Bürgergeld - Betriebskostenabrechnung angerechnet - Einkommen oder Vermögen

  • Liebe Leute,

    ich bin mir mit der Überschrift nicht sicher, aber sie beschreibt schon meine Verwunderung:

    Im November24 bekam ich die Betriebskostenabrechnung von 2023, aus der ein Guthaben von über 400€ hervor ging. Ich wollte im Dezember auf dem Weihnachtsmarkt arbeiten und hatte zusätzlich noch ALG1 bis Mitte Dezember.

    Ich freute mich über die Finanzspritze zur Weihnachtszeit und legte das Geld in Geschenken und Freizeitaktivitäten an.

    Nun klappte aus verschiedenen Gründen der Arbeitseinsatz auf dem Markt nicht und ich war doch auf Bürgergeld angewiesen um im Dezember meine Kosten zu decken, was quasi zwei Tage nach Ende meines ALG1 Bezuges, etwa in der Mitte des Monats, klar wurde. Ich stellte also einen Erstantrag auf Bürgergeld.

    Ich rechnete irgendwie damit, dass evtl. anteilig für den halben Monat ein Teil des Guthabens aus der BKA angerechnet werden könnte, aber war doch überrascht, als das komplette Guthaben im Januar angerechnet wurde, womit mir nun im Januar über 400€ fehlen.

    Mir ist das Zuflussprinzip, sowie die Verrechnungsvorgabe für BGbeziehende (wird im Folgemonat des Zuflusses verrechnet), unter anderem durch dieses Forum bekannt, aber genauso habe ich gelesen, dass oftmals fälschlicherweise diese Regelung angewendet wird.

    Nun die Frage:

    Ist es rechtens, mir zuzumuten das Geld zurück zu halten, obwohl ich noch nicht abschätzen kann, ob/oder wann ich Bürgergeld beantrage?

    Ist es richtig, dass ich rückwirkend zum BG Empfänger gemacht werde und somit das komplette Guthaben, was am am ersten Dezember durch eine dementsprechend geringer gezahlte Miete verrechnet wurde, im Januar abgezogen wird?


    Ich steh im Wald und bin dankbar für jede Hilfe, die mir sagt, ob sich ein Widerspruch (sowas fällt mir sehr schwer) lohnt.


    Danke im Voraus

    LG

    PS: Gern Fragen, falls ich zu kryptisch geschrieben habe. :grumble

  • Danke für die schnelle, wenn auch für meine Bedürfnisse etwas zu kondensierte, Antwort.

    Der Fall scheint nicht so eindeutig:

    Ich verstehe nur bedingt, was sich daraus für mich ergibt, aber eine Konsultation meiner Rechtsschutz Versicherung ergab, dass ich einfach mal einen Widerspruch schreiben soll... allerdings kam die Einschätzung nicht von einer Fachanwältin für Sozialrecht, sondern einer Vertragskanzlei der Versicherung, die nicht auf dieses Fachgebiet spezialisiert war. - Darum bin ich noch verwirrter und finde nicht, dass dieser Fall klar/"natürlich" ist.

    Wie gesagt: Als ich die Abrechnung und das daraus resultierende Guthaben bekam, welches ich dann ausgegeben habe, war nicht abzusehen, wann/ob ich in Bürgergeldbezug gehe. Beantragung und Bezugsbeginn waren erst Mitte Dezember und vorher hatte ich keinen Anspruch/Bedarf.

    Normalerweise schickt meine Hausverwaltung die BKA spätestens im Oktober, was alles komplett unkompliziert und zu meinen Gunsten gewesen wäre

    Danke nochmal im Voraus umd dafür, dass es hier Menschen gibt, die uneigennützig anderen zu helfen versuchen - das empfinde ich als wahre Solidarität :)

    LG

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    Quellen veraltet und falsch

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  • Das Guthaben ist anzurechnen.

    Deine ganzen Quellen kannst Du vergessen, sind sind veraltet bzw. falsch.

    Das Bundessozialgericht hat die Frage 2020 durchentschieden (BSG, 24.06.2020 - B 4 AS 7/20 R). Seitdem gilt in der Praxis der Sozialgericht und Jobcenter schlicht: Derartige Guthaben sind anzurechnen.

