Beiträge von Paul aus B

    Um es kurz zu machen: es hat ihn niemand gezwungen über x Jahre zu studieren. Und er kann ganz einfach ALG 2 beziehen, er muss sich nur exmatrikulieren lassen. Zu benötigen scheint er den Abschluss doch eh nicht.

    Was ist denn das für eine verquere Logik und Argumentation?

    Selber schuld, dass der Staat mal eben so pauschal ein Berufsverbot verhängt? Warum hat der Typ studiert und warum dann so lange und überhaupt? Demnächst Stütze nur für Verheiratete oder Unverheiratete oder solche mit Bart oder ohne Bart, schließlich hat ja niemand den Antragsteller zu dem einen oder anderen Aspekt der freien Lebensgestaltung gezwungen? Ab wann hat man denn "zu lange studiert" um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten — nachdem der Staat — die bisherige Erwerbsarbeit pauschal verboten hat?

    1. Es ist völlig egal, wie lange jemand studiert und was er studiert. Solange jemand nicht zwangsexmatrikuliert wird, scheint zumindest für die Universität die formale Fortsetzung eines Studiums kein Problem zu sein.

    2. Eine Exmatrikulation — in der laufenden Examensphase — ist in einem Studiengang, in welchen seit 20 Jahren nicht mehr immatrikuliert wird, eben nicht einfach so möglich. Dem Examenskanditaten stehen während dieser Phase nämlich Rechte zu, deren Wahrnehmung und Gewährung er nur als immatrikulierter Student beantragen kann. Er hätte dann nach dem Prüfungsrecht ein Antragsrecht, von welchem er aufgrund der Exmatrikulation ausgeschlossen wäre. Kollidierende Rechtsnorm. Das Recht des Prüflings ist hier jedoch höher zu bewerten als das Interesse der Universität, die sich bei einer erneuten Immatrikulation des Prüflings nicht verwaltungsrechtskonform verhalten würde.

    3. Nicht benötigter Abschluss: Es macht in Deutschland einen erheblichen Unterschied, ob jemand einen Ausbildungsabschluss nachweisen kann oder nicht. In diesem Falle geht es um einen ersten und einzigen berufsqualifizierenden Abschluss. Ohne diesen wäre der Antragsteller mit einer Exmatrikulation ohne erfolgreich bestandene Abschlussprüfung "unqualifiziert" und würde entsprechend dieser fehlenden Qualifikation vom Jobcenter eingestuft und behandelt werden. Erste Maßnahme: Qualifikationsmaßnahmen in Form einer Berufsausbildung. Die Forderung nach Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase ist dahingehend absurd und der Solidargemeinschaft gegenüber asozial, als dass eine solche Forderung nach Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase einen unqualifizierten Hilfsbedürftigen produziert anstatt einem Hilfsbedürftigen mit Abschluss der Qualifikation bessere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

    Fakt ist, dass ihm kein ALG 2 zusteht, weil er vom Gesetz her ausgeschlossen ist. Und genau das definiert den Rechtsstaat: Entscheidungen entsprechend den gesetzlichen Regelungen. Nur, weil dieser nicht deiner Rechtsmeinung ist, bedeutet das nunmal nicht, dass es kein Rechtsstaat wäre.

    Danke für den fundierten Kommentar.

    Es gab diese Konstellation des Erwerbsverbots bei gleichzeitiger Verweigerung staatlicher Hilfsleistungen schon einmal. Nannte sich Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Und dieses war und ist auch ein Grund, warum diese Art von Konditionierung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts deutlich erkennbar rechtswidrig ist. Es gibt in Deutschland das Recht auf freie Berufswahl. Jeder kann das studieren was er möchte, der Staat ist jedoch nicht verpflichtet jedem eine Ausbildung seiner Wahl zu finanzieren.

    Ein pauschales und ad hoc verhängtes Erwerbsverbot, das in Folge zu einem Wegfall der Lebensgrundlage führt, ist dann gleichbedeutend mit einem Berufsverbot, wenn als Bedingung für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Abbruch einer Ausbildung — in der Examensphase — gefordert wird, insbesondere dann, wenn diese Ausbildung — aufgrund der Examensphase — nicht unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden kann.

