Eins plus eins gleich Bedarfsgemeinschaft: Mit dieser Formel machen es sich Jobcenter gerne leicht. Sobald zwei Menschen unter einem Dach wohnen und auf Bürgergeld angewiesen sind, landen sie in einem Topf. Das entspricht aber nicht zwingend der Lebensrealität und schon gar nicht dem Willen des Gesetzgebers. Denn um als Bedarfsgemeinschaft eingestuft zu werden, bedarf es mehr als einer gemeinsamen Adresse.
Antrag falsch ausgefüllt
Klägerin und Kläger haben jeweils einen Bürgergeld Antrag gestellt. Beide kreuzten versehentlich an, mit einem eingetragenen Lebenspartner zusammenzuleben. Das reichte dem Jobcenter, um das Einkommen des Mannes bei den Leistungen der Frau anzurechnen. Aufgrund der Einkommensanrechnung erhielt sie deshalb weniger Leistungen vom Jobcenter als ihr eigentlich zugestanden hätten. Es begann das typische Wechselspiel von Widerspruch und Ablehnung, sodass schlussendlich das Sozialgericht entscheiden musste.
Wann Bedarfsgemeinschaft?
Die Kernfrage, ob die beiden Bürgergeld Bedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, verneinte das Gericht (Az. S 10 AS 283/21). Diesbezüglich hob die 10. Kammer des Sozialgerichts Cottbus zwei entscheidende Punkte hervor, die maßgeblich dafür sind, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt oder – wie im vorliegenden Fall – eben nicht.
Gemeinsamer Haushalt
Das erste Merkmal einer Bürgergeld Bedarfsgemeinschaft: Beide Leistungsberechtigten leben in einem gemeinsamen Haushalt. Das allein reicht allerdings nicht aus. Denn: Das Gegenteil einer häuslichen Gemeinschaft, das Getrenntleben, wird vom Bundesgerichtshof als „Trennung von Tisch und Bett“ definiert. Eine solche Trennung ist auch in ein- und derselben Wohnung möglich. Da der Außendienst des Jobcenters sich nicht die Mühe gemacht hat, die Umstände des Zusammenlebens zu prüfen, ließ sich dieser Aspekt nicht rekonstruieren.
Einstandswille
Viel wichtiger aber ist – als zweites Merkmal einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Bürgergeld Gesetztes –, dass ein Einstandswille nachweisbar ist. Was darunter zu verstehen ist, geht aus § 7 Abs. 3a SGB II hervor: „Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.“ Hierfür gelten unterschiedliche Voraussetzungen:
- Die Bürgergeld Bedürftigen leben länger als Jahr zusammen.
- Beide Personen leben mit einem gemeinsamen Kind zusammen.
- Die Partner versorgen Kinder oder Angehörige im Haushalt.
- Die Leistungsberechtigten haben die Befugnis, über das Einkommen / Vermögen des anderen zu verfügen.
Keine dauerhafte Beziehung
Die Klägerin hat zwar bei der Pflege der Großmutters des Klägers geholfen. Aus einer solchen gelegentlichen Unterstützung und dem Umstand, dass die Mutter der Klägerin Strom und Gas bezahlte, ließe sich aber kein Einstandswille schlussfolgern, so die Richter. Ebenso gäbe es keine Hinweise dazu, dass die beiden schon vorher zusammengelebt hätten. Dass beide angekreuzt hatten, eingetragene Lebenspartner zu sein, wertete das Gericht als offensichtlichen Fehler. Die Klägerin sei bereits nach sechs Monaten ausgezogen. Das spreche gegen eine dauerhafte Beziehung und die Bereitschaft, füreinander Verantwortung zu übernehmen. Kurzum: Die Bürgergeld Bedürftige hatte im genannten Zeitraum Anspruch auf den vollen Regelsatz für Alleinstehende ohne Berücksichtigung des Einkommens des Klägers.
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Finanzielle Auswirkungen
Jobcenter versuchen immer wieder Mitbewohner als Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Nicht nur, dass dann wie im vorliegenden Fall das Einkommen und ggf. Vermögen des vermeintlichen Partners berücksichtigt wird und sich die Regelsätze von aktuell 563 auf 506 Euro reduzieren. Auch die KdU und Mietobergrenzen werden anders gehandhabt. Liegt tatsächlich eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Personen vor, gilt die Angemessenheitsgrenze für zwei Personen. Liegt dagegen keine gemeinsame Bedarfsgemeinschaft vor, so gilt – auch wenn zwei Bürgergeld Bedürftige getrennt zusammenleben – jeweils die Mietobergrenze für eine Person. In einem solchen Fall würden zwei Bedarfsgemeinschaften in einer Haushaltsgemeinschaft leben.
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