Überprüfungsantrag - Bewirkung rückwirkende Bearbeitung eines in der Vergangenheit gestellten Antrags

  • Guten Tag!

    1. Gerne würde ich verstehen, in welcher Form ein Überprüfungsantrag auf einen abschließenden Bürgergeld-Bescheid zu erfolgen hat.
      Muss explizit der Begriff "Überprüfungsantrag" oder gar Verweis auf den Paragrafen erfolgen, oder reicht es, wenn sinngemäß
      aus dem Brief hervorgeht, dass zu niedrig berechnete Leistungen - für die im Brief genannten Monate - reklamiert werden und "um entsprechende Prüfung" gebeten wird?
    2. Auch würde ich gerne verstehen, ob ein vermeintlich verschollener Antrag bzw. Nichtgewährung von Bürgergeld-Leistungen (aufgrund Annahme zu hohen Einkommmens) rückwirkend doch noch zu bewirken ist.


    Hier der Sachverhalt:

    • 01.03.2023, Erlass abschließender Bewilligungsbescheid für den Leistungszeitraum (LZ) Dez'21 - Mai'22. Im Bescheid wird eine Nachzahlung zugunsten des Leistungsbeziehers festgestellt.
    • 06.03.2023, Eingang der Nachzahlung auf dem Konto des Leistungsempfängers

    Im Bescheid wurde für den Monat Mai'22 eine Leistungshöhe von 0,00 EUR festgestellt. Der Bürgergeld-Bezug endete daraufhin.

    • Ende 2023 forderte der Rundfunkbeitragsservice (vereinfacht "GEZ") Gebühren für die Monate Mai'22 bis Jan'23 ein (nicht länger, da ab Feb'23 wieder Bürgergeld bezogen wurde).
    • Anfang 2024 Versand eines Härtefallantrags an die GEZ mit der Bitte um Erlass der Gebühren ab Mai'22, da das Einkommen unter dem Niveau des Bürgergelds lag (wenngleich kein Bürgergeld-Bezug stattfand / gewährt wurde).
    • Daraufhin forderte die GEZ einen "Nachweis der Bedürftigkeit an".

    Um einen solchen Nachweis vom Jobcenter (JC) "irgendwie" zu erhalten, wurde ein Brief an das JC geschickt. Ursprünglich primär betreffend des GEZ-Themas.

    • 09.02.2024, Versand eines Briefes an das Jobcenter, ob für die GEZ ein Nachweis der Bedürftigkeit für den Zeitraum ab Mai'22 verfasst werden könnte.

    In diesem Zusammenhang hat ein Bekannter den abschließenden Bescheid vom 01.03.2023 geprüft und Berechnungsfehler festgestellt, die im selben Schreiben (9.2.2024) an das JC benannt wurden.

    Konkret

    A. Die Mietkosten wurden zu niedrig in der Berechnung berücksichtigt (ca. 40 EUR je Monat)
    B. Das Arbeitseinkommen der 14-jährigen Tochter wurde vom JC voll abgezogen, es wurde kein Freibetrag auf Arbeitseinkommen gewährt/berücksichtigt. Auch der auf die Schulferienzeit entfallende Arbeitslohn wurde voll als Einkommen angerechnet, ohne Abzüge zu gewähren.
    C. Der Nettolohn Feb'22 wurde falsch (geringfügig zu hoch) berücksichtigt.

    Als Gesamtdifferenz wurde - im Brief an das JC monatsgenau dargestellt - ein Nachzahlbetrag über zirka 400,00 EUR vom JC an die Leistungsbezieher ermittelt.


    Ferner wurde in dem selben Brief (vom 09.02.2024) aufgegriffen, dass auch in den Monaten ab Juni 2022 (mehrfach) ein Antrag auf Bürgergeld gestellt wurde.
    (Dies auf mit den Papierformularen auf dem Postweg und im weiteren Verlauf sogar durch persönlichen Einwurf in den Briefkasten des Jobcenters. Seitens des Jobcenters wurde behauptet, ein Antrag sei nie angekommen.)

