Bei Bürgergeld Hilfebedürftigen spricht man immer von einer Bedarfsgemeinschaft (BG), so kann es sowohl eine Single-BG geben als auch Gemeinschaften von mehreren Personen im selben Haushalt, die mit mindestens einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zusammenleben und den Haushalt wirtschaftlich gemeinsam betreiben und auch finanziell füreinander einstehen – sei es durch eine Partnerschaft oder unterhaltsrechtliche Verpflichtungen.
Im Regelfall bilden Familien wie Ehepartner bzw. Lebenspartner oder Eltern mit ihren Kindern eine Bedarfsgemeinschaft. Entscheidend ist, dass eine Bedarfsgemeinschaft beim Bürgergeld immer als eine Gemeinschaft gesehen wird, dies gilt sowohl für die Bedarfsermittlung als auch die Anrechnung von Einkommen und Vermögen. Zudem ist die Anzahl der Hilfebedürftigen in der Bedarfsgemeinschaft relevant für die Kosten der Unterkunft und Heizung, da die Angemessenheitsgrenzen in den örtlichen Richtlinien der Jobcenter je nach Größe der BG variieren.
Für jede Bedarfsgemeinschaft – unabhängig der Anzahl der Mitglieder – vergibt das Jobcenter beim Antrag eine BG-Nummer, welche eine Art Kundennummer ist, die allen Korespondenzen und Bescheiden des Leistungsträgers zu entnehmen ist.
Die Bundesagentur für Arbeit unterscheidet Bedarfsgemeinschaften in folgende Kategorien:
- Single-BG
- Alleinerziehende-BG
- Partner-BG ohne Kinder
- Partner-BG mit Kindern
Nach den im Januar 2024 abgerufenen offiziellen Statistiken gibt es fast 2,9 Millionen Bedarfsgemeinschaften, die insgesamt 5,74 Millionen Mitglieder umfassen.
Eine bloße Wohngemeinschaft, in der man sich lediglich die Wohnung teilt, nicht aber finanziell füreinander einsteht und auch nicht gemeinsam wirtschaftet und haushaltet, ist keine Bedarfsgemeinschaft.
Inhaltsverzeichnis
Bedarfsermittlung in der Bedarfsgemeinschaft
Die Bedarfsgemeinschaft hat großen Einfluss auf die Berechnung des Bürgergeld Bedarfs und auch Auszahlung der Leistung. Um den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln, wird für jedes Mitglied gesondert der individuelle Bedarf anhand der Regelbedarfsstufen sowie eventuellen Mehrbedarfen ermittelt, wovon anschließend vorhandendes Einkommen und Vermögen unter Berücksichtigung von Freibeträgen abgezogen wird.
Mit unserem Bürgergeld Rechner können Sie die Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft berechnen.
Wann liegt eine Bedarfsgemeinschaft vor?
Für den Fall, dass Sie seit länger als einem Jahr mit einem Partner zusammenleben oder mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, oder Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen, oder Einkommens- oder Vermögensbefugnisse des anderen innehaben, wird automatisch das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft vermutet. Den Nachweis, dass diese Vermutung unzutreffend ist, hat der Betroffene zu führen.
Wichtig: Lebt man mit einem Partner bzw. Partnerin länger als zwölf Monate zusammen, so geht das Jobcenter von einer Bedarfsgemeinschaft aus – dies gilt auch ohne Heirat bzw. Lebenspartnerschaft. Das Jobcenter unterstellt in diesem Fall, dass die Partner füreinander einstehen und einen gemeinsamen Haushalt führen, mit allen finanziellen Folgen wie bspw. der Einkommensanrechnung.
Grundsätzlich ist es aber von der Seite des Gesetzgeber so, dass keine Unterhaltspflicht bei Unverheirateten besteht. Somit kann nicht gleich davon ausgegangen werden, dass der eine Bewohner den anderen unterstützt.
Hinweis: Ein Zeitraum von einem Jahr ist nicht repräsentativ. So sollte man sich, wenn reell keine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, auch gegen diese Vermutung wehren. Dies erfolgt am besten mit dem Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid und wenn das nicht hilft, dann bleibt nur noch der Weg vor das Sozialgericht.
Wann liegt keine Bedarfsgemeinschaft vor?
