Zum Inhalt springen

Arbeitspflicht für Bürgergeld Bedürftige: Milliarden für fragwürdige Jobs

In der Debatte um die Zukunft der Sozialsysteme steht die Arbeitspflicht für Bürgergeld Bedürftige hoch im Kurs. Union, FDP und AfD kann es gar nicht schnell genug gehen. Spätestens nach einem halben Jahr Leistungsbezug soll gemeinnützige Arbeit geleistet werden. Eine Idee, die Betroffene als faul verurteilt und den Steuerzahler teuer zu stehen kommen würde. Die Linke im Bundestag beziffert den Aufwand mit 7,1 Milliarden Euro – ohne irgendeine Entlastung.

Lesetipp: Wieso gehen Bürgergeld-Empfänger nicht einfach arbeiten?

Menschenverachtend

Die Berechnung fußt zugegebenermaßen auf einer Vielzahl von Annahmen und damit Variablen, die nur schwer einzuschätzen sind. Doch sie zeigt zumindest, dass Zwangsarbeit für Bürgergeld Bedürftige nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, sondern ein menschenverachtendes Bild von Betroffenen propagiert.

Je Stelle und Monat 657 Euro

Ausgegangen wird von 657 Euro, die monatlich für jede gemeinnützige Stelle investiert werden müssten. Lediglich ein Fünftel des Betrages (131,40 Euro) landet beim Bürgergeldempfänger, der zur Arbeit verpflichtet wird. Die restlichen Ausgaben fallen für die Einrichtung und den Betrieb der Jobs bei den Trägern oder der Gemeinde an. Geht man weiterhin davon aus, dass für knapp die Hälfte der 1,8 Millionen arbeitsfähigen Bürgergeld Bedürftigen entsprechende Stellen geschaffen werden, landet man bei 7,1 Milliarden Euro (900.000 x 657 Euro x 12) – zu denen sich noch Jobcenter-internen Kosten gesellen.

0,24 Prozent Totalverweigerer

Für die Jobs kämen Betroffene infrage, die bedingt durch ihre Qualifikation, den Wohnort oder andere Gründe keine Arbeit finden. Die Totalverweigerer kann man aus der Gleichung streichen. Sie machen nur 0,24 Prozent der Bürgergeld Bedürftigen aus (13.000 Sanktionen im Jahr 2024). Gleichwohl werden alle als arbeitsunwillig abgestempelt, unabhängig davon, ob sie alt oder krank sind oder hart arbeiten und aufstocken müssen.

Schwerin arbeitet am Konzept

Der Vorstoß, Menschen zur Arbeit zu verpflichten, ist nicht neu, wurde mit dem Bürgergeld aber neu entfacht. Ganz weit vorgeprescht ist diesbezüglich Schwerin. Dort haben AfD und CDU eine Arbeitspflicht für Asylbewerber und Bürgergeld Bedürftige auf den Weg gebracht. Aktuell arbeitet die Stadt an einem entsprechenden Konzept. Denn ohne Jobs – durch die keine regulären Arbeitsplätze entfallen dürfen – bringt eine Arbeitspflicht rein gar nichts. Da kann man noch so sehr fordern, dass Betroffene „eine Leistung für die Gemeinschaft erbringen sollen“ (O-Ton CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann).

Lesetipp: Arbeitsagentur präsentiert frisierte Arbeitslosenquoten

Sinnvoller: 450.000 Stellen schaffen

Für die Linke im Bundestag steht angesichts der drohenden Kosten fest: „Die vorgeschlagene Arbeitspflicht verstößt nicht nur gegen unzählige Gesetze, sondern wird für den Steuerzahler auch extrem teuer.“ Aktuell werden für Arbeitsgelegenheiten, besser bekannt als Ein-Euro-Job, sowie Eingliederungs- und Weiterbildungsmaßnahmen 3,8 Milliarden Euro investiert. Dem stehen 7,1 Milliarden Euro bei der Arbeitspflicht gegenüber.

Mit dem Geld können, so die Vorsitzende der Linken-Gruppe, Heidi Reichinnek, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, 450.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen für Langzeitarbeitslose geschaffen werden. Dass Zwangsarbeit eingeführt wird, sei ohnehin unwahrscheinlich. Dem würde spätestens das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorschieben.

Titelbild: Saklakova / shutterstock