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Bürgergeld: Kein Geld vom Jobcenter bei zweifelhaften Mietvertrag

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat bestätigt, dass das Jobcenter keine Miete für einen Scheinmietvertrag übernehmen muss. Eine sechsköpfige Familie hatte versucht, die Kosten für eine Wohnung geltend zu machen, die von einem nahen Verwandten vermietet wurde. Das Gericht stellte erhebliche Zweifel an der Echtheit des Mietverhältnisses fest und wies den Antrag auf Kostenübernahme der Miete zurück.

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Mietvertrag zwischen Vater und Tochter

Die Familie zog in eine neue Wohnung um, die ihnen vom Vater der Antragstellerin, einem in Russland lebenden Mann, vermietet wurde. Zunächst legten sie dem Jobcenter Region Hannover ein Mietangebot mit einer monatlichen Miete von 1.070 Euro vor, was sowohl die Kaltmiete als auch Betriebskosten umfasste. Nachdem das Jobcenter diese Kosten als unangemessen hoch einstufte, wurde die Miete kurzerhand auf 750,00 Euro im Monat gesenkt. Im gleichen Zuge erhöhte sich die Wohnfläche von 120 auf 130 Quadratmeter.

Dieser deutliche Preisnachlass ohne plausible Erklärung weckte beim Jobcenter den Verdacht, dass der Vertrag nur geändert wurde, um die Übernahme der Wohnkosten durch das Jobcenter zu ermöglichen. Hinzu kamen weitere Ungereimtheiten: Die Miete sollte in bar an den in Russland lebenden Vermieter gezahlt werden, wobei keine Bankverbindung angegeben wurde und auch keine Nachweise für bisherige Zahlungen erbracht wurden. Außerdem war die im Mietvertrag vereinbarte Mietsicherheit von 1.590 Euro auch nach mehreren Monaten noch nicht gezahlt worden.

Zweifelhafte Mahnung

Zusätzlich verschickte der Vermieter – der Vater der Antragstellerin – bereits im Februar 2020 Mahnungen über Mietrückstände. Dies war besonders verdächtig, da die Familie angab, die Miete erst im März 2020 bei einem geplanten Besuch des Vaters in bar zahlen zu wollen. Diese Mahnungen trugen weiter zur Skepsis des Jobcenters bei, das die Ernsthaftigkeit des Mietvertrages zunehmend infrage stellte.

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Antrag auf einstweilige Anordnung

Nachdem das Jobcenter im Januar 2020 nur den Bürgergeld Regelbedarf bewilligt und die KdU nicht übernommen hatte, legte die Familie Widerspruch ein. Sie beantragte im März 2020 beim Sozialgericht Hildesheim eine einstweilige Anordnung, um die Übernahme der Miete durchzusetzen, da ihnen sonst die Kündigung und Obdachlosigkeit drohe. Doch das Sozialgericht lehnte den Antrag im April 2020 ab. Es hielt eine Kündigung wegen Mietschulden für unwahrscheinlich, da das Mietverhältnis zwischen engen Verwandten bestand. Zudem gab es auch hier Zweifel daran, ob der Mietvertrag ernsthaft und marktüblich geschlossen wurde.

Entscheidung des Landessozialgerichts

Im April 2020 legte die Familie Beschwerde beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ein, doch auch dieses Gericht teilte die Bedenken des Jobcenters. Das Gericht stellte fest, dass der Mietvertrag als Scheinmietvertrag eingestuft werden müsse, der nur zum Zweck der Sozialleistungserschleichung geschlossen worden war. Der plötzliche Mietnachlass, die unklare Zahlungsweise und die Mahnungen trotz Barzahlungsmöglichkeit machten die Vereinbarungen unglaubwürdig.

Die Familie behauptete, die Miete sei besonders günstig, doch das Gericht stellte fest, dass die Immobilie lediglich 80.000 Euro gekostet habe. Bei einer Nettokaltmiete von 530 Euro würde sich die Wohnung innerhalb weniger Jahre amortisieren. Diese Tatsache machte die Behauptung einer „günstigen“ Miete unglaubwürdig und ließ die plötzliche Mietreduktion noch weniger nachvollziehbar erscheinen. Auch die Zahlungsmodalitäten, bei denen der Vermieter sich mit Barzahlungen zufrieden gab, erschwerten eine Nachverfolgung des Geldflusses.

Aus der Urteilsbegründung: „Der Vertrag ist offensichtlich nicht auf Grundlage einer normalen Geschäftsbeziehung entstanden, sondern aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses und der Erwartung, dass das Jobcenter die Unterkunftskosten übernimmt.“ (Az.: L 11 AS 228/20 B ER)

Vorläufige Übernahme der Nebenkosten

Trotz der Zweifel an der Miete entschied das Gericht, dass das Jobcenter verpflichtet sei, vorläufig die laufenden Verbrauchskosten für Wasser, Heizung und Abfall zu übernehmen, da diese notwendig seien, um die Unterkunft bewohnbar zu halten. Besonders im Hinblick auf die vier minderjährigen Kinder der Familie hielt das Gericht es für nicht vertretbar, diese Kosten nicht zu übernehmen. Die Zahlung der Miete selbst wurde jedoch abgelehnt, da die tatsächlichen Mietverpflichtungen nicht glaubhaft nachgewiesen wurden.

Titelbild: Bjoern Wylezich / shutterstock