Die Eingliederungsvereinbarung (EGV) ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Jobcenter und dem Bürgergeld Leistungsempfänger, der auf sechs Monate geschlossen werden soll. Die EGV ist freiwillig und erlangt zunächst nur Gültigkeit, wenn sie von beiden Parteien unterschrieben wird. Die Regelungen selbst dazu wurden im § 15 SGB II aufgenommen.
WICHTIG: Das Jobcenter kann den Leistungsempfänger nicht dazu zwingen, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, auch wenn die Sachbearbeiter gerne Druck auf Hilfebedürftige ausüben, indem sie mit Bürgergeld Sanktionen oder sogar dem kompletten Leistungsentzug drohen. Davon sollten sich Betroffene aber nicht beirren lassen, da Jobcenter nicht aufgrund von einer verweigerten (freiwilligen!) Unterschrift in der Eingliederungsvereinbarung Sanktionen verhängen können.
Inhaltsverzeichnis
Eingliederungsvereinbarung nicht sofort unterschreiben
Wie bei jedem normalen Vertrag auch sollte sich Zeit zur inhaltlichen Überprüfung genommen werden – das Recht hat jeder Arbeitssuchende. Ein nicht unterschriebenes Exemplar der EGV kann durchaus erst einmal mit nach Hause genommen werden. Zusätzlich empfiehlt es sich, die EGV von einer fachkundigen Stelle rechtlich prüfen zu lassen. Mögliche Anlaufstellen sind Anwälte, die auf Sozialrecht spezialisiert sind, oder Sozialberatungen. Auf keinen Fall sollte die EGV sofort beim Jobcenter unterschreiben werden; dann erlangt sie nämlich Rechtsgültigkeit und kann bei Verstößen gegen diese mit Sanktionen geahndet werden.
Mit Beistand zum Jobcenter
Wir raten zudem dazu, immer einen Beistand mit zum Jobcenter zu nehmen, der auch an den Gesprächen mit dem Sachbearbeiter teilnimmt und als Zeuge dienen kann.
Was regelt die Eingliederungsvereinbarung?
Von der Grundidee her ist die Eingliederungsvereinbarung eine Abmachung zwischen dem Leistungsbezieher und dem Jobcenter, in der beide Seiten gemeinsam festlegen, welche Ziele verfolgt werden sollen, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. Grundidee ist weiterhin, dass beide Seiten – Bürgergeld Empfänger sowie Jobcenter – etwas zum Erreichen dieser Ziele beitragen.
Realität sieht anders aus
Mit der Praxis hat das leider wenig zu tun: Meist ist in den EGV überwiegend von den Pflichten des Leistungsempfängers etwas zu lesen, nicht aber von denen des Jobcenters. Oftmals werden die „vereinbarten“ Pflichten dann auch übermäßig erhöht. So ist es beileibe keine Seltenheit, dass in den EGV 30 und mehr Bewerbungen vom Arbeitssuchenden nachweislich verlangt werden – pro Monat wohlgemerkt.
EGV als freiwillige Abmachung
Anders als ein Verwaltungsakt ist die EGV eine freiwillige Abmachung zwischen Bürgergeld Empfänger und Jobcenter. Das bedeutet, dass es nicht Sinn und Zweck einer EGV ist, nur Pflichten des Arbeitssuchenden dort aufzunehmen, die er im Rahmen seiner sogenannten Mitwirkungspflicht sowieso hat. Vielmehr sollte hier ein gemeinsames Ziel definiert und die Schritte dahingehend festgelegt werden.
Eingliederungsvereinbarung widerrufen?
Ist die Eingliederungsvereinbarung (öffentlich-rechtlicher Vertrag) erst einmal unterschrieben, ist diese für den Hilfebedürftigen und das Jobcenter für die nächsten sechs Monate bindend. Widerrufen kann man diese nicht mehr bzw. nur in den seltensten Fällen, wenn sich beispielsweise die Voraussetzungen so ändern, dass die Vereinbarungen aus der EGV nicht mehr erfüllbar sind.
