Drohende Obdachlosigkeit und ein Berg Schulden: Und das nur, weil ein Bürgergeld-Bedürftiger sich weigerte, dem Jobcenter mitzuteilen, wie und wofür er sein Geld ausgibt. Dafür gab es jetzt vom Sozialgericht Magdeburg in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Rüffel für das Amt. Tenor des Urteils: Freiwillige Lebensmittelspenden Dritter geben einem Jobcenter nicht das Recht, einen Antrag auf Bürgergeld abzulehnen.
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Unterlagen nicht eingereicht
Auslöser für den Rechtsstreit war der Weiterbewilligungsantrag eines Bürgergeld-Bedürftigen. Das Jobcenter forderte daraufhin weitere Unterlagen an, unter anderem Rechnungen zu online bestellten Lebensmitteln. Der Mann weigerte sich. Eine solche Mitwirkungspflicht träfe ihn nicht. Er sei nicht verpflichtet, diese Unterlagen einzureichen und unterläge auch bei der Verwendung des Regelsatzes keinen Beschränkungen.
Jobcenter bezweifelt Hilfebedürftigkeit
Das Jobcenter beharrte jedoch darauf, Einsicht in die Bestellungen zu nehmen. Ohne diese Belege sei nicht erkennbar, ob tatsächlich Lebensmittel gekauft worden seien und ob der Antragsteller überhaupt mittellos und damit hilfebedürftig sei. Das Ergebnis des Hin und Her: Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wurden mangels Mitwirkung gemäß § 60 Abs. 1 SGB I versagt.
Einstweilige Anordnung erlassen
Dagegen hat der Bürgergeldempfänger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er führte aus, weder über Einkommen noch Vermögen zu verfügen. Ihm stünden keine Geldmittel zur Verfügung. Daher habe der Vermieter bereits mit der Kündigung gedroht und könne er auch die Krankenversicherung nicht bezahlen – er war von der AOK abgemeldet worden und musste daraufhin den Mindestbeitrag für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung bezahlen. Die einzige Zuwendung, die der Mann erhielt: Um die Existenz sicherzustellen, habe ein Freund (der Vermieter) ihm mit Lebensmitteln ausgeholfen.
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Keine Notlage
Das Jobcenter entgegnete, es seien nie Nachweise über die Ausgaben eingereicht worden. Zudem seien die Kontobewegungen nicht plausibel. So könne nicht erklärt werden, woher 300 Euro von einer Bareinzahlung stammten. Vor allem aber bezweifelte das Jobcenter, dass es überhaupt einen Anordnungsgrund gebe. Schließlich liege keine dringende oder existentielle Notlage vor, zumal der Betroffene mit Lebensmitteln versorgt werde. Zweifel äußerte das Amt auch am Mietverhältnis.
Sozialgericht sieht Anspruch gegeben
Das Sozialgericht Magdeburg wertete den Fall wie der Anwalt des Klägers und sah die einstweilige Anordnung als zulässig und begründet an. (S 24 AS 404/23 ER) Die Kammer gehe nach der im Eilverfahren erfolgten Prüfung davon aus, dass der Mann Anspruch auf Bürgergeld und damit auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes habe. Dem Bürgergeldempfänger stünden keine Einnahmen zur Verfügung, um seinen Bedarf zu decken.
Jobcenter in der Pflicht
In dem Zusammenhang betonte das Gericht: „Dabei können die bisher von seinem Freund und Vermieter (…) erbrachten Sachleistungen in Form von Lebensmitteln nicht als Zuwendungen zur Bedarfsdeckung berücksichtigt werden.“ Einerseits, weil es sich um freiwillige Zuwendungen handle, die jederzeit eingestellt werden könnten. Andererseits, weil der Regelsatz nicht nur Lebensmittel umfasse. Und drittens: Freiwillige Leistungen Dritter aus freundschaftlicher Verbundenheit oder altruistischen Gründen ersetzten nicht die Leistungsverpflichtung des Jobcenters.
Kurzum: Aus diesen Gründen sowie dem Umstand, dass es dem Antragsteller nicht zumutbar sei, Mietrückstände auflaufen zu lassen, und der Notlage wegen des fehlenden Schutzes durch die Krankenversicherung, wurde das Jobcenter verurteilt, Bürgergeld zu zahlen. Wenn auch nur für einen auf sechs Monate verkürzten Bewilligungszeitraum.
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