    Der Antragsteller ist nicht aufgrund einer — eigenverantwortlichen Entscheidung — in die Hilfsbedürftigkeit gefallen, sondern als Folge — staatlichen — Handelns. Stellt schon das Erwerbsverbot einen erheblichen Eingriff des Staates in die Vermögenssituation und die Lebensgestaltung des Antragstellers dar, so ist das faktische Berufsverbot als Folge eines irreversiblen Abbruchs einer Ausbildung in der Examensphase ein weiterer — und völlig unbegründeter — Eingriff in die Rechte des Antragstellers. Mit den pauschalen Erwerbsverboten soll die Gesundheit Dritter geschützt werden. Aber welches Rechtsgut wird denn durch die Forderung nach Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase geschützt? Ein "Recht auf Vermögensschutz" der Solidargemeinschaft kann es nicht sein, denn der Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase führt a) zu sofortigem Leistungsbezug und b) erkennbar zu deutlich längerem Leistungsbezug, da der Leistungsbezieher als Unqualifizierter deutlich geringere Vermittlungschancen hat als jemand mit berufsqualifizierendem Abschluss.

    Also mal Butter bei die Fische: Welches Rechtsgut soll im vorliegenden Fall durch die Verweigerung der Leistungen für einen Studenten in der Examensphase geschützt werden, dessen Hilfsbedürftigkeit ausschließlich durch staatliches Handeln entstanden ist? (Tip: Der Ausschluss von Studenten aus dem Leistungsbezug hat den Hintergrund, dass diese sich nicht mit dem Verweis auf eine laufende Ausbildung den Vermittlungsversuchen der Jobcenter entziehen können. Dieser Aspekt kommt hier aber gar nicht zum Tragen, weil die Examensphase zeitlich begrenzt ist. Fällt der Prüfling nach Ende der zeitlich klar begrenzten Examensphase durch die Prüfung, so ist die Ausbildung beendet. Besteht er die Prüfung, so ist die Ausbildung ebenso beendet. Ein auf Dauer angelegter Entzug aus der Vermittlung durch Betreiben einer Ausbildung ist deshalb — aufgrund der Examensphase — gar nicht möglich, scheidet damit als Begründung für die Verweigerung von ALG II aus.)

    Was willst du tun, wenn die Gerichte gegen deinen Freund urteilen? Soweit die Rechtsmittel ausgeschöpft sind, bleibt wohl nur, zu erkennen, dass eure Argumentation nicht die Rechtslage widerspiegelt.

    Er ist als In Vollzeit immatrikulierter Student nunmal gem. § 7 Abs. 5 SGB II vom ALG 2 Bezug ausgeschlossen. Da gibt es auch keine abweichende Corona-Regelung.

    Naja, was man tun kann, ist die Idee von der Existenz eines Rechtsstaates zu verwerfen und sich in Zukunft entsprechend zu verhalten.

    Denn: Die bisherige Regelung geht davon aus, dass eine Ausbildung, die aus welchen Gründen auch immer nicht mit Leistungen gemäß BAföG gefördert wird, eigenständig finanziert werden muss. Eine Finanzierung einer Ausbildung durch ALGII soll nicht erfolgen. So weit, so gut.

    Nun haben jedoch staatliche Verbote diese private Finanzierung einer Ausbildung effektiv unterbunden. Und dadurch prallen mehrere Ansprüche aufeinander: Der behauptete Schutz des Rechtsgutes "Gesundheit" Dritter begründet keinen Anspruch auf Abbruch einer Ausbildung als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die nur deshalb notwendig werden, weil die bisherige Erwerbsarbeit pauschal unterbunden wurde.

    Die bisherige Regelung zur Verweigerung einer Ausbildungsfinanzierung über ALG II setzt einen funktionierenden Arbeitsmarkt voraus, auf welchem der Auszubildende genügend Ressourcen erwirtschaften kann, um seine Ausbildung selber zu finanzieren. Dieser Arbeitsmarkt ist jedoch gezielt durch die umfassenden Verbote eingeschränkt worden. Ein Verbot der Erwerbsarbeit bei gleichzeitigem Versagen von Leistungen zum Lebensunterhalt stellt damit de facto das Verbot der Fortführung / des Abschlusses der Ausbildung dar. Denn in der konkreten Situation ist eine Unterbrechung der Ausbildung (in der Examensphase) und eine spätere Wiederaufnahme dieser nicht möglich gewesen, da der Studiengang vor X Jahren für Immatrikulationen geschlossen wurde. Eine Wiedereinsetzung in alten Stand war deshalb nicht möglich.

