Als Sanktionen bezeichnet man die Leistungsminderungen beim Bürgergeld, die Jobcenter gegen Hilfebedürftige verhängen können, wenn diese gegen Mitwirkungspflichten verstoßen. Dabei kann es sich beispielsweise um Meldeversäumnisse handeln oder Verstöße gegen den Kooperationsplan.
Wichtig: Die Bürgergeld Sanktionen dürfen nur den Regelbedarf desjenigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mindern, der den Verstoß begangen hat. Andere Leistungen wie Mehrbedarfe, Kosten der Unterkunft und Heizung, Krankenversicherung dürfen nicht gemindert werden. Dies gilt auch für die neu eingeführten Totalsanktionen ab 28.03.2024 – die 100% Leistungsminderung bezieht sich ausschließlich auf den Regelbedarf.
Ebenso dürfen weitere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für die Verstöße eines anderen Mitglieds belangt werden.
Inhaltsverzeichnis
Höhe der Bürgergeld Sanktionen
Mit dem Bürgergeld wurden 2023 die Sanktionen wieder ins Leben gerufen, nachdem noch beim Vorgänger Hartz IV aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Sanktionsmoratorium herrschte. Allerdings wurden diese zunächst auf höchstens 30 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs begrenzt – zumindest galt diese Regelung bis 27.03.2024. Folglich haben die Jobcenter die Möglichkeit den Regelbedarf gestaffelt zu mindern, je nach Anzahl der Pflichtverstöße innerhalb der letzten zwölf Monate:
- Erster Verstoß: 10% für einen Monat
- Zweiter Verstoß: 20% für zwei Monate
- Dritter Verstoß: 30% für drei Monate
Seit Ende 28. März 2024 Vollsanktionen
Mit dem zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 der Ampel-Regierung wurden die Leistungsminderungen weiter verschärft, um – wie es aus Regierungskreisen hieß – „Totalverweigerern“ Herr zu werden. Seit dem 28.03.3024 können Jobcenter nun auch Totalsanktionen verhängen, was bedeutet, dass der Regelbedarf vollständig (100%) für einen Zeitraum von zwei Monaten gestrichen werden kann. Hierfür wurde in § 31 Abs. 7 SGB II neu angefügt.
Diese Regelung hat der Gesetzgeber zunächst auf zwei Jahre begrenzt. Auf die Totalsanktionen gehen wir in diesem Artikel weiter unten ausführlich ein – die Hürden für einen vollständigen Entzug der Regelleistung sind allerdings dermaßen hoch, dass – zumindest nach der aktuellen gesetzlichen Regelung – Jobcenter kaum in der Lage sein werden, Totalsanktionen für den vollen Minderungszeitraum durchzusetzen.
Konkret bedeutet das, dass Bürgergeld Bedürftige, die bereits innerhalb des letzten Jahres eine teilweise Leistungsminderung wegen der Weigerung zur Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, Ausbildung oder geförderten Arbeitsverhältnisses erhalten haben, mit einem vollständigen Entzug des Regelbedarfs rechnen müssen. Diese Vollsanktion könnte dann nämlich durchgesetzt werden, wenn man ein konkretes und zumutbares Arbeitsangebot verweigert oder nicht antritt. Dabei muss es sich ausdrücklich um ein konkretes Arbeitsangebot handeln, beispielsweise die Weigerung zu einer Unterschrift in einem Arbeitsvertrag. Die Vollsanktion muss allerdings wieder aufgehoben werden, wenn das konktrete Arbeitsangebot nicht mehr besteht.