Eingliederungsvereinbarung nicht unterschreiben?
Grundsätzlich kann das Jobcenter – wie bereits oben beschrieben – den Hilfebedürftigen nicht dazu zwingen eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Leistungsempfänger die Eingliederungsvereinbarung ablehnen kann. Die Ablehnung hätte aber zur Folge, dass das Jobcenter die ursprünglich angedachte Eingliederungsvereinbarung als ersetzenden Verwaltungsakt erlässt. Ein Ablehnen der freiwilligen EGV würde also die Verhandlungsposition des Betroffenen erheblich schwächen.
Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt
Naturgemäß geben sich Jobcenter nicht damit zufrieden, wenn die – freiwillige – Eingliederungsvereinbarung nicht unterschrieben wird. Verweigert der Leistungsempfänger die Unterschrift auf der EGV ohne wichtige Gründe, wird das Jobcenter einen entsprechenden Verwaltungsakt (Bescheid) erlassen. Anders als die Eingliederungsvereinbarung selbst, die von beiden Vertragsparteien als Zielvereinbarung mitgestaltet werden kann, erfolgt ein Verwaltungsakt einseitig durch das Jobcenter und ist zunächst bindend für den Bürgergeld Bezieher.
Kein Verhandlungsspielraum mehr
Erlässt das Jobcenter die Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt, ist der Zug in Punkto Verhandlungsspielraum abgefahren. Damit wird aus einer ursprünglich geplanten „Vereinbarung“ eine Verpflichtung, bei der der Bürgergeld Betroffene zunächst keine Änderungsmöglichkeiten und Anpassungen mehr hat. Der Bescheid ist ein Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt (einseitiger Eingliederungsverwaltungsakt) und verliert hierdurch den Charakter einer Vereinbarung, die zwischen zwei Parteien geschlossen wird.
Eingliederungsverwaltungsakt setzt Gespräche voraus
Der Verwaltungsakt setzt voraus, dass das Jobcenter im Vorfeld mit dem Betroffenen darüber gesprochen hat, dass der Leistungsträger eine beidseitige Eingliederungsvereinbarung anstrebt – im besten Fall schriftlich. Aus diesem Gespräch oder dem Schreiben des Jobcenters muss klar hervorgehen, dass es um eine Eingliederungsvereinbarung geht. Erst wenn Verhandlungen darüber scheitern oder der Bürgergeld Bedürftige eine Unterschrift verweigert, kann die Eingliederungsvereinbarung als einseitiger Eingliederungsverwaltungsakt erlassen werden.
Ohne Versuch der Eingliederungsvereinbarung ist der Verwaltungsakt rechtswidrig
Wurde der Betroffene hingegen nicht im Vorfeld darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Jobcenter mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung schließen möchte und wurden auch keine Gespräche über die einzelnen Positionen geführt, die in der Eingliederungsvereinbarung für beide Parteien verpflichtend aufgenommen werden, darf das Jobcenter keinen Verwaltungsakt erlassen. In einem solchen Fall wäre der Verwaltungsakt rechtswidrig, wie schon bereits mehrere Sozialgerichte festgestellt haben.
Widerspruch gegen den Verwaltungsakt
Der Bescheid muss zwingend über eine Rechtsbehelfsbelehrung verfügen, die auch auf die Widerspruchsfrist von einem Monat hinweist. Fehlt es an einer solchen Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Widerspruchsfrist ein Jahr. Gegen einen solchen Eingliederungsverwaltungsakt können die Rechtsmittel Widerspruch sowie Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden.
Allgemeine Tipps und Informationen dazu unter Bürgergeld Widerspruch und Klage gegen Jobcenter.
Einstweiliger Rechtsschutz
Einstweiliger Rechtsschutz wäre prinzipiell auch möglich. Allerdings hat hier beispielsweise das Sozialgericht Dortmund (Az.: S 35 AS 2893/14 ER) entschieden, dass die bloßen Mitwirkungspflichten und Eigenbemühungen weder eilbedürftig vor Gericht behandelt werden müssen, noch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung bedürfen.
Nur bei Kürzung des Existenzminimums
Lediglich bei einem Sanktionsbescheid, bei dem das Existenzminimum gekürzt wird, käme einstweiliger Rechtsschutz in Betracht. Allerdings ist dies nur eine gerichtliche Entscheidung auf unterste Ebene der Sozialgerichtsbarkeit und andere Gerichte können hier natürlich anders entscheiden.
Urteile zur Eingliederungsvereinbarung
Urteil vom 14.02.2013 BSG (Az.: B 14 AS 195/11 R): Das BSG entschied, dass die Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung eine Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten darf. Zusätzlich müsse das Jobcenter zumindest Gespräche mit dem Hartz IV Empfänger über die Eingliederungsvereinbarung führen. Erst wenn diese scheitern und der Leistungsempfänger die Unterschrift weiterhin verweigert, kann dieser per Verwaltungsakt zu den Eingliederungsmaßnahmen verpflichtet werden.
Beschluss vom 09.05.2016 LSG Rheinland-Pfalz (Az.: L 6 AS 181/16 B ER): Das LSG beschloss, dass das Jobcenter vor Erlass eines Verwaltungsaktes zumindest den Versuch unternehmen müsse, mit dem Arbeitssuchenden eine Vereinbarung zu schließen. Die Richter des LSG bezogen sich in ihrer Begründung auch auf das Urteil des BSG 14.02.2013 (B 14 AS 195/11 R).
Urteil vom 23.06.2016 BSG (Az.: B 14 AS 30/15 R): Das BSG hat entschieden, dass in Eingliederungsvereinbarungen festgehalten werden muss, dass die Bewerbungskosten vom Jobcenter übernommen werden. Geschieht dies nicht, darf das Jobcenter keine nachweislichen Bewerbungsbemühungen vom Leistungsempfänger einfordern. Eingliederungsvereinbarungen müssen von einem Wechselverhältnis geprägt sein und dürfen nicht nur zu Lasten des Leistungsempfängers formuliert werden.
Verhandlung über die EGV
Vor einem Gespräch mit dem Jobcenter über die Eingliederungsvereinbarung empfiehlt es sich also, genau zu überlegen, welche sinnvollen Aktivitäten man mit der EGV angehen will und wie einem das Jobcenter dabei helfen kann. Da Eingliederungsvereinbarungen zwingend ein Profiling (Bewerberprofil) voraussetzen, sollten auch nur solche Punkte in die EGV aufgenommen werden, die zu dem Arbeitssuchenden passen.
Sinnlose Maßnahmen
Gerade wenn es um das Verteilen von Maßnahmen geht, sind die Jobcenter schnell, da Bürgergeld Empfänger, die sich in Maßnahmen befinden, aus der Arbeitslosenstatistik herausgerechnet werden. Sind die Unterlagen aber vollständig und in Ordnung, macht es keinen Sinn, an Bewerbungstrainings teilzunehmen. Ähnliches gilt für EDV-Kurse. Hat der Arbeitssuchende bereits Kenntnisse in der EDV und vor seiner Arbeitslosigkeit sogar damit gearbeitet, ist ein Computer-Grundkurs sicher nicht die richtige Wahl für Eingliederungsmaßnahmen.
Ein-Euro-Jobs
Ein-Euro-Jobs (offizielle Bezeichnung: Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung) sind in der Regel leider ein gutes Beispiel für sinnlose Maßnahmen, da sie Betroffenen nachweislich selten bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt weiterhelfen. Hier sollten Sie bei den Verhandlungen darauf bestehen, dass Ihnen solche Maßnahmen in Ein-Euro-Jobs ausdrücklich nicht zugewiesen werden.
Sinnvolle Maßnahmen
Denkbar wäre zum Beispiel die Verpflichtung des Jobcenters, einem ausländischen Leistungsbezieher einen Integrationskurs zu ermöglichen oder einem Bürgergeld Empfänger, der sich in absehbarer Zeit selbstständig machen will und dessen Geschäftsidee auf einem soliden Master-Plan fußt, den Führerschein zu finanzieren. Auch Umschulungen, Lehrgänge und vieles mehr können, sofern sie zum Arbeitssuchenden passen, sinnvoll sein.
Die dem Jobcenter vorgeschlagenen Maßnahmen müssen einen sinnvollen Charakter haben, an die individuelle Lage angepasst sein und auch realistisch sein.
Wie viele Bewerbungen im Monat?
Ein wichtiger Abschnitt in der EGV betrifft die Anzahl der monatlich zu tätigenden Bewerbungen. Hier ist Achtsamkeit geboten, die Zahl ist verhandelbar. Nur weil das Jobcenter eine Zahl jenseits der 20 Bewerbungen pro Monat fordert, muss diese Zahl noch lange nicht so in die EGV übernommen werden. Abgesehen davon muss geklärt und festgehalten werden, dass das Jobcenter die Bewerbungskosten trägt.
Urteile zur Anzahl der Bewerbungen
Urteil vom 12.05.2006 SG Berlin (Az.: S 37 AS 11713/05): Das Gericht gab einem Kläger Recht, der die starr festgelegte Anzahl an Bewerbungen in der EGV beanstandet hatte. Das SG Berlin entschied, dass ein flexiblerer Durchschnittswert anzugeben sei. Vom Kläger wurden 10 Bewerbungen pro Monat gefordert. In diesem Fall hätte demnach auch ein Nachweis von 8 oder 9 Bewerbungen pro Monat ausgereicht, ohne dass sich der Kläger einer Pflichtverletzung schuldig gemacht hätte.
Beschluss vom 09.06.2008 SG Stuttgart (Az.: S 18 AS 3697/08 ER): Laut Beschluss des SG Stuttgart ist es zulässig, dass das Jobcenter grundsätzlich 10 Bewerbungen pro Monat von einem Leistungsbezieher fordern kann.
Beschluss vom 12.06.2013 LSG Nordrhein-Westfalen (Az.: L 7 AS 40/13 B): Das LSG Nordrhein-Westfalen gab dem Jobcenter Recht, das von einem Hartz IV Empfänger 8 Bewerbungen pro Monat gefordert hatte.
Gerichtsbescheid vom 28.04.2015 SG Berlin (Az.: S 168 AS 5850/14): Das SG Berlin entschied, dass 10 Bewerbungen pro Monat zumutbar seien.
Eingliederungsvereinbarung muss nicht unterschrieben werden … aber
Eigentlich ist davon abzuraten, seine Unterschrift prinzipiell zu verweigern, denn damit verbaut man sich vorerst die Chance, die eigenen Vorstellungen in das Vertragswerk einbauen zu lassen. Wenn nämlich ein Arbeitssuchender ohne Angabe von Gründen seine Unterschrift verweigert, erlässt das Jobcenter in der Folge einen entsprechenden Verwaltungsakt. Ergebnis: Die Vorstellungen des Bürgergeld Empfängers werden dort nicht enthalten sein.
Dem Verwaltungsakt ist Folge zu leisten
Während die EGV einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt, ist der Verwaltungsakt ein Erlass, dem erst einmal Folge zu leisten ist. Gegen den Verwaltungsakt kann jedoch rechtlich vorgegangen werden – durch die Erhebung eines Widerspruchs (Frist: 1 Monat). Weitere rechtliche Mittel sind einstweiliger Rechtsschutz und Klage.
Will der Leistungsempfänger keine rechtlichen Schritte gegen den Verwaltungsakt einlegen, kann der Bescheid aufgehoben werden, indem sich der Arbeitssuchende dazu entschließt, die EGV doch noch zu unterschreiben.