wenden und Bürgergeld beantragen, oft schon ganz unten angekommen sind, scheint einigen Mitarbeitenden in den Behörden entgangen zu sein. Sie nutzen ihre Position allzu gerne für Machtspielchen und lassen Betroffene spüren, dass sie am Ende der Nahrungskette stehen. Dabei machen sie nicht einmal vor Obdach- und Wohnungslosen Halt, sondern treten noch einmal kräftig nach.
Erreichbarkeitsregeln nach eigenem Gutdünken
Im Jobcenter Wuppertal ist diese Praxis an der Tagesordnung. Weil man anscheinend davon ausgeht, dass Bürgergeld Bedürftige, die ihr Dach über dem Kopf verloren haben und auf der Straße oder bei Bekannten leben, sich nicht wehren, werden kurzerhand eigene „Spielregeln“ aufgestellt. Wer sich nicht daran hält, von dem fordert man Geld zurück, um es mit künftigen Leistungen verrechnen zu können.
Klare Vorschriften durch den Gesetzgeber
Konkret geht es dabei um die Erreichbarkeit. Generell gilt, dass Bürgergeld Bedürftige werktäglich für das Jobcenter erreichbar sein müssen. Diesbezüglich wurden einige Verbesserungen vorgenommen, um die Lebenswirklichkeit derer aufzugreifen, die keine eigene Wohnung haben. Hier reicht es, wenn Mitteilungen und Aufforderungen durch Dritte zur Kenntnis genommen und Betroffene entsprechend darüber informiert werden – etwa durch einen sozialen Dienst wie die Diakonie. Wenn auch das nicht möglich ist, müssen sich leistungsberechtigte Personen ohne festen Wohnsitz gemäß §2 der Erreichbarkeitsverordnung einmal monatlich persönlich im Jobcenter melden.
Das Jobcenter Wuppertal agiert rechtswidrig
In Wuppertal hat man die Vorschriften aus der Erreichbarkeitsverordnung nach eigenem Gutdünken ausgelegt und verhält sich damit rechtswidrig, wie der Erwerbslosen- und Obdachlosenverein Tacheles betont. Betroffene müssen, auch wenn die Post an die Diakonie geht, einmal monatlich vorstellig werden. Sie sind verpflichtet, dem Jobcenter mitzuteilen, dass sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen und der postalischen Erreichbarkeit nichts geändert hat. Wer dem nicht nachkommt, muss mit einer Rückforderung rechnen.
Verein Tacheles hilft Betroffenen
In Wuppertal liegen dem Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles mehrere solcher Aufhebungsbescheide vor. Mal sind es 1.576,40 Euro, mal 1.231,68 Euro. Sobald wieder Anspruch auf Bürgergeld besteht, wird die Rückforderung mit dem Regelsatz verrechnet. Dazu wird die Regelleistung um 30 Prozent gekürzt. Das heißt, es werden 168,90 Euro weniger ausgezahlt.
Wie viele wurden schikaniert?
Tacheles geht seit Monaten gegen diese Praxis vor – mit Erfolg. Denn auf diese Weise setzt das Jobcenter die Hürde für den Bezug von existenzsichernden Leistungen unnötig hoch. Das gilt besonders für Betroffene, die auf der Straße leben und mit weit mehr Problemen zu kämpfen haben als „normale“ Bürgergeld Bedürftige. Man darf gespannt sein, ob das Jobcenter sich zu den Fragen äußert, die der Verein schriftlich mit Bezug auf das Informationsfreiheitsgesetz gestellt hat. Dabei geht es unter anderem um die Zahl derer, die auf diese Weise rechtswidrig schikaniert wurden.
Keine Folgen für die Täter
Besonders ärgerlich daran: Die Rückforderungsbescheide mögen auf Drängen des Vereins aufgehoben werden. An der Tatsache, dass Menschen im Amt gedemütigt werden, ändert sich dadurch nichts. Die Täter, die von ihrem hohen Amtsschimmel aus psychische Gewalt ausüben, bleiben meist ungeschoren. Ihnen droht ein Klaps aufs Patschhändchen, der dann am nächstbesten Bürgergeld Bedürftigen gerächt wird.
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