- Offizieller Beitrag
Sanktionen im SGB II: Es dürfen doch nur maximal 30 Prozent
gekürzt werden, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt.
Hat es nicht
31. Dezember 2023 von Stefan Sell
Alles anzeigenIm Kontext der vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
angekündigten (Wieder)Einführung von 100 Prozent-Sanktionen
(unter Ausklammerung der Kosten für die Unterkunft, die davon
unberührt bleiben sollen) im nunmehr zum Bürgergeld umbenannten
Hartz IV-System wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass
doch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine
Sanktionierung von maximal 30 Prozent für zulässig erklärt habe.
Dem ist aber nicht so – der vollständige Entzug von Leistungen wurde
auch vom höchsten deutschen Gericht als Möglichkeit in den politisch
gestaltbar Raum gestellt. Man muss das hier angesprochen
Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 des BVerfG zu Sanktionen
im Sozialrecht nur genau lesen.
Dass das BVerfG unter bestimmten Umständen auch den vollständigen
Leistungsentzug als nicht grundsätzlich verfassungswidrig eingestuft haben,
ist begründungsbedürftig. Hierzu die Argumentation des Gerichts, die
gleichsam von oben nach unten gelesen werden muss:
Zwei Begriffe sind hier von zentraler Bedeutung: Der Nachranggrundsatz
und eine daraus abgeleitete Mitwirkungspflicht: Dazu das BVerfG, hier
zitiert nach dem Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 (Hervorhebungen
nicht im Original):
»Die eigenständige Existenzsicherung des Menschen ist nicht Bedingung dafür,
dass ihm Menschenwürde zukommt; die Voraussetzungen für ein
eigenverantwortliches Leben zu schaffen, ist vielmehr Teil des Schutzauftrags
des Staates aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Grundgesetz verwehrt dem
Gesetzgeber jedoch nicht, die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur
Sicherung der menschenwürdigen Existenz an den Nachranggrundsatz
zu binden, solche Leistungen also nur dann zu gewähren, wenn Menschen
ihre Existenz nicht selbst sichern können.«
Und aus dem Nachranggrundsatz wird dann eine Mitwirkungspflicht
abgeleitet: --------- weiter -----------