    Macht auch vom Sinn und Zweck der Grundsicherung her Sinn, denn Du hattest das Geld ja um davon zu leben. Also keine Notwendigkeit für die Staatskasse, einzuspringen.

  • Danke. Das Urteil guck ich mir nochmal an.

    Du hattest das Geld ja um davon zu leben.

    Und dieses Guthaben habe ich in einer Zeit erwirtschaftet, in der ich keine Sozialleistungen bezog und lieber auf "Nummer Sicher" gegangen bin mit meinen Betriebskosten, um lieber etwas anzusparen, als nachzahlen zu müssen - hätte ich es anders herum gemacht, würde ich jetzt also noch etwas geschenkt bekommen. Diese Praxis entbehrt jeder Logik und Fairness.

    Für mich fühlt es sich an wie Vermögen, aber ich verstehe, dass der Gesetzgeber das scheinbar anders sieht:dash

    Was ich noch immer nicht verstehe, ist, warum ALG1 bis 12.12., Bürgergeld Antrag am 13.12., aber Leistungsbeginn dann der 1.12. sein soll.... is das wirklich im Gegensatz zur Arbeitsagentur nicht vorgesehen Monate anteilig zu rechnen???

    Wieder vielen lieben Dank für die Mühen

    ... auch wieder im Voraus

    "(BSG, 24.06.2020 - B 4 AS 7/20 R)" - Wenn ich das richtig verstehe, bezieht sich dieses Urteil nur auf den Erwitschaftungszeitraum des Guthabens, also auch auf das, was mich so aufregt.... allerdings ist es scheinbar die entgültige Entscheidung über den einen von mir genannten Fall in Beispiel2. - sauber, danke:thumbup:

    Rechtssicherheit in der Anrechnungspraxis, die ich hier erfahren habe (ich wurde rückwirkend zum Leistungsbezieher) kann ich da noch nicht rauslesen.

    Die nicht-Fachabteilung meiner Rechtsschutz fand das auch Widerspruchwürdig, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass hier Leute mitmachen, die wirklich im Thema sind. Und da mich Schriftverkehr mit behörden leider irrational viele Nerven (Neurodivergenz)kostet, möchte ich sicher sein und freue mich, dass ich hier so sachlich und unmittelbar unterstützt werde..... Ihr ahnt es: Danke!!!

    LG

  • Du wirst kaum einen Feld-Wald-und-Wiese-Anwalt finden, der auch nur die Grundzüge des Leistungsrechts nach SGB II und SGB XII kennt.

    "Legen Sie Widerspruch ein!" ist rein rechtlich betrachtet im Sozialrecht ein völlig unangreifbarer Rat, da er unter "kostet nix, schadet rechtlich nichts und schlimmestenfalls bleibt es halt wie es ist" fällt. Sprich, wenn man rechtlich gar nicht versteht worum es geht, ist es halt besser, Widerspruch einzulegen, als es nicht zu tun.

    Rein praktisch ist es allerdings eine Menge Aufwand und in dieser Klassikerkonstellation jedenfalls nach dem hier Mittgeteilten sinnlos.

    Diese Praxis entbehrt jeder Logik und Fairness.

    Das ist weder unlogisch noch unfair. Beim SGB II geht es um die Sicherung Deines Existenzminimums, also dem, was vereinfacht gesagt zum "blanken Überleben" fehlt. Du hattest Geld zum Überleben. Also muss der Staat nicht einspringen.

    Es ist allerdings auch rechtlich völlig logisch. Es geht nicht um ein Sparbuch. Dir hat das Geld nicht gehört. Sobald Du Abschläge an den Vermieter zahlst, gehört das Geld ihm. Erst mit der Abrechnung entsteht ein neuer Auszahlungsanspruch auf Geld und das war in Deinem Fall im ersten Bewilligungsmonat. Mal ganz abgesehen davon gilt die rechtliche Logik auch spiegelbildlich. Du kannst gern vor eine Versammlung SGB II-Bezieher treten und ihnen erklären, dass es "unlogisch und unfair" ist, wenn konsequenterweise dann auch die offenen Nachforderungen aus der Zeit vor dem Leistungsbezug nicht übernommen werden und sie deshalb aus der Wohnung fliegen. Wären mit Deiner Logik nämlich Schulden (die vom Jobcenter nicht zu tilgen wären).:pardon

