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Kindergeld und Bürgergeld: Bei Rückforderung droht doppelt Verlust

Mutter und erwachsene Tochter fassen sich verzweifelt an den Kopf

Beim Bezug von Bürgergeld wird das Kindergeld als Einkommen auf den Bedarf angerechnet und senkt dadurch die Höhe der monatlichen Leistungen. Besonders heikel wird es, wenn das Kindergeld zu Unrecht gezahlt wurde und die Familienkasse es zurückfordert – denn dann bleiben Bürgergeld-Empfänger auf einem finanziellen Schaden sitzen.
Das Problem betrifft insbesondere volljährige Kinder, bei denen der Kindergeldanspruch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.

Kindergeld ist Einkommen

Grundsätzlich gilt: Das Kindergeld wird beim Bürgergeld als Einkommen berücksichtigt und mindert somit den Anspruch auf Leistungen. Das trifft alle Bürgergeld-Bezieher, die Kindergeld erhalten – unabhängig davon, ob das Kind minderjährig oder volljährig ist. Viele Betroffene empfinden diese Anrechnung als ungerecht, da das Kindergeld dem Kind zugutekommen soll. Rechtlich gesehen ist diese Vorgehensweise jedoch zulässig.

Rückwirkender Wegfall des Anspruchs

Kindergeld für minderjährige Kinder wird ohne zusätzliche Voraussetzungen gezahlt und im Zuflussmonat auf den Bürgergeldbedarf angerechnet. Auch bei volljährigen Kindern wird das tatsächlich zugeflossene Kindergeld als Einkommen berücksichtigt – unabhängig davon, ob ein Anspruch bestand oder nicht. Und genau hier liegt das Risiko: Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Voraussetzungen für Volljährige nicht gegeben waren und somit kein Anspruch bestand, fordert die Familienkasse das zu Unrecht gezahlte Kindergeld zurück. Das Jobcenter hat es jedoch bereits zum Zeitpunkt des Zuflusses angerechnet – eine Erstattung erfolgt nicht. Betroffene bleiben somit auf der Rückzahlung sitzen.

(6) Entsteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer Einnahme (z. B. Kindergeld, Arbeitslosengeld) erst nach dem Monat des Zuflusses, z. B. durch Aufhebung und Rückforderung einer Bewilligungsentscheidung für die Vergangenheit, verbleibt es für den Zuflussmonat bei der Berücksichtigung als Einkommen.

Fachliche Weisungen zu §§ 11 – 11b SGB II Zu berücksichtigendes Einkommen – Rückzahlung von Einnahmen (11.9)

Wann gibt es Kindergeld ab 18?

Ab dem 18. Geburtstag ist der Kindergeldanspruch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Ein Anspruch besteht nur, wenn:

  • sich das Kind in schulischer Ausbildung, Studium oder Berufsausbildung befindet (max. bis zum 25. Geburtstag), oder
  • das Kind ausbildungsplatzsuchend oder arbeitsuchend gemeldet ist (max. bis zum 21. Geburtstag), oder
  • eine Übergangszeit nach dem Schulabschluss bis zur Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums vorliegt (max. drei Monaten)

Sobald diese Voraussetzungen wegfallen – z. B. durch Ausbildungsunterbrechung, Beurlaubung oder Abmeldung bei der Agentur für Arbeit –, erlischt der Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum.

Infos zum Kindergeld ab 18 im Detail auf kindergeld.org

Höchstrichterliche Entscheidung des BFH

Dass das Jobcenter zugeflossenes Kindergeld unabhängig von einem tatsächlichen Anspruch anrechnet und keine nachträgliche Erstattung erfolgt, wurde bereits 2019 vom Bundesfinanzhof höchstrichterlich bestätigt (III R 28/18).

Im konkreten Fall befand sich eine junge, volljährige Frau in schulischer Ausbildung. Aufgrund einer Elternzeit wurde sie für sieben Monate vom Unterricht beurlaubt, teilte dies der Familienkasse jedoch nicht mit. Sie erhielt in diesem Zeitraum weiterhin Kindergeld, das auf ihre Leistungen zur Grundsicherung angerechnet wurde. Da sie sich während der Beurlaubung faktisch nicht in Ausbildung befand, bestand für diese Zeit kein Anspruch auf Kindergeld.

