Zum Inhalt springen

Bürgergeld-Urteil: Jobcenter muss nicht für Steuernachzahlung aufkommen

Richterin in schwarzer Robe hält den Hammer und weist mit entschlossener, abweisender Geste in eine Richtung, die Ablehnung oder ein 'Raus hier' signalisiert. Vor ihr sitzt eine Person mit gesenktem Kopf und Händen im Gesicht. Im Hintergrund sind Bücherregale mit Akten und Büchern zu sehen.

Wenn Steuer- und Sozialrecht aufeinandertreffen, wird es kompliziert. Davon können Bürgergeld Aufstocker ein Lied singen. Mitunter gehen die Ansichten darüber, welche Leistungen angerechnet werden dürfen und welche Ausgaben zugunsten Betroffener gewertet werden müssen, so weit auseinander, dass der Fall vor Gericht landet. Hinsichtlich Steuernachzahlungen hat das Bundessozialgericht jetzt entschieden, dass eine Nachforderung des Finanzamts das Einkommen im Bürgergeld Bezug nicht mindert (Aktenzeichen B 7 AS 9/23 R vom 17. Dezember 2024).

Ein komplexer Fall

Der Fall, der zunächst vor dem Sozialgericht Düsseldorf (S 35 AS 947/22 vom 9. Dezember 2021) und dann vor dem Landessozialgericht (L 6 AS 947/22 vom 6. April 2023) verhandelt wurde, ist äußerst komplex – und auch nach dem Urteil des Bundessozialgerichts noch nicht abgeschlossen.

Lesetipp: Steuererstattung wird auf das Bürgergeld angerechnet

Streit um Weihnachtsgeld und Steuernachzahlung

Im Kern geht es um eine Frau, die mit Bürgergeld aufstocken muss. Strittig war einerseits, wie mit den Jahressonderzahlungen (Weihnachtsgeld) zu verfahren ist. Andererseits ging es darum, ob die vom Finanzamt geforderten Einkommensteuer-Nachzahlungen für 2016 und 2017 auf das Einkommen angerechnet werden müssen, woraus sich höhere Hartz-IV-Ansprüche (heute Bürgergeld) ergeben hätten.

Unterschiedliche juristische Wertung

Wie unterschiedlich selbst Juristen die Aspekte werten, zeigt sich anhand der Steuernachzahlung. Das Sozialgericht Düsseldorf verurteilte das Jobcenter dazu, die Forderung zugunsten der Klägerin auf das Einkommen anzurechnen. Oder anders ausgedrückt: Das Jobcenter sollte die Steuernachzahlung des Finanzamts übernehmen und einkommensmindernd berücksichtigen. Seitens des Landessozialgerichts und des BSG gab es indes keinen Zweifel daran, dass die Steuernachforderung nicht als Absetzbetrag gewertet werden darf.

Wann gelten Steuern als Absetzbetrag?

Entscheidend für diese Einschätzung ist der Zeitraum, für den die Steuern gefordert wurden. Das Landessozialgericht schrieb dazu: „Es entspricht allgemeiner Meinung, dass nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nur solche zu entrichtenden Steuern vom Einkommen im Bewilligungszeitraum abgesetzt werden können, die sich auch auf das im Bewilligungszeitraum erzielte Einkommen beziehen.“ Nachforderungen für bereits zurückliegende Zeiträume fielen nicht unter diese Vorschrift.

Monats- und Zuflussprinzip

Ausnahmen von diesem Monats- und Zuflussprinzip als Leitlinie des SGB II würden nur in engen Grenzen bei besonders gelagerten Fällen gemacht. Ein besonders gelagerter Fall läge jedoch nicht vor. Schuld an der Nachforderung sei ausschließlich die Bürgergeld Bedürftige. Sie habe den Lohnsteuerfreibetrag willentlich – in der Hoffnung auf eine Vollzeitstelle – nicht reduziert. Die sich daraus ergebenden leistungsrechtlichen Konsequenzen seien zumutbar. Anspruch auf die zuschussweise Gewährung von Leistungen habe nicht bestanden, wohl aber die Möglichkeit, dass seitens des Jobcenters ein Darlehen gewährt wird. Ähnlich argumentierte auch das Bundessozialgericht.

Wie werden Jahressonderzahlungen angerechnet?

Was das Weihnachtsgeld betrifft, waren sich die Gerichte weitgehend einig. Die Frau hatte erklärt, dass sie nicht über den Betrag verfügen konnte, weil mit der Zahlung der Dispositionskredit ausgeglichen worden sei. Daher dürfe das Weihnachtsgeld nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Dem widersprachen die Richter aller drei Instanzen. Im Monat der Einkommensberücksichtigung sei ein tatsächlicher Wertzuwachs eingetreten, so das LSG.

Einmalzahlungen neu geregelt seit Juli 2023

Das Bundessozialgericht legte schließlich fest, dass die Jahressonderzahlungen wie eine einmalige Einnahme auf sechs Monate verteilt und leistungsmindernd berücksichtigt werden müssen. Allerdings müssten vom Zahlbetrag nicht nur die Steuern und die Versicherungsbeträge, wie vom LSG bestimmt, sondern auch ein zusätzlicher Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 200 Euro abgezogen werden. Der Entscheid entspricht der alten Regelung zum Weihnachtsgeld. Seit dem 1. Juli 2023 werden derlei Zahlungen im Monat des Zuflusses bis zur Bedarfsdeckung angerechnet und darüber hinaus dem Schonvermögen zugewiesen.

Titelbild: Elnur / shutterstock