Der Koalitionsvertrag steht. Das Bürgergeld geht. Die neue Härte, Pardon, Grundsicherung für Arbeitssuchende kommt. Insofern bergen die Verhandlungsergebnisse von Union und SPD keine großen Überraschungen. Inhaltlich geht es klar Richtung „fordern“, mit deutlichen Abstrichen beim „Fördern“. Lichtblicke für Betroffene muss man in dem 146 Seiten umfassenden Papier mit der Lupe suchen. Und wird dabei tatsächlich fündig. Während man Erwachsenen offen mit der Peitsche droht, sollen Kinder eine bessere finanzielle Unterstützung erhalten. Als neue Bundesministerin für Arbeit und Soziales wird dabei Bärbel Bas (SPD) gehandelt.
CDU hat sich durchgesetzt
Dass die SPD die Union bei den Koalitionsgesprächen über den Löffel barbiert hat, mag in vielen Bereichen zutreffen. Bei der Zukunft des Bürgergelds haben sich CDU und CSU jedenfalls durchgesetzt und ihre Ideen für eine neue Grundsicherung für Arbeitssuchende realisieren können. Die Zielsetzung des Bürgergeld-Nachfolgers lässt sich problemlos in einem Satz zusammenfassen: Die Zahl der Leistungsempfänger schnell und effektiv reduzieren und damit die Ausgaben optimieren.
Die geplanten Änderungen
Die geplanten Änderungen sind allesamt bereits bekannt. Hier noch einmal in Stichpunkten, worauf sich die Koalitionäre geeinigt haben:
- Neuer Name: Grundsicherung für Arbeitssuchende statt Bürgergeld.
- Pflicht, sich aktiv um Beschäftigung zu bemühen.
- Für arbeitsfähige Betroffene gilt der Vermittlungsvorrang.
- Bei Vermittlungshemmnissen sollen Qualifizierung, Gesundheitsförderung und Reha-Maßnahmen greifen.
- Der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) wird ausgeweitet und gesetzlich verankert (hinter dem PAT steht die Idee, Arbeit, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren).
- Mitwirkungspflichten im Sinne des „Fördern und Fordern“ werden geschärft.
- Sanktionen werden schneller, einfacher und unbürokratischer umgesetzt – unter Berücksichtigung psychischer Erkrankungen.
- Wer wiederholt Arbeit ablehnt, dem werden die Leistungen vollständig entzogen.
- Die Karenzzeit für Vermögen entfällt. Das Schonvermögen wird an die Lebensleistung gekoppelt.
- Bei unverhältnismäßig hohen Wohnkosten entfällt auch die Karenzzeit für Wohnen.
- Die Berechnung der Regelsätze folgt wieder den Regeln zu Zeiten von Hartz IV – das heißt, die aktuelle Inflation wird nicht länger berücksichtigt.
Neue Berechnung des Bürgergeld Regelsatzes bringt sozialen Rückschritt
Bessere Hinzuverdienstregeln
Generell sollen die sozialen Leistungen besser aufeinander abgestimmt und gegebenenfalls zusammengeführt werden, etwa Wohngeld und Kinderzuschlag. Außerdem möchte man Bürgergeld Bedürftigen, künftig Grundsicherungsempfängern, Anreize bieten, mehr Geld zu verdienen. Dazu sollen die Hinzuverdienstregeln reformiert werden. Das ist einer der wenigen Punkte, die für Betroffene eine Verbesserung darstellen können. Denn zu arbeiten und zu wissen, dass ein Großteil des Verdienstes angerechnet wird: Das demotiviert.
Kampf gegen Kinderarmut
Zweiter Lichtblick: Union und SPD planen, die Situation von Kindern in einkommensschwachen Haushalten zu verbessern. „Wir wollen Kinderarmut wirksam bekämpfen und Alleinerziehende entlasten“, steht auf Seite 17. Dazu soll der Betrag für das Bildungs- und Teilhabepaket von 15 auf 20 Euro im Monat steigen. Das Geld erlaubt Mädchen und Jungen, an Vereins-, Kultur- und Freizeitangeboten teilzunehmen.
Kein Diskussionsbedarf
Vergleicht man die entscheidenden Passagen aus den Arbeitspapieren und dem Koalitionsvertrag, so sind beide weitgehend (laut KI zu 95 Prozent) deckungsgleich. Das heißt: Es gab abschließend keinerlei Diskussionsbedarf zur Bürgergeld Nachfolge. Dass die SPD eine solche Härte gegen Armutsbetroffene ohne Murren unterschreibt, hätte man sich vor ein paar Monaten nicht träumen lassen. Doch was tut man nicht alles, um weiter mitregieren zu dürfen.
Schaut man genau hin, wurden einige der Aussagen aus der Arbeitsgruppe minimal verändert, besonders hinsichtlich der Detailtiefe – nur leider nicht zum Guten. Ist im Arbeitspapier noch von mindestens einer Milliarde Euro zusätzlicher Mittel für die Jobcenter die Rede, wird im Koalitionsvertrag von ausreichenden Mitteln gesprochen. Weitere Unterschiede: Das Thema Schonvermögen soll bürokratiearm umgesetzt werden und der Begriff Eingliederungsvereinbarung wurde gestrichen.
Bürgergeld-Bezieher im Dialog mit dem Deutschen Bundestag
Ein Schlag ins Gesicht
Menschlich ist die Grundsicherung ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen. Menschen, die schon jetzt mit dem Rücken zur Wand stehen, mit noch mehr Härte zu drohen: Damit zerreißt man die Gesellschaft. Doch auch wirtschaftlich und sozialpolitisch birgt die Bürgergeld-Nachfolge das Potenzial, ein riesiger Reinfall zu werden. Bevor man spart, werden Millionen in die Umbenennung investiert. Und Menschen zu irgendeiner Arbeit zu zwingen, hilft weder den Unternehmen noch dem Staat. Immerhin: Man gesteht ein, dass es Kinderarmut gibt. Altersarmut indes, die rasant zunimmt, verschweigt man weiterhin. Kurzum: Man reibt Salz in die Wunde, statt ein passendes Pflaster gegen Armut zu suchen.
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