Kein Billigkeitserlass bei Pflichtverletzung

Als die Familienkasse nachträglich von der Unterbrechung erfuhr, forderte sie insgesamt 1.226 Euro zurück – für die Monate, in denen das Kindergeld zu Unrecht gezahlt wurde. Die Frau beantragte einen Erlass aus Billigkeitsgründen mit dem Hinweis, dass das Geld bereits auf ihre Bürgergeld-Leistungen (seinerzeit noch Hartz IV genannt) angerechnet worden sei.

Doch der BFH lehnte das ab. Die Begründung: Die Klägerin habe ihre Mitwirkungspflichten verletzt, indem sie die Unterbrechung der Ausbildung nicht gemeldet habe. Es sei ihre Verantwortung gewesen, die Familienkasse über die veränderten Umstände zu informieren. Die Richter stellten zudem klar: Ein Billigkeitserlass ist nicht nur deshalb gerechtfertigt, weil das Kindergeld bereits leistungsmindernd auf Sozialleistungen angerechnet wurde.

Bürgergeld-Bezieher sollten sofort handeln

Bei jeder Veränderung in der Ausbildung oder beim Arbeitslosigkeitsstatus eines volljährigen Kindes sollte umgehend geprüft werden, ob der Kindergeldanspruch weiterhin besteht. Falls nicht, muss sofort – schriftlich und möglichst mit Nachweis – die Familienkasse und das Jobcenter informiert werden. Denn, wird die Mitteilung versäumt, zahlt die Familienkasse weiterhin Kindergeld, und das Jobcenter rechnet dieses auf das Bürgergeld an.

Kommt es später zu einer Rückforderung durch die Familienkasse, bleibt man auf der Rückzahlung sitzen. Ein Erlass aus Kulanz (Billigkeitserlass) ist laut BFH ausgeschlossen. Eine Erstattung des bereits angerechneten Betrags durch das Jobcenter erfolgt auch nicht.

Fallbeispiel: Fehler kostet 1.440 Euro

Sandra (42) lebt mit ihrer Tochter Leonie (19) in einer kleinen Wohnung in NRW und bezieht Bürgergeld. Leonie ist in schulischer Ausbildung, weshalb Sandra trotz Volljährigkeit weiterhin Kindergeld für sie bekommt – seit Januar 2025 sind es 255 Euro monatlich. Das Jobcenter rechnet davon regelmäßig 225 Euro auf das Bürgergeld an – der Rest, also 30 Euro, gilt als Freibetrag und bleibt anrechnungsfrei (sog. Versicherungspauschale, § 6 Bürgergeld-Verordnung).

Im Februar bricht Leonie plötzlich ihre Ausbildung ab, meldet es aber weder der Familienkasse noch dem Jobcenter. Das Kindergeld wird weiterhin gezahlt, das Jobcenter rechnet es wie gewohnt an. Erst im Mai erfährt die Familienkasse vom Ausbildungsabbruch und fordert das Kindergeld für Februar bis April (3 × 255 Euro = 765 Euro) zurück. Gleichzeitig wurden 675 Euro (3 × 225 Euro) Kindergeldzahlung bereits vom Jobcenter mit Leonies Bedarf verrechnet – eine Erstattung dafür gibt es nicht. So setzt such Sandras Verlust zusammen:

765 Euro Rückforderung der Familienkasse
+ 675 Euro vom Jobcenter einbehaltene Verrechnung
= 1.440 Euro Gesamtverlust

Die Anrechnung des Kindergeldes erfolgt ausschließlich im Monat des Zuflusses. Das bedeutet: Rückforderungen durch die Familienkasse führen zwangsläufig zu Verlusten, wenn keine rechtzeitige Mitteilung erfolgt. Daher der dringende Rat: Kindergeldanspruch regelmäßig überprüfen und bei Änderungen sofort handeln.

Titelbild: BearFotos / shutterstock

Peter Piekarz

Peter Piekarz

Artikel von Peter PiekarzAutorenbeiträge anzeigen