    Eine Analogie: Wenn das Ordnungsamt die Umsetzung eines Werkstattfahrzeug eines Handwerkers anordnet und den Zugriff auf dieses auf unbestimmte Zeit blockiert und dies mit dem Schutz Dritter begründet (nicht mit einem rechtswidrigen Verhalten des Fahrzeugführers oder des Besitzers/Eigentümers!), dann hat das Ordnungsamt selbstverständlich die Kosten dieser Umsetzung zu tragen, ebenso wie es für die Schadensersatzforderungen, die aus der Konventionalstrafe gegenüber dem Handwerker resultieren, verantwortlich ist. Denn der Handwerker hat zum Zeitpunkt der angeordneten Umsetzung nicht rechtswidrig gehandelt und musste (!) auf die Rechtskonformität seines Handels vertrauen. Die Kosten des Schutzes Dritter (der als Begründung für die Umsetzung durch das Ordnungsamt angeführt wird) können aber nicht einseitig dem Handwerker auferlegt werden, sondern sind zu vergesellschaften. Das ist das Sozial- und Rechtsstaatsprinzip. Die Gemeinschaft hat für den Schutz der Rechte Dritter aufzukommen, nicht einzelne Mitglieder der Gesellschaft, die von ad hoc getroffenen Entscheidungen der Ordnungsbehörden überrascht werden, und die auf die Rechtskonformität ihres bisherigen Handels vertrauen mussten.

    Deshalb ist die Entscheidung des SG / LSG im ER absurd ebenso wie die copy-paste-Entscheidung des SG in der Hauptsache. Hier wurde nur geprüft: BAfäG ja/nein.

    Das trifft aber nicht den Kern des Sachverhaltes. Dem Kläger wurde verboten ausserhalb des Leistungsbezugs von ALGII/BAföG eigenständig seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Explizite Untersagung des bisherigen Erwerbsarbeit durch staatliche Anordnung. Das Ziel dieser Anordnungen: Reduktion der Kontakte zwischen Menschen.

    Wenn dem Kläger jedoch die bisherige eigenverantwortliche Finanzierung seiner Ausbildung durch staatliche Verbote effektiv verunmöglicht wird, dann kann sich die staatliche Einrichtung der Daseinsfürsorgen nicht der Leistungspflicht mit der Begründung entziehen, der Kläger könnte ja seine Ausbildung eigenständig finanzieren. Kann er aufgrund (!) der staatlichen Verbote ja eben nicht und er ist nur aufgrund dieser Verbote wirtschaftlich hilfsbedürftig. Vor diesem Hintergrund des effektiven Verbots der eigenverantwortlichen Finanzierung der Ausbildung ist es unbillig, den Abbruch der selben — in der Examensphase — zu verlangen, um dem Hilfsbedürftigen Leistungen zuzugestehen, die er nur deshalb benötigt, weil ihm staatliche Verbote die Erwerbsgrundlage entzogen haben.

    Also nix mit "das ist nunmal die Rechtslage". Die Rechtslage sieht keine pauschalen Erwerbsverbote vor. Und erst recht keine, die dann Hilfsbedürftigkeit verursachen, ohne dass diese verbotsbedingte Hilfsbedürftigkeit kompensiert wird.

    Und deshalb: Was tun? Bzw. wie gießt man die obige Situation in eine Argumentation, die die drei Richter des LSG besser verstehen als der eine Richter am SG?

    PS: Zum Punkt "keine abweichende Corona-Regelung". Bei den "Maßnahmen" der letzten 9 Monate waren sehr viele Entscheidungen dabei, deren Rechtsfolgen nicht bis in das letzte Glied durchdacht waren. Deshalb ist die Argumentation: "Hätte der Gesetzgeber es anders gewollt, dann hätte er das so entschieden" hinfällig. Denn nicht der Gesetzgeber hat die Verbote im März ausgesprochen, sondern die Exekutive. Und diese handelt bekanntermaßen ja nicht immer rechtskonform. Und deshalb gibt es die Gerichtsbarkeit, insbesondere die im Sozialrecht. Denn wenn die Exekutive immer rechtskonform handeln würde, dann bräuchten wir die Gerichtsbarkeit im Sozialrecht nicht.

    Die "Corona-Hilfen" des Bundes an Studenten zeigen ja, dass es Bedarf gibt. Dass die Ausführung dieser Hilfsprogramme komplett hirnrissig ist, ist ein anderes Thema. Hier ist die Situation gegeben, dass der Staat ein Verbot ausspricht, dieses Verbot Hilfsbedürftigkeit verursacht und der Staat sich dann hinstellt: Hilfe gibt es aber nur unter Bedingung X, d.h. nur dann, wenn der Schaden noch größer wird als durch das Verbot alleine. Diese zusätzliche Bedingung X ist jedoch nicht berechtigt, da hier ein Grundrecht (Berufswahlfreiheit) angegriffen wird, dessen Einschränkung erkennbar nicht dem Ziel des initialen Verbotes (Gesundheitsschutz) dient.