Eine Bedarfsgemeinschaft liegt auch bei Bewohnern der selben Wohnung nicht vor, wenn eine getrennte Haushaltsführung gegeben ist. Danach muss jeder für sich selbst einkaufen und kochen, seine Wäsche selbst waschen, es darf kein gemeinsam angeschaffter Hausrat (Möbel und Haushaltsgegenstände) vorhanden sein und jeder muss sein Leben im Wesentlichen ohne Rücksicht auf den anderen gestalten.
Regelsatz bei Bedarfsgemeinschaften
Bei einer Bedarfsgemeinschaft, die aus volljährigen Partnern besteht, wird pro Person ein Regelsatz von 506 Euro vom Jobcenter in der Regelbedarfsstufe 2 gezahlt. Dies ergibt sich aus 90 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 – in Summe also 1.012 Euro).
Bedarf | Bürgergeld bis 2023 | Bürgergeld ab 2024 |
---|---|---|
Regelbedarf für Alleinstehende/ Alleinerziehende (Regelbedarfsstufe 1) | 502 € | 563 € |
Volljährige Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft (Regelbedarfsstufe 2) | 451 € | 506 € |
Erwachsene Behinderte in stationären Einrichtungen (Regelbedarfsstufe 3) | 402 € | 451 € |
RL unter 25-Jährige im Haushalt der Eltern (Regelbedarfsstufe 3) | 402 € | 451 € |
Kinder 14 bis 17 Jahre (Regelbedarfsstufe 4) | 420 € | 471 € |
Kinder von 6 bis 13 Jahre (Regelbedarfsstufe 5) | 348 € | 390 € |
Kinder 0 bis 5 Jahre (Regelbedarfsstufe 6) | 318 € | 357 € |
Bei der Ermittlung des Gesamtbedarfs werden alle Regelsätze, Mehrbedarfe sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung summiert.
Wie bei der Ermittlung des Bedarfs aus dem Einkommen für einen einzelnen Leistungsbezieher werden auch bei der Ermittlung des Bürgergeld Bedarfs für eine Bedarfsgemeinschaft bestimmte Freibeträge berücksichtigt, die nicht auf das Einkommen angerechnet werden. Ebenso werden gewisse Freibeträge aus dem Vermögen berücksichtigt, die anrechnungsfrei bleiben.
Mehrbedarfe zusätzlich zur Regelleistung
Zusätzlich stehen jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft auf Antrag auch sämtliche Mehrbedarfe zur Verfügung, sofern die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden. Das wären bspw. Mehrbedarf bei Schwangerschaft, Mehrbedarfs für alleinerziehende Elternteile, Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung etc. – der Warmwasser Mehrbedarf wird anteilsmäßig pro Kopf gezahlt.
Wer gehört zur Bedarfsgemeinschaft
- Erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (Antragsteller)
- Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner (sofern nicht dauernd getrennt lebend) des Antragstellers
- eine Person (ohne rechtliche Bindung wie Heirat) die im Haushalt des Antragstellers lebt und bei der nach verständiger Würdigung von einem wechselseitigen Willen davon auszugehen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen und gemeinsam zu wirtschaften
- eigene Kinder im Haushalt sowie Kinder des Partners (wenn noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, ohne Einkommen und Vermögen und unverheiratet)
- Eltern im Haushalt des Kindes (Antragstellers), welches noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und unverheiratet und erwerbsfähig ist. Hierzu zählt auch der Partner eines Elternteils
Bedarfsgemeinschaft bei Vielehen
Nach islamischem Recht darf ein Ehemann zwar Vielehen mit bis zu vier Ehefrauen eingehen, nach deutschem Recht kann jedoch nur eine Person als Partner in einer Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden. Die weiteren Ehefrauen dürfen auch nicht unter einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft geführt werden, da das Gesetz nur eine eingetragene Partnerschaft zulässt.
Das bedeutet, die erste Ehefrau wird in die Bedarfsgemeinschaft eingerechnet. Zusammen mit dem Ehemann stehen der Bedarfsgemeinschaft nun 1.012 Euro monatlich zu. Die „nicht anerkannten Partnerinnen“ (zweite, dritte, vierte Ehefrau) bilden je eine eigene Bedarfsgemeinschaft und erhalten jeweils den vollen Bürgergeld Regelsatz i. H. v. 563 Euro innerhalb der aus mehreren Bedarfsgemeinschaften bestehenden Haushaltsgemeinschaft.