    Im Schreiben wurde ausgeführt, dass das Nettoeinkommen auch in dieser Zeit (Juni/Juli/August) bei zirka 1.100 - 1.200 EUR lag, im September 2022 unter 600 EUR und im Oktober 2022 sogar lediglich bei 450 EUR.
    Als alleinerziehende Mutter mit 14-jährige Tochter und Mietkosten hätte dies in dem Fall ebenfalls zu einer Gewährung von Leistungen führen müssen.
    Einzig der Monat Mai'22 führte aufgrund eines Jobwechsels einmalig zu einem höheren Zufluss, weil der Geldeingang des neuen Arbeitgebers und des alten Arbeitgebers im gleichen Monat erfolgte (und daher als Leistungsbetrag 0,00 EUR ermittelt wurde).

    Die Frage, die sich mir hier auch stellt ist: Gerade bei solch schwankenden Einkünften dürfte wohl kaum erwartet werden können, dass mehr oder minder monatlich ein Antrag gestellt wird, nur um prüfen zu lassen, ob es für den jeweiligen Monat einen Anspruch gibt oder nicht...?

    Vielen Dank!

  • Du kannst 2024 keinen Überprüfungsantrag für Leistungen von 2022 mehr stellen. Das geht nur rückwirkend bis 2023. Im Übrigen hat das JC noch bis 8.2.24 Zeit, den Antrag zu verbescheiden. Erst dann ist Untätigkeitsklage möglich.


    Btw: Wenn das Kind durchgehend gearbeitet (auch während der Schulzeit) hat, ist es kein Ferienjob. Dann gibt es nur die 100 Euro Freibetrag für unter 15jährige.


    Und wenn du nicht nachweisen kannst, dass du ab Juni 22 einen Antrag gestellt hast, wird das JC auch da nichts machen.

    Die Frage, die sich mir hier auch stellt ist: Gerade bei solch schwankenden Einkünften dürfte wohl kaum erwartet werden können, dass mehr oder minder monatlich ein Antrag gestellt wird, nur um prüfen zu lassen, ob es für den jeweiligen Monat einen Anspruch gibt oder nicht...?


    Was du damit fragen willst, verstehe ich nicht. Aus genau diesem Grund gibt es ja in solchen Fällen mit schwankendem Einkommen nur eine vorläufige Bewilligung. Dann erfolgte die endgültige Festsetzung bis Mai 22 und für den Zeitraum ab Juni 22 hast du nach Ansicht des Jobcenters gar keinen Antrag gestellt. Was also erwartest du ab Juni 22 vom Jobcenter, wenn es gar keinen Antrag gibt? Wann hast du die Lohnnachweise von Juli bis Dezember eingereicht? Wann Kontoauszüge? Wann und wie nach dem Stand der Bearbeitung gefragt? Warum keine Untätigkeitsklage erhoben? Warum fällt dir im Februar 2024 plötzlich ein, dass da ja angeblich noch ein Antrag für 2022 sein soll?

  • Du kannst 2024 keinen Überprüfungsantrag für Leistungen von 2022 mehr stellen. Das geht nur rückwirkend bis 2023.

    Der abschließende Bescheid ist aber doch erst am 01.03.2023 erlassen worden. Kann ich nicht einen Bescheid aus dem Jahr 2023 im Jahr 2024 überprüfen lassen?

    Unabhängig davon, zur ersten Frage ganz oben:
    Wäre der entsprechende Wortlaut "Antrag auf Überprüfung" explizit erforderlich gewesen oder genügt der sinngemäße Antrag, wenn die entsprechende Absicht / Prüfaufforderung erkennbar ist?

    Was du damit fragen willst, verstehe ich nicht. Aus genau diesem Grund gibt es ja in solchen Fällen mit schwankendem Einkommen nur eine vorläufige Bewilligung. Dann erfolgte die endgültige Festsetzung bis Mai 22 und für den Zeitraum ab Juni 22 hast du nach Ansicht des Jobcenters gar keinen Antrag gestellt.


    Es betrifft nicht genau mich, sondern eine Bekannte. Diese hatte erklärt, dass nach Beendigung der Leistungen im Mai'22 einen Antrag hingeschickt hätte. Auf telefonische Nachfrage hätte man ihr erklärt, es sei keiner eingegangen. Daraufhin hat sie sodann (einen neu ausgefüllten) Antrag persönlich in den Briefkasten des Jobcenters geworfen. Auf Nachfrage sei erneut keiner eingegangen. Die exakten Details aus der Zeit fehlen mir leider. Mir kommt gelegentlich der Gedanke, dass man diese abgelehnt haben könnte, weil ein zu hohes Einkommen (Anhand der Einkünfte Mai 2022) angenommen wurden. Letztendlich wurde nach einigen Monaten immerhin Wohngeld bewilligt, wenngleich das weitaus niedriger war als das Bürgergeld gewesen wäre.


