Zum Inhalt springen

Bürgergeld: Jobcenter darf Rückforderung nicht einfach mit Nachzahlung verrechnen

Das Jobcenter darf Bürgergeld Rückforderungen und Nachzahlungen nicht einfach in einen Topf werfen und verrechnen. Für Rückforderungen gelten generell strengere Regeln als für Nachzahlungen, betonte das Bundessozialgericht. Daher muss das Jobcenter Monat für Monat vorgehen und prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rückforderung gegeben sind. Dieses Urteil hat besondere Relevanz für Bürgergeld-Aufstocker, deren Einkommen und damit auch der Leistungsanspruch häufiger schwankt.

Lesetipp: BSG streicht Jobcenter-Forderung – Bescheid muss eindeutig sein

Monatlich schwankendes Einkommen

Der Fall, über den das Bundessozialgericht entschied, liegt im Ursprung inzwischen ein paar Jahre zurück. Das Jobcenter bewilligte einer Familie aus Sachsen-Anhalt vorläufig Bürgergeld für die Zeit von April bis September 2016. Die Vorläufigkeit des Bescheids beruhte auf Aussagen der Kläger, dass sich die Einkünfte vorübergehend ändern würden – tatsächlich schwankten diese zwischen 1.142,66 Euro und 1.465,11 Euro monatlich.

Endgültig festgelegt wurden die Jobcenter Leistungen im Widerspruchsverfahren, nachdem alle Einkommensnachweise vorgelegen hatten. Ausgehend vom Einkommen und zwei Einmalzahlungen sah das Jobcenter für April 2016 keinen Leistungsanspruch. Für die übrigen Monate wurden die Leistungen ohne Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens berechnet und die Nachzahlung an die Hilfebedürftigen überwiesen.

Monatsbeträge wurden saldiert

Die Familie klagte gegen das Vorgehen des Jobcenters, insbesondere hinsichtlich der Anrechnung der Einmalzahlungen. Es folgte ein Änderungsbescheid im Klageverfahren, bei dem das monatliche Durchschnittseinkommen berücksichtigt wurde. Ergebnis: Für April und Mai 2016 ergab sich ein höherer Leistungsanspruch und für die übrigen Monate ein niedrigerer. Die entsprechenden Monatsbeträge wurden vom Jobcenter miteinander verrechnet und der noch ausstehende Betrag gezahlt.

Dagegen wehrte sich die Familie. Eine Änderung der endgültigen Leistungsfestsetzung sei nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB X möglich. Diese Paragrafen regeln, wann ein Verwaltungsakt zurückgenommen beziehungsweise aufgehoben werden kann. Das ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Überdies, so die Kläger, gelte die Saldierungsvorschrift (§ 41a SGB II) nicht bei der Korrektur einer bereits endgültigen Entscheidung.

Lesetipp: Bürgergeld Rückforderung gekippt – Jobcenter scheitert vor Gericht

Feststellung des monatlichen Leistungsanspruchs

Sowohl das Sozialgericht Halle (S 21 AS 1950/17) als auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (L 2 AS 692/20) wiesen die Klage ab und stimmten dem Vorgehen des Jobcenters zu. Seitens des Bundessozialgerichts beanstandete man aber schließlich, dass von den Vorinstanzen nicht geklärt worden sei, ob die Voraussetzungen nach §45 SGB X für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes gegeben war. Grundsätzlich müsse, und das ist die maßgebliche Aussage des Bundessozialgerichts (B 4 AS 6/22 R), monatsweise geklärt werden, ob

  • § 44 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes) oder
  • § 45 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes)

als Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer abschließenden Festsetzung heranzuziehen sei. Auch § 41a SGB II in der alten Fassung gehe von einer Feststellung des monatlichen Leistungsanspruchs aus.

Für den vorliegen Fall heißt das: Lediglich für die Monate April und Mai 2016 sei die Rücknahme statthaft gewesen. Für die beiden anderen Monate, in denen zu hohe Leistungsansprüche zuerkannt wurden, gelte hingegen: Die Korrektur müsse an § 45 SGB X gemessen werden. Diese Aufgabe hat nun wieder das LSG Sachsen-Anhalt.

Titelbild: Elnur / shutterstock