    Hallo,

    auf diesem Wege möchte ich — für einen Freund — nach hilfreichen Tips und Hinweisen (keine Rechtsberatung!) fragen. Vielen Dank für Antworten schon vorab.

    Situation:

    Er — seit mehr als 10 Jahren Soloselbstständiger mit einem Wanderlager — ist seit mehr als 20 Jahren immatrikulierter Student. Der Studiengang ist vor 15 Jahren geschlossen worden, d.h. es werden in diesen Studiengang keine Studenten mehr immatrikuliert. Die für diesen Studiengang relevanten Lehrstühle sind über etliche Jahre hinweg nicht besetzt gewesen, so dass eine Prüfung zwar formal an anderen Lehrstühlen hätte erfolgen können, jedoch nur unter sehr zweifelhaften Bedingungen. Also lief die Immatrikulation über die Jahre weiter, denn der Studienabschluss war nicht relevant für den Eintritt in die Erwerbsarbeit. Nach Neubesetzung der relevanten Lehrstühle wurde eine Abschlussprüfung vereinbart, diese — vor — den ersten SARS-CoV-2-"Maßnahmen" angemeldet.

    Einer der gewünschten Effekte der SARS-CoV-2-"Maßnahmen" im März 2020 war es, Messen und Verkaufsveranstaltungen zu untersagen. Nicht den Messeausstellern und Verkäufern direkt, sondern den Betreibern der Veranstaltungsorte. Es gibt deshalb keine Anordnung bzw. Verfügung, welche den Betrieb des bisherigen Reisegeschäftes — direkt — verbietet. Es gibt jedoch einfach keine Flächen mehr zu mieten, auf welchen die Waren angeboten werden könnten bzw. es werden die Veranstaltungen nicht mehr durchgeführt, im Rahmen derer die Waren bislang angeboten wurden.

    Ein Vertrieb der Waren über Fernhandel ist nicht möglich, da die Lieferanten dieser Waren dies versagen bzw. der bisherige Direktvertrieb auf Messen/bei Veranstaltungen ein Ergänzungsgeschäft für die Lieferanten waren, die ihrerseits ein Versand- und Filialgeschäft betreiben.

    Die Rechtskette ist deshalb hier: lokale Untersagung von Veranstaltungen => keine Vermietung von Flächen => kein Betrieb eines Wanderlagers. Es gibt kein direktes Verbot einer Erwerbsarbeit, die bisherige Erwerbsarbeit ist jedoch effektiv unterbunden (was erklärtes Ziel "der Maßnahmen" war).

    Unmittelbare Folge dieses Wegfalls der bisherigen Erwerbsarbeit ist die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit. Keine Arbeit, keine Einnahmen.

    Also Antrag auf ALG II gestellt.

    Das JobCenter verweigert die Leistungen mit der Begründung, der Antragsteller sei "Vollzeitstudent". Als solcher hätte er — dem Grunde nach — Anspruch auf Leistungen nach BAföG. Das JobCenter erkennt an, dass dieser Anspruch auf Leistungen nach BAföG nur dem Grunde nach besteht und im konkreten Fall — Überschreiten der Altersgrenze und Überschreiten der Studienhöchstdauer — keine Leistungen in Anspruch genommen werden können.

    Hintergrund: Der Gesetzgeber möchte vermeiden, dass ALGII-Leistungsbezieher eine Ausbildung aufnehmen, mit Hilfe derer sie sich den Vermittlungsversuchen der JobCenter entziehen könnten, weil der Abbruch einer solchen Ausbildung eine unbillige Härte wäre. ALGII-Bezieher könnten, um nicht zwangsvermittelt zu werden, eine Ausbildung beginnen, deren Abschluss sie auf den Tag des jüngsten Gerichts verschieben. Das JobCenter hätte aber keine Möglichkeit, den Abbruch einer solchen Scheinausbildung zu verlangen. Deshalb: Keine Finanzierung einer Ausbildung durch ALGII-Leistungsbezug (es sei denn, das JobCenter vermittelt diese Ausbildung im Rahmen anderer Maßnahmen). Wenn die eigenen Mittel nicht ausreichen, um die Ausbildung zu finanzieren, dann muss diese abgebrochen werden. Nach Ende der Hilfsbedürftