Privathaftpflichtversicherung im Mietvertrag gefordert und Übernahme durch Jobcenter

  • Guten Tag,

    ich bitte um Hilfe zu folgendem Fall einer Bekannten, die Bürgergeld bezieht:

    Das Jobcenter lehnt in einem aktuellen Bewilligungsbescheid die Anerkennung ihrer Privathaftpflichtversicherung als Kosten der Unterkunft mit folgender Begründung ab:

    "Die Privathaftpflichtversicherung wird nicht als Kosten der Unterkunft anerkannt, da kein Nachweis erbracht wurde, dass ein enger sachlicher Zusammenhang mit dem Abschluss der Versicherung (Beginn 05.09.2023) und der Anmietung der Wohnung am 15.11.2021 vorhanden ist."

    Relevante Fakten:

    • Im Mietvertrag ist eine Pflicht zur Privathaftpflichtversicherung verankert
    • Die Versicherung wurde erst ca. 22 Monate nach Mietbeginn abgeschlossen, da die Klausel vorher übersehen wurde
    • Diese Begründung kam nach einem bereits eingelegten Widerspruch, in dem auf die entsprechende Mietvertragsklausel hingewiesen wurde

    Fragen:

    1. Wie ist der Begriff "enger sachlicher Zusammenhang" in diesem Kontext rechtlich zu verstehen?
    2. Ist der sachliche Zusammenhang nicht durch die Mietvertragsklausel gegeben, unabhängig vom Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses?
    3. Auffällig ist, dass das Jobcenter explizit von einem "sachlichen" und nicht von einem "zeitlichen" Zusammenhang spricht – ist das nicht ein kleiner aber feiner Unterschied?

    Vielen Dank für eure Hilfe!

  • Wie ist der Begriff "enger sachlicher Zusammenhang" in diesem Kontext rechtlich zu verstehen?

    Das ist der BSG Rechtsprechung entnommen:

    Zitat

    Bei den Kosten für die Privathaftpflichtversicherung handelt es sich um einen Bedarf für Unterkunft und Heizung, da der Kläger, der nach den Feststellungen des LSG erwerbsfähiger Leistungsberechtigter iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist und der rechtzeitig einen Antrag iS des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB II gestellt hat, mit dem Abschluss dieser Versicherung oder ihrer Aufrechterhaltung eine mietvertragliche Verpflichtung erfüllt und ein hinreichend enger sachlicher Zusammenhang zur Gebrauchsüberlassung der Wohnung besteht.


    Ist der sachliche Zusammenhang nicht durch die Mietvertragsklausel gegeben, unabhängig vom Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses?

    Wer soll das in Unkenntnis der konkreten Mietklausel und der Vertragsbedingungen der Versicherungen beantworten können? Es kann ja genausogut sein, dass der Kostenersatz von Schäden an Mietsachen im Vertrag ausgeschlossen ist usw.


    Auffällig ist, dass das Jobcenter explizit von einem "sachlichen" und nicht von einem "zeitlichen" Zusammenhang spricht – ist das nicht ein kleiner aber feiner Unterschied?

    Vielleicht meint ja das JC auch tatsächlich, dass ein sachlicher Zusammenhang fehlt. Eben wegen z. B. Klauseln im Vertrag, das für eine Beschädigung der Mietwohnung nicht gehaftet wird?


    Im Übrigen hat das BSG völlig außer acht gelassen, dass solche Klauseln in den Mietverträgen nach zivilrechtlicher Rechtsprechung im Allgemeinen als unwirksam angesehen werden. Es ist also nicht sicher, dass ein etwaiger Rechtsstreit deswegen wirklich von Erfolg gekrönt wäre.


    Sowas muss man vor Ort klären.

  • Danke für die schnelle Rückmeldung!

    Die Mietvertragsklausel reiche ich gerne nach:

    Zitat

    § 20 Versicherungspflicht des Mieters
    1. Der Mieter ist verpflichtet, zur Abdeckung von Schäden an der Mietsache, Schlüsselverlust sowie für Schäden an seinem Mobiliar eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.
    2. Der Mieter hat den Abschluss dieser Versicherung auf Verlangen des Vermieters durch Überlassung der Versicherungskopie nachzuweisen und sie für die Dauer der Mietzeit aufrechtzuerhalten.

    Auch die Information laut Versicherungsschein, die das Jobcenter ebenfalls nochmals in einer Nachfrage angefordert hatte und diesem wunschgemäß vorgelegt wurde:

    Zitat

    Versichert sind..... ab 05.09.2023 mittags 12.00 Uhr:

    50.000.000,00 EUR pauschal für Personen-, Sach-, Mietsach- und Vermögensschäden
    15.000.000,00 EUR Höchstleistung pro Einzelperson


    "Vor Ort" ist eine gute, nette Idee. Nur leider ist weder vor Ort jemand zugänglich/erreichbar, mit dem man irgendwas ernsthaft besprechen kann -- und telefonisch schon gar nicht (Hotline). Der einzige Kommunikationsweg, der ernst genommen wird und mit dem man nach Monaten irgendetwas erreicht, sind (zumindest) postalische Einschreiben.

    Aufgrund der Formulierung mit Datumsbezug erweckt es den Anschein, als wäre hier "zeitlicher" Zusammenhang interpretiert worden.

  • "Schäden an seinem Mobiliar"?! Was geht das den Vermieter an, ob das Mobiliar seines Mieters kaputt geht? Wie bereits geschrieben, zivilrechtlich dürften solche Klauseln im Mietvertrag nicht haltbar sein.

    Mit "nicht sachgerecht" meint das JC wohl, dass da noch weitere Dinge versichert sind (Personenschäden, Sachschäden ) und nicht bloß das, was der Vermieter verlangt hat (Mietsachschaden und Vermögensschaden).

    Natürlich steht der Rechtsweg offen.

  • Danke für die erneute Rückmeldung.

    "Schäden an seinem Mobiliar" --> Ja, das macht sicherlich nicht viel Sinn, da er sein Eigentum nach Lust und Laune beschädigen kann und darf, ohne dem Vermieter einen Schaden zuzuführen. Die Ausformulierung der Standardverträge der großen regionalen (städtischen) Wohnungsgenossenschaft sind eben, wie sie sind. Darum geht es ja aber auch gar nicht. Der Leistungsempfängerin kann wohl auch nicht die korrekte rechtliche Bewertung hierzu abverlangt bzw. aufgebürdet werden.

    Die Privathaftpflicht hat eher einen marktüblichen Deckungsumfang um vor allem Aufbau: Mietschäden sind typischerweise eher zusätzlich umfasst als exklusiv.

    Wie auch immer - da gibt's dann halt nochmal einen Brief an das Jobcenter mit bitte um Substantiierung zu der Ausführung samt Hinweis, dass der Ablehnungsgrund sich aufgrund der textuellen Ausführung offenbar auf die zeitliche Diskrepanz stützen soll.

    Danke nochmals!

  • Der Leistungsempfängerin kann wohl auch nicht die korrekte rechtliche Bewertung hierzu abverlangt bzw. aufgebürdet werden.

    Warum nicht? Was denkst du, wer die ganzen zivilrechtlichen Urteile erstreitet? Vermieter und Mieter liegen da im Normalfall im Clinch und nicht der liebe Gott mit dem Teufel. Das nennt sich Eigenverantwortung.

  • Da hast du recht, das wäre natürlich schön. Aber in der Realität sieht es oft anders aus.

    Ich verstehe den Punkt zur Eigenverantwortung, merke aber an, dass rechtliches Wissen und die Fähigkeit, eigene Rechte durchzusetzen, sehr ungleich verteilt sind. Viele Menschen, besonders sozial schwächere, fühlen sich Behörden oder (größeren) Firmen gegenüber machtlos.

    Die Urteile mögen offiziell von den Betroffenen erstritten worden sein, aber in der Praxis werden solche Probleme häufig erst in Beratungsgesprächen von Dritten (Anwälten, Beratern) erkannt und dann in deren Namen weiterverfolgt.

    Leider beschäftigen sich viele auch gar nicht mit den Details der Unterlagen und Verträge. Und selbst wenn: Fehlerhafte Bescheide oder unzulässige Vertragsklauseln können viele Menschen meist gar nicht als solche erkennen. Oder eben nicht mit Gewissheit einschätzen (wohl der Hauptgrund für die Existenz des hiesigen Forums). Selbst das BSG übersieht manchmal rechtliche Aspekte, wie du anmerkst. Für Menschen ohne juristische Bildung fehlt oft das Verständnis, um Sachverhalte zu beurteilen, die anderen direkt offensichtlich fragwürdig erscheinen.

    Klar wäre es schön, wenn das anders wäre, im Alltag scheint das aber offenbar eher die Ausnahme als die Regel zu sein.

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