Gründe für Sanktionen im Bürgergeld Bezug
Sanktionen treten dann in Kraft, wenn erwerbsfähige Bürgergeld Empfänger ihre Mitwirkungspflichten gegenüber dem Jobcenter nicht erfüllen. Diese Pflichten zielen darauf ab, die Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern und wirtschaftliches Verhalten zu sichern. Im Folgenden Gründe für Bürgergeld Sanktionen:
- Meldeversäumnisse: Wenn Leistungsberechtigte eine Meldeaufforderung des Jobcenters nicht befolgen, gilt dies als Meldeversäumnis. Diese Meldeaufforderungen können verschieden sein, beispielsweise kann die Person aufgefordert werden, sich persönlich beim Jobcenter zu melden oder an einem festgelegten Termin bei einem Arzt oder Psychologen zu erscheinen. Meldeversäumnisse machen nach den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit den größten Anteil an Pflichtverletzungen aus.
- Weigerung zum Abschluss einen Kooperationsplans oder Erfüllung der Pflichten aus diesem. Zwar hieß es im Vorfeld, der Kooperationsplan nach § 15 SGB II sei freiwillig, dies gilt allerdings nur so lange, wie man einen abschließt und sich auch an die Vereinbarungen hält. Weigert man sich, kann zunächst das Schlichtungsverfahren durchgeführt werden. Kommt kein Kooperationsplan zustande, kann das Jobcenter diesen auch als Bescheid mit Rechtsbehelf erlassen, was die Pforten für Sanktionen öffnet.
- Ablehnung von Arbeit, Ausbildung oder geförderten Arbeitsverhältnissen: Weigert sich der Leistungsberechtigte eine ihm angebotene Arbeit, Ausbildung oder ein speziell für Langzeitarbeitslose gefördertes Arbeitsverhältnis anzunehmen oder fortzuführen, gilt dies als Pflichtverletzung. Diese Arbeit muss für die Person zumutbar sein, das heißt, sie sollte unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und Umstände machbar sein.
- Nichtteilnahme an Eingliederungsmaßnahmen: Wenn der Leistungsempfänger sich weigert an Maßnahmen teilzunehmen, die dazu dienen, ihn in den Arbeitsmarkt einzugliedern, oder wenn er eine solche Maßnahme beginnt und dann abbricht oder den Abbruch verursacht, verstößt er ebenfalls gegen seine Pflichten. Diese Maßnahmen sind in der Regel darauf ausgelegt, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.
- Verminderung von Einkommen oder Vermögen: Eine Pflichtverletzung liegt (nur bei Personen ab 18 Jahren) auch vor, wenn jemand vorsätzlich sein Einkommen oder Vermögen reduziert, um die Voraussetzungen für den Bezug oder eine Erhöhung von Bürgergeld zu schaffen. Das bedeutet, dass die Person versucht ärmer zu erscheinen, um mehr finanzielle Unterstützung zu erhalten.
- Fortsetzung unwirtschaftlichen Verhaltens: Wenn eine Person trotz vorheriger Belehrung über die Rechtsfolgen weiterhin in einer Weise handelt, die als unwirtschaftlich angesehen wird, begeht sie eine Pflichtverletzung. Unwirtschaftliches Verhalten könnte beispielsweise sein, wenn jemand sein Geld für unangemessene oder nicht notwendige Dinge ausgibt, anstatt es für Grundbedürfnisse zu verwenden.
- Probleme mit dem Arbeitslosengeld: Wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, wie zum Beispiel wegen einer vom Arbeitsamt festgestellten Sperrzeit, wird dies auch als Pflichtverletzung betrachtet. Eine Arbeitslosengeld Sperrzeit tritt ein, wenn die Person zum Beispiel eine zumutbare Arbeit ohne triftigen Grund ablehnt oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis selbstverschuldet beendet wird.
Keine Sanktion ohne Kenntnis der Rechtsfolgen
Das Jobcenter darf Sanktionen nur dann verhängen, wenn die betroffene Person im Vorfeld schriftlich über die Rechtsfolgen belehrt wurde oder Kenntnis von den Rechtsfolgen hatte. Die Rechtsfolgenbelehrung muss dabei eindeutig, verständlich und umfassend über die Konsequenzen informieren. Die bloße Aushändigung eines allgemeinen Informationsblattes genügt nicht. Ebenso muss der Hilfebedürftige vor Erlass einen Sanktionsbescheides gehört werden, um eventuell auch gewichtige Gründe vorbringen zu können, die die Leistungsminderungen nicht rechtfertigen würden.