    Ich habe gerade nochmals nachgefragt bzgl. den verschollen Anträgen. Die Erinnerung ist vage, möglicherweise auch zeitlich durcheinander gebracht mit einem Antrag 6 Monate zuvor. Dieses Teilthema also bitte ignorieren/als erledigt erachten. Sorry.

  • Zitat

    Btw: Wenn das Kind durchgehend gearbeitet (auch während der Schulzeit) hat, ist es kein Ferienjob. Dann gibt es nur die 100 Euro Freibetrag für unter 15jährige.

    Besten Dank. Ja, war in der Tat August 2021 bis April 2022. 2 Stunden á 10 EUR im Vertrag vorgesehen, in einem gegenüber des Wohnhauses liegenden Hotel beim Frühstück helfen. 20 EUR Monatslohn, ausser im ersten Monat des Leistungszeitraums: Da waren es 160 EUR (Ferienzeit). Schade - aber Danke!

  • Kann ich nicht einen Bescheid aus dem Jahr 2023 im Jahr 2024 überprüfen lassen?


    Ja, aber bei der Ausschlussfrist von einem Jahr geht es nicht ums Bescheiddatum, sondern um den Zeitraum, aus dem man Nachzahlungen erhalten kann. Oder anders: Bescheide kann man eigentlich beliebig lang zurück prüfen lassen, allerdings kann man nur für ein Jahr rückwirkend Nachzahlung verlangen. Und deshalb ist die Rechtsprechung dazu übergegangen, zu entscheiden, dass Überprüfungsanträge, aus denen kein Gewinn mehr bezogen werden kann, abgelehnt werden dürfen:

    Zitat

    Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG hat die Verwaltung schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung keine Wirkungen mehr entfalten kann, also ausschließlich Leistungen für Zeiten betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallsfrist liegen.


    Anders wäre es nur dann, wenn die endgültige Festsetzung mit einer Rückforderung geendet hätte, da würde die Ausschlussfrist von 4 Jahren gelten.


    Wäre der entsprechende Wortlaut "Antrag auf Überprüfung" explizit erforderlich gewesen oder genügt der sinngemäße Antrag, wenn die entsprechende Absicht / Prüfaufforderung erkennbar ist?


    Das Jobcenter muss das Schreiben als Überprüfungsantrag auslegen, wenn es vom Wortlaut als solcher erkennbar ist.

  • Vielen Dank für die Erläuterung!

    Nun habe ich noch eine kleine Frage, auch wenn der Überprüfungsantrag sich wohl in keiner Nachzahlung manifestieren wird (aufgrund der 1-Jahres-Frist):

    Der Antrag wurde per "Online-Postfach" an das Jobcenter zugestellt. Dies auch bei diversen Widersprüchen in der Vergangenheit.
    Es war/ist das bevorzugte Kommunikationsmittel geworden, da man so einen Nachweis über Datum und Uhrzeit und den Inhalt der Schreiben hat.

    Genügt der Versand des Antrags auf Überprüfung per "Online-Postfach" ? Es handelt sich dabei um ein PDF (gescannter, unterschriebener Brief).

    Betreffend Widersprüchen habe ich mittlerweile den Eindruck, dass dieser Versandweg nicht der richtige war bzw. ist (solange kein speziellen Authentifizierungsverfahren genutzt wurde -- das war nie der Fall, nur einfacher Login per E-Mailadresse und Passwort).

  • Anträge können sogar mündlich gestellt werden, daher reicht das mit Postfachnachricht. Bei Widerspruch ist das was ganz anderes, der Bedarf der Schriftform und das ist analog einer einfachen Mail mit einer einfachen Postfachnachricht nicht getan. Auf welche Weise über JC-digital ein Widerspruch erhoben werden kann, steht in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides. Diese Möglichkeit gibt es nämlich, setzt aber einen Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion voraus.

  • Danke Dir erneut!