  • Weiß diesen direkten Ton echt zu schätzen :*

    Und ja, ich fänd es fairer und logischer wenn sowas (selbst erwirtschaftetes oder misswirtschaftetes) Vermögen/Schulden wären - aber das fällt wohl unter Meinung eines Laien 😅

    Um hier mal einen Schlussstrich ziehen zu können nochmal die Bitte um eine kirze Erklärung meiner letzten (unbeantwortet gebliebenen) Unklarheit:

    Rechtssicherheit in der Anrechnungspraxis, die ich hier erfahren habe (ich wurde rückwirkend zum Leistungsbezieher) kann ich da noch nicht rauslesen.

    Was ich noch immer nicht verstehe, ist, warum ALG1 bis 12.12., Bürgergeld Antrag am 13.12., aber Leistungsbeginn dann der 1.12. sein soll.... is das wirklich im Gegensatz zur Arbeitsagentur nicht vorgesehen Monate anteilig zu rechnen???


    Die Antwort darauf ist vermutlich ein klares: Ja, is halt so, das Jobcenter rechnet eben nur volle Monate und rückwirkend - Pech gehabt, hast es (BKA/Guthaben) halt nen Monat zu spät bekommen und hättest es nicht ausgeben sollen......

    Aber eine etwas fachlich versiertere Erklärung dazu würde mich sehr glücklich machen :S


    Ansonsten alles Gute und ein letztes Mal tausend Dank

    ich verdaue das mal:topicclosed


    LG

  • Im Bürgergeldrecht wirken Anträge auf den ersten des Monats zurück - § 37 II 2 SGB II - und auch für Einkommen wird auf den gesamten Monat (als einheitlicher Betrachtungszeitraum) abgestellt (§ 11 Abs. 2) SGB 2. Das Guthaben ist nur eine Sonderform von Einkommen,

  • Und dieses Guthaben habe ich in einer Zeit erwirtschaftet, in der ich keine Sozialleistungen bezog


    Das ist schon lange geklärt, dass es nicht auf den Zeitraum des Entstehens ankommt, sondern auf den Zufluss. 1996 oder 1999 noch zum guten alten Bundessozialhilfegesetz ist das Bundesverwaltungsgerichtes von der Identitätstheorie zum Zuflussprinzip gewechselt. Das geht dir mit dem BK Guthaben so, mit eventueller Steuererstattung, mit irgendwelchen Nachzahlungen (Wohngeld, Kindergeld usw). Egal, ob das Geld ist, dass dir 2024 zugestanden hat: fließt es jetzt in 25 zu, ist es Einkommen.

    Diese Praxis entbehrt jeder Logik und Fairness.


    Gesetze und Rechtsanwendung sind nicht immer fair. Der, der am 31. des Monats den ersten Lohn bekommt, muss, das Bürgergeld für den Monat zurück zahlen, der, der es einen Tag später, am 1. des Folgemonats bekommt, nicht. Der, der nur 49 Euro Überzahlung verursacht hat, muss nichts zurück zahlen, der, der 51 Euro verursacht hat, fiel vollen 51 Euro. Fair? Fairness gibt es nicht.

    Was ich noch immer nicht verstehe, ist, warum ALG1 bis 12.12., Bürgergeld Antrag am 13.12., aber Leistungsbeginn dann der 1.12. sein soll.... is das wirklich im Gegensatz zur Arbeitsagentur nicht vorgesehen Monate anteilig zu rechnen???


    Das ist nunmal gesetzlich verankert, dass ein Antrag auf den Monatsersten zurück wirkt.


    Das Guthaben ist nur eine Sonderform von Einkommen,

    ...gem. § 11 SGB II, die abweichend vom normalen Zuflussprinzip einer eigenen Anrechnungsnorm unterliegt, nämlich § 22 Absatz 3 SGB II, der Anrechnung im Folgemonat nach Gutschrift oder Rückzahlung.

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