Bedarfsgemeinschaft bei Kinderehen – minderjährige Ehepartner
Normalerweise bilden verheiratete Partner zusammen eine Bedarfsgemeinschaft. Bei minderjährigen Ehepartnern sieht die Situation jedoch anders aus: Minderjährige unter 16 Jahren können nach deutschem Recht gar keine Ehe eingehen. Die Ehe ist also von Beginn an laut Gesetz unwirksam. Aus diesem Grund liegt bei minderjährigen Eheleuten unter 16 Jahren auch keine Partnerschaft im rechtlichen Sinne vor, die als Bedarfsgemeinschaft angesehen werden könnte.
Dennoch: Auch, wenn die minderjährigen Eheleute keine Bedarfsgemeinschaft bilden, erhalten beide Partner – genau wie Eheleute – jeweils nur 90% des Regelsatzes, da davon ausgegangen wird, dass die Partner füreinander einstehen und Sorge tragen.
Anders verhält es sich bei minderjährigen Eheleuten zwischen 17 bis 18 Jahren. Auch diese Personen dürfen laut Gesetz keine Ehe eingehen. Die Ehe bleibt jedoch so lange wirksam, bis sie von einem Richter für unwirksam erklärt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Minderjährigen als Partner in einer Bedarfsgemeinschaft angesehen werden.
Wer gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft?
Welche Personen zur Bedarfsgemeinschaft gehören, schreibt § 7 Abs. 3 SGB II vor. Demzufolge gehören alle dort nicht genannten Personen nicht zur Bedarfsgemeinschaft, darunter fallen:
- Kinder ab 25 Jahren
- Kinder bis 25 Jahren
- die eigene Kinder versorgen
- die verheiratet sind oder in einer Verantwortungsgemeinschaft leben
- die aufgrund von Einkommen und Vermögen keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten
- Großeltern und Enkel
- Pflegekinder und Pflegeeltern
- Geschwister (die ohne Eltern zusammenleben)
- Onkel und Tanten/ Nichten und Neffen
- Verschwägerte und sonstige Verwandte
- Mitglieder einer Wohngemeinschaft (WG)
Da diese Personen nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, bilden sie alle zusammen eine Haushaltsgemeinschaft. Diese einzelnen Personen können wiederum bei Bedürftigkeit auch eine eigene Bedarfsgemeinschaft innerhalb der Haushaltsgemeinschaft bilden – so kann es auch passieren, dass innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft mehrere Bedarfsgemeinschaften existieren.
Übergang von Bedarfsgemeinschaft in Haushaltsgemeinschaft
Beispiel: Vollendet der Sohn, der bei seinen Eltern lebt das 25. Lebensjahr, so scheidet er automatisch aus der gemeinsamen Bedarfsgemeinschaft aus. Er selbst bildet dann – bei Bedürftigkeit – eine eigene Bürgergeld Bedarfsgemeinschaft innerhalb der Haushaltsgemeinschaft mit seinen Eltern.
Folgen einer Bedarfsgemeinschaft
Dass der Regelsatz in einer Bedarfsgemeinschaft geringer ist, ist eine Sache. Der andere Punkt ist aber, wie bereits oben geschrieben, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass in der Bedarfsgemeinschaft untereinander Unterhalt geleistet wird.
So wird also nicht nur das Einkommen des Antragstellers berücksichtigt, sondern das gesamte Einkommen in der Bedarfsgemeinschaft, was zu erheblichen Leistungskürzungen führen kann. Einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch bei nicht verheirateten Personen gibt es aber nicht.
Tipp: Aus diesem Grund sollte der Antragsteller den Mitbewohner/ Mitbewohnerin in der Bedarfsgemeinschaft nicht als Partner in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft im Antrag eintragen sondern als Mitbewohner/ Untermieter.
Temporäre Bedarfsgemeinschaft
Eine temporäre Bedarfsgemeinschaft liegt vor, wenn die Eltern eines Kindes getrennt leben und sich das Kind gelegentlich bei dem anderen Elternteil aufhält, bei dem es nicht wohnt, z.B. im Rahmen des üblichen Umgangsrechts.
Ist dieser Elternteil in Bezug von Bürgergeld, so kann er für jeden Tag, an dem sich das Kind mehr als 12 Stunden bei ihm aufhält, auf Antrag anteilig pro Tag 1/30 des Regelsatzes erhalten. Hierzu erging auch schon ein Urteil des Bundessozialgerichts: Az. B 14 AS 50/12 R.
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