Gab es in der jüngeren Vergangenheit bereits Leistungsminderungen wegen ähnlicher Pflichtverletzungen, kann das Jobcenter davon ausgehen, dass die betroffene Person sich den Folgen ihres Handelns bewusst ist, also Kenntnis von den Rechtsfolgen hat.
Höhe und Dauer der Bürgergeld Sanktionen
Die Sanktionen im Bürgergeld Bezug sind gestaffelt nach Anzahl der Pflichtverletzungen.
- 10% Kürzung des Regelsatzes für 1 Monat bei der ersten Pflichtverletzung
- 20% des Regelsatzes für 2 Monate bei einer weiteren Pflichtverletzung
- 30% des Regelbedarfs für 3 Monate jede weitere Pflichtverletzung
Ausgehend vom derzeitigen Regelbedarf in der Regelbedarfsstufe 1 liegt die Höchstgrenze einer Bürgergeld Sanktion bei 168,90 Euro (30% von 563 Euro) für Alleinstehende. Sollte es zu einer Vollsanktion kommen, nach bereits erfolgter Leistungsminderung ein konkrete und zumutbare Arbeit nicht angenommen wurde, können für bis zu zwei Monate in Folge jeweils volle 563 Euro Regelbedarf gestrichen werden.
Als „weitere“ Pflichtverletzung gilt ein Verstoß, wenn die letzte Sanktion weniger als ein Jahr zurückliegt. Wenn also innerhalb eines Jahres seit der letzten Sanktion keine weitere Pflichtverletzung vorliegt, wird die nächste Leistungsminderung wieder als „Erstvergehen“ behandelt und der Regelsatz entsprechend „nur“ um 10% gekürzt.
Theoretisch keine 100% Sanktionen mehr
Aber: Werden Leistungen aber erst gar nicht bewilligt, weil beim Bürgergeld Antrag Unterlagen fehlen oder Auskünfte nicht erteilt werden können, kommt das einer Totalsanktion gleich.
Selbst bei den neuen Vollsanktionen ab 2024 handelt es sich nicht um 100% Leistungsminderung, die sich auf den gesamten Bürgergeld Bedarf beziehen. Mit dem neuen § 31 Abs. 7 SGB II wurde die Möglichkeit eingeführt, den Regelbedarf zu 100% für einen Zeitraum bis zu zwei Monaten zu entziehen. Leistungen für Unterkunft sowie Mehrbedarfe etc. müssen weiterhin vom Jobcenter erbracht werden. ebenso bleiben Hilfebedürftige weiterhin krankenversichert.
Beginn und Dauer der Sanktionen
Die Auszahlung wird mit Beginn des Folgemonats nach Zugang des Sanktionsbescheides gekürzt. Die Dauer der Kürzung hängt von der Anzahl der Pflichtverstöße in den letzten zwölf Monaten ab und beträgt mindestens einen Monat und höchstens drei Monate (ab dem 3. Verstoß). Die Kürzung muss allerdings wieder – frühestens nach Ablauf eines Monats – wieder aufgehoben werden, wenn er Hilfebedürftige seinen Pflichten wieder nachkommt oder signalisiert, dass er diesen nachkommen will.
Bei den neuen Vollsanktionen nach § 31 Abs. 7 SGB II gilt ein Zeitraum von bis zu zwei Monaten ab dem zweiten Pflichtverstoß, der auf einer Ablehnung eines konkreten und zumutbaren Arbeitsangebotes basiert. die vollständige Kürzung des Regelbedarfs muss allerdings wieder aufgehoben werden, wenn das konkrete Arbeitsangebot nicht mehr vorliegt.
Rückwirkende Sanktionen möglich
Bis zu sechs Monate ab dem Zeitpunkt einer Pflichtverletzung kann das Jobcenter Leistungsminderungen verhängen. Somit sind Sanktionen rückwirkend für ein halbes Jahr zulässig.
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