    Eine Sache fiel mir nachträglich wegen der 1-Jahres-Frist für einen Überprüfungsantrag noch auf:

    Angenommen, der LZ wäre Juli 2021 - Januar 2022.

    Das JC erlässt den abschließenden Bescheid beispielhaft am 05.01.2023, also zirka 1 Jahre nach Ende des Leistungszeitraums. Die Widerspruchsfrist von einem Monat wird versäumt.

    Stellt man nun einen Überprüfungsantrag wenige Tage nach Ablauf der Widerspruchsfrist im März 2023, scheint die Frist wie folgt zu interpretieren sein:

    • Der Bescheid wurde am 05.01.2023 erlassen.
    • Das Jahr 2023 beginnt am 01.01.2023.
    • Die Ein-Jahres-Frist erstreckt sich somit auf den 01.01.2022 bis 31.12.2022.

    Nun soll der relevante Leistungszeitraum (größtenteils) nicht mehr überprüfbar sein, da dieser im Jahr 2021 lag...?

    Das wäre insbesondere dann fraglich, wenn der abschließende Bescheid massive Änderungen aufweist im Vergleich zu den in der Vergangenheit erhaltenen vorläufigen Bescheiden.


    (Noch als persönliche Anmerkungen ergänzt:
    So wie in dem mir vorliegenden Fall. Diverse - damals monatsaktuelle - Hinweise/Schreiben/(auf JC-Anfrage hin) überlassene Kontoauszüge wurden vom JC allesamt nicht berücksichtigt, ergo: nicht in die vorläufigen Bescheide eingearbeitet. Erst mit dem abschließenden Bescheid ein Jahr später greift das JC alles auf und führt massive Abzüge durch, die es davor nicht gab und fordert nun zur Rückzahlung auf. So wird doch jegliche Leistungsbewilligung für den Leistungsempfänger zum Risiko, da er doch niemals wissen kann, was ihm wirklich zur Verfügung steht und was er für seine Familie und Kinder ausgeben kann+darf. Wie ein Anwalt mal sagte "Der Antragsteller muss nicht schlauer sein als der Sachbearbeiter in der Behörde". Es ist für den Normalbürger schlicht unmöglich, die späteren Einschätzungen und Auslegungen des JC zu erahnen.)

  • Nun soll der relevante Leistungszeitraum (größtenteils) nicht mehr überprüfbar sein, da dieser im Jahr 2021 lag...?


    Korrekt. Dem kann man mit einem eigenen Antrag auf endgültige Festsetzung vorbeugen, denn dann hat das Jobcenter nur 6 Monate Zeit zur endgültigen Festsetzung.


    Diverse - damals monatsaktuelle - Hinweise/Schreiben/(auf JC-Anfrage hin) überlassene Kontoauszüge wurden vom JC allesamt nicht berücksichtigt,

    Völlig korrekt, da Recht und Gesetz bei vorläufigen Bewilligungen keine Änderungen nach § 48 oder 45 SGB X für die Vergangenheit zulässt. § 41a SGB II schreibt vor, dass die endgültige Festsetzung nach Ablauf des Bewilligungszeitraums zu erfolgen hat. Würde man gleich und sofort immer den jeweiligen Monat endgültig festsetzen, würde damit das gesetzlich normiert Saldierungsgebot umgangen werden.


    So wird doch jegliche Leistungsbewilligung für den Leistungsempfänger zum Risiko, da er doch niemals wissen kann, was ihm wirklich zur Verfügung steht und was er für seine Familie und Kinder ausgeben kann+darf.


    Deshalb ist die Bewilligung ausdrücklich "vorläufig". Im Übrigen kann jeder mit gesundem Menschenverstand sehen "Oh, das Jobcenter rechnet 600 Euro Einkommen an. Ich hatte diesen Monat aber 800 Euro, da muss ich 200 Euro zur Seite legen."


    Wie ein Anwalt mal sagte "Der Antragsteller muss nicht schlauer sein als der Sachbearbeiter in der Behörde". Es ist für den Normalbürger schlicht unmöglich, die späteren Einschätzungen und Auslegungen des JC zu erahnen.)


    Wenn der gesunde Menschenverstand nicht reicht, dann sollte man es vielleicht mit einem Taschenrechner versuchen. Sorry, aber eine solche Diskussion ist völlige Zeitverschwendung.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!