Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
und anderer Gesetze - Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz)
Alles anzeigenA. Problem und Ziel
Aktuell erhalten rund 5,2 Millionen Menschen in Deutschland Leistungender Grundsicherung für Arbeitsuchende. In den 405 Jobcentern werden
erwerbsfähige und nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte in ganz
unterschiedlichen Lebenslagen beraten und gefördert.
Dazu gehören Langzeitleistungsbeziehende, Alleinerziehende, Menschenohne Schul- oder Berufsabschluss, Menschen mit gesundheitlichen
Einschränkungen, Geflüchtete, aber auch Beschäftigte und Menschen,
die vorübergehend hilfebedürftig sind. Die Jobcenter unterstützen
zielgerichtet die rund 3,7 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
bei der Arbeits- und Ausbildungsmarktintegration. Wie leistungsfähig
und flexibel das Grundsicherungssystem ist, hat sich angesichts der
Herausforderungen der vergangenen Jahre gezeigt: So wurde vielen
Menschen, deren Lebensunterhalt durch die Auswirkungen der Pandemie
gefährdet war, ein sicheres Netz geboten.
Es hat sich jedoch auch gezeigt, dass eine grundlegende Weiterentwicklungnötig ist, um die soziale Sicherung in Deutschland zukunftsfest aufzustellen.
Es geht darum, mehr Respekt, mehr Chancen auf neue Perspektiven und mehr
soziale Sicherheit in einer modernen Arbeitswelt zu verankern und unnötige
bürokratische Belastungen abzubauen.
Die Bundesregierung hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Grundsicherung für
Arbeitsuchende mit der Einführung eines Bürgergeldes und dazugehörigen
grundlegenden Änderungen zu erneuern, um mehr Chancengerechtigkeit und
gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Ziel ist ein Sozialstaat, der die Bürgerinnen und Bürger absichert und zugleichdabei unterstützt und ermutigt, ihre Potenziale zu entwickeln und neue
Chancen im Leben zu ergreifen. Auch hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt
seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005
grundlegend geändert: Arbeitskräfte, insbesondere qualifizierte Arbeitskräfte,
werden vielerorts gesucht.
Der Arbeitsmarkt ist insgesamt in einer guten Verfassung. Die Zahlen zeigen
aber auch, dass Langzeitarbeitslose von dieser positiven Entwicklung oft nicht
profitieren können. Hinzu kommt: Die Corona-Pandemie hat den strukturellen
und digitalen Wandel in der Arbeitswelt noch einmal beschleunigt: Menschen
ohne Berufsabschluss haben noch geringere Chancen auf eine nachhaltige
Integration in Arbeit.
Ziel der Einführung des Bürgergeldes ist es daher auch, gesetzlicheRahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es Menschen im Leistungsbezug
möglich wird, sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitsuche
zu konzentrieren. Um vertrauensvolle, transparente Zusammenarbeit zwischen
Leistungsberechtigten und Jobcentern zu fördern, soll der Eingliederungsprozess
weiterentwickelt werden. So sollen Respekt, Vertrauen und Umgang auf
Augenhöhe gesetzlich stärker in den Fokus gerückt und eine neue
Vertrauenskultur ermöglicht werden. Gleichzeitig soll die Leistung jeder und
jedes Einzelnen mehr Anerkennung finden und dem Grundbedürfnis Wohnen
und dem Erhalt des bisherigen Lebensumfelds stärker Rechnung getragen werden
Die Erfahrungen aus der Pandemie haben gezeigt, dass schnelle Hilfen und eineinfacher Zugang zu Sozialleistungen das Vertrauen in den Sozialstaat stärken.
Der vorliegende Gesetzentwurf knüpft daher auch an die pandemiebedingten
Vereinfachungen an, damit Bürgerinnen und Bürger weiterhin von den
Verbesserungen profitieren können.
Das Bürgergeld soll einfach und digital zugänglich sein. Daher ist das Ziel aucheine einfache und nutzerorientierte Beantragung, die unter anderem durch die
Digitalisierung der Antragstellung herbeigeführt werden soll. Durch die
Karenzzeiten wird zudem eine erhebliche Vereinfachung bei der Antragstellung
erreicht. Die persönliche Betreuung bei der Antragstellung bleibt daneben wichtig.
Wissenschaft und Rechtsprechung haben zudem in verschiedenen Bereichendes Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) einen Bedarf an Klarstellung und
Anpassung aufgezeigt, um Verwaltungshürden weiter abzubauen sowie eine
nachhaltige Integration in Arbeit zu erreichen. Auch das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Leistungsminderungen im SGB II
(sog. Sanktionen) von November 2019 wird mit dem Gesetz umgesetzt.
B. Lösung
Folgende Punkte werden mit der Einführung eines Bürgergeldes und dazugehörigerÄnderungen umgesetzt:
Einführung des Bürgergeldes
Wesentliche Änderungen im Bürgergeld-Gesetz. Der Regierungsentwurf
wurde verabschiedet.
- Gemeinsam vereinbaren Arbeitssuchende und Jobcenter einen Kooperationsplan für den individuellen Weg in Arbeit.
- Grundlage der Zusammenarbeit soll Vertrauen sein. In den ersten sechs Monaten, der sogenannten Vertrauenszeit, können deshalb künftig keine Leistungen mehr gemindert werden, wenn z.B. keine Bewerbungen geschrieben werden, obwohl das vereinbart war oder man nicht zu Schulungen erscheint (sogenannte Pflichtverletzungen).
- Weiterbildung und der Erwerb eines Berufsabschlusses stehen im Vordergrund. Der sogenannte Vermittlungsvorrang (also die bevorzugte Vermittlung in Erwerbstätigkeit) wird daher abgeschafft.
- Für Weiterbildungen werden ein zusätzlicher finanzieller Ausgleich und neue Angebote geschaffen. Wer etwa einen Berufsabschluss nachholt, kann künftig statt bisher zwei dann für bis zu drei Jahre gefördert werden.
- Der Soziale Arbeitsmarkt (§ 16i SGB II) wird fortgeführt: Jobcenter können weiterhin sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse fördern, um Menschen nach besonders langer Arbeitslosigkeit zu aktivieren.
- Menschen, denen es besonders schwerfällt, eine Arbeit zu finden oder aufzunehmen, können durch professionelles Coaching unterstützt werden.
- Vermögen und Angemessenheit der Wohnung werden erst nach 24 Monaten Bürgergeldbezug überprüft.
- Nach Ablauf der 24 Monate (Karenzzeit) ist ein höheres Schonvermögen (als Vermögen, das trotz Leistungsbezug unangetastet bleibt) als bisher vorgesehen. Rücklagen für die Altersvorsorge werden ebenfalls besser geschützt.
- Für Auszubildende, Schüler*innen und Studierende, die Bürgergeld beziehen, gelten höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung oder den Nebenjob.
- Wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient, soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können: Die Freibeträge in diesem Bereich werden auf 30 Prozent angehoben.
- Die Regelsätze sollen zum 1. Januar 2023 angemessen und deutlich steigen - je nach Regelbedarfsstufe auf bis zu 502 Euro.
- Die Vorgaben für Leistungsminderungen (sogenannte Sanktionen) werden auf Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 neu geregelt.
- Das Bürgergeld ist insgesamt unbürokratischer und digital zugänglich - mit einer einfachen, nutzerorientierten und barrierefreien Beantragung.
- Mit einer Bagatellgrenze von 50 Euro für Rückforderungen wird zudem die Anzahl der Bescheide reduziert und Bürokratie abgebaut.
Regierungsentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Regierungsentwurf ist verabschiedet 14.09.2022
Fragen und Antworten zum Bürgergeld
Umsetzungsstand
Referentenentwurf ist veröffentlicht Regierungsentwurf ist verabschiedet
Gesetz ist noch nicht verkündet