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Bürgergeld: Darf das Jobcenter Steuerklassenwechsel fordern?

Formulare Einkommensteuererklärung Steuerklassenwechsel

Ein Wechsel der Steuerklassen ist bei verheirateten oder in Lebenspartnerschaft lebenden Paaren möglich. Dabei sind nur die Steuerklassen-Kombinationen 4/4 und 3/5 entscheidend, da diese wesentlichen Einfluss auf das monatliche Nettoeinkommen haben. Bei Paaren, bei denen zumindest ein Partner als Angestellter erwerbstätig ist, kann das Jobcenter die Hilfebedürftigen auffordern, von den Regelsteuerklassen 4/4 auf 3/5 zu wechseln, wenn dadurch das monatliche Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft erhöht und somit die Hilfebedürftigkeit reduziert wird.

Müssen Bürgergeld Bedürftige Steuern zahlen?

Grundsätzlich ist das Bürgergeld eine steuerfreie Sozialleistung die zudem in Höhe dem Existenzminimum und damit dem steuerlichen Grundfreibetrag entspricht, so dass hier keine Steuern anfallen. Allerdings gehen sehr viele Bürgergeld Bedürftige einer Erwerbstätigkeit nach (sog. Aufstocker), so dass für dieses Einkommen Steuern anfallen können. Ausgenommen ist hier der Minijob, der pauschal über den Arbeitgeber versteuert wird.

Bürgergeld und Nebenjob – so viel bleibt vom Zuverdienst

Welche Steuerklasse bei Bürgergeld?

Grundsätzlich setzt das Jobcenter für Ehepaare die Steuerklasse an, die zu Anfang des entsprechenden Jahres für den Leistungsbezieher galt – entweder wird dies 4/4 oder 3/5 sein. Singles bzw. alleinstehende Bürgergeld Empfänger sind in Steuerklasse 1 eingestuft und Alleinerziehende in Steuerklasse 2.

Steuerklassenkombinationen für Ehepaare

Nach einer Heirat werden Ehepartner automatisch von Steuerklassen 1 und 1 in die Steuerklassen 4/4 verlegt. Danach steht Ihnen grundsätzlich ein Wechsel in eine von zwei weiteren Steuerklassenkombinationen zu.

  • Steuerklasse 4 und 4
    Berufstätige Ehepaare mit ähnlich hohen Einkommen bleiben meist in dieser Steuerklassen-Konstellation, da der Steuerabzug verhältnismäßig gleich ist.
  • Steuerklasse 3 und 5 bzw. umgekehrt
    In Ehen mit einem Geringverdiener (Steuerklasse 5) und einem Besserverdiener (Steuerklasse 3) wird diese Kombination gerne gewählt. Das Nettoeinkommen des Partners mit Steuerklasse 5 ist zwar geringer als mit Steuerklasse 4, jedoch ist das Nettoeinkommen des Partners mit der Steuerklasse 3 so hoch, dass das monatliche Gesamteinkommen der Familie insgesamt höher ausfällt als in jeglicher anderer Kombination.

Wichtig: Sobald eines der Haushaltsmitglieder Bürgergeld bezieht, gilt der gemeinsame Haushalt als Bedarfsgemeinschaft. Ab diesem Zeitpunkt ist der Bürgergeld Bedarf vom gesamten familiären Einkommen abhängig. Aus diesem Grund haben die Steuerklassen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Bürgergeld Bezüge, da sie Auswirkungen auf die Höhe des Nettoeinkommens aus Erwerbstätigkeit und somit auch auf das anrechenbare Einkommen haben.

Jobcenter fordert Wechsel der Steuerklasse

Das Jobcenter fordert von Ehepaaren mit mindestens einem abhängig beschäftigten Partner regelmäßig zum Wechsel der Steuerklasse auf, wenn dadurch ein höheres Nettoeinkommen zustande kommen würde.

Häufig wird der Wechsel aus Steuerklasse 4/4 in 3/5 gefordert, womit das Nettoeinkommen des angestellten Ehepartners erhöht wird. Da in einer Bedarfsgemeinschaft der Bürgergeld Bedarf allerdings dem Gesamteinkommen aller Mitglieder gegenüber gestellt wird, muss das Jobcenter bei einem höheren Einkommen weniger Leistungen zahlen und spart durch den Steuerklassenwechsel Geld ein.

Beispiel: Ehepaar, 1 Ehepartner arbeitet

  • Bruttoeinkommen 2.200 Euro
    • Nettoeinkommen bei Steuerklassen 4/4: 1.590 Euro
    • Nettoeinkommen bei Steuerklassen 3/5: 1.737 Euro
    • Differenz monatlich: 147 Euro

Diese 147 Euro aus dem Beispiel würden voll auf das Bürgergeld angerechnet, da es oberhalb von 1.500 Euro keinen Freibetrag auf Einkommen mehr gibt. Somit würde sich das Jobcenter bei diesem Beispielpaar monatlich 147 Euro bzw. 1.764 Euro Leistungen im Jahr sparen. Für Bürgergeld Bedürftige hingegen ist ein Steuerklassenwechsel rein rechnerisch eine Nullnummer.

Aufforderung zum Wechsel der Steuerklasse zulässig?

Ja, denn der Grundsatz des Forderns nach § 2 SGB II

„verpflichtet die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dazu, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, insbesondere um ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten zu können.“ 

Weiter heißt es, dass ein Lohnsteuerklassenwechsel eine „zumutbare Selbsthilfemöglichkeit“ sei. Die Aufforderung zum Steuerklassenwechsel sei demnach annehmbar, wenn sich durch den Wechsel ein höheres Einkommen ergibt und das Jobcenter dadurch die Höhe der zu zahlenden Leistungen mindern kann.

Aufforderung nicht nachkommen?

Das Jobcenter kann zwar zulässigerweise Hilfebedürftige auffordern, einen Wechsel der Steuerklassen vorzunehmen – da es faktisch die Hilfebedürftigkeit reduziert, wenn der Bedarfsgemeinschaft ein höheres Nettoeinkommen zur Verfügung steht. Kommt man der Aufforderung allerdings nicht nach, kann das Jobcenter nicht einfach das Nettoeinkommen heranziehen, welches sich bei der Wahl der günstigeren Steuerklasse ergeben würde.

Wechselt man die Steuerklassen nicht, darf das Jobcenter also kein fiktives Einkommen bei der Bürgergeld Berechnung zugrunde legen, da es den Hilfebedürftigen nicht als bereites Mittel zur Verfügung steht. Dies war zwar vor einigen Jahren noch Praxis, wurde aber mittlerweile auch von Sozialgerichten überholt. Auch die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit stellen klar, dass eine fiktive Anrechnung von Einkommen unzulässig sei.

Da also vom Jobcenter keine Handhabe zu einem Steuerklassenwechsel besteht, wird es beim Hilfebedürftigen anprangern, durch die Weigerung zum Steuerklassenwechsel selbst die Hilfebedürftigkeit herbeigeführt oder zumindest nicht reduziert zu haben. Daraus können dann Reduzierungen der Leistungen folgen, nur eben unter einem anderen Vorwand.

Ausgleich durch Steuerrückzahlung möglich?

Nein, der angestellte Ehegatte oder Lebenspartner kann zu viel gezahlte Einkommenssteuer über den Jahressteuerausgleich zwar zurückholen, jedoch würde die Steuerrückzahlung als einmalige Einnahme auf das Bürgergeld angerechnet werden. Das Resultat: Weniger Bürgergeld. Selbst das Bundesverfassungsgericht hält die Anrechnung der Steuererstattung auf laufende Zahlungen der Grundsicherung nach SGB II für nicht verfassungswidrig (Az.: 1 BvR 2007/11).

Steuererstattung wird auf Bürgergeld angerechnet

Freiwillig Steuerklasse bei Bürgergeld wechseln

Ein freiwilliger Wechsel der Steuerklasse ist möglich. Wenn Sie und ihr Partner die Steuerklassen wechseln, muss dieses beim Jobcenter gemeldet werden – zumal es sich aus der Gehaltsabrechnung ergeben würde. Allerdings muss der Wechsel zweckmäßig sein und den geringstmöglichen gemeinsamen Steuerabzug zur Folge haben.

Risiken der Steuerklasse 3 und 5

Ein Wechsel der Steuerklasse hat für Bürgergeld Bedürftige kaum bis gar keine finanziellen Vorteile, weil entweder das Jobcenter zahlt oder man mehr Netto hat und schlussendlich nur weniger an das Finanzamt zahlen muss. Ergibt sich aber bei dieser Konstellation der Steuerklassen für das Ehepaar eine Nachzahlung bei der Einkommensteuererklärung – was gar nicht so selten ist – müssen die Hilfebedürftigen diese selbst schultern. Eine Stuernachzalhung erhöht den Bürgergeld Bedarf nicht, wohingegen eine Steuererstattung, wie oben beschrieben, als einmalige Einnahme auf das Bürgergeld angerechnet wird.

Wie wechsle ich meine Steuerklasse?

Ob freiwillig oder vom Jobcenter gefordert, ist für den Steuerklassenwechsel das Finanzamt und nicht das Jobcenter zuständig. Der Wechsel der Steuerklasse ist für Ehepaare einmal jährlich per offiziellem Formular möglich. Der 30. November gilt als Stichtag.

Das entsprechende Formular erhalten Sie vor Ort bei ihrem zuständigen Finanzamt oder oft auch online zum Download auf der Internetseite der Behörde. Wichtig: Reichen Sie das Formular von beiden Ehepartnern oder Lebenspartnern unterschrieben beim Finanzamt ein. Folgende Angaben sind für den Wechsel der Steuerklasse verpflichtend:

  • Geburtsdatum
  • Name und Geburtsname
  • Familienstand
  • Wohnort
  • Steuer-Nummer
  • Umsatzsteuer-Identifikations-Nummer 
  • Gewünschte Steuerklassenkombination

Der Steuerklassenwechsel ist kostenlos.

Bild: Mehaniq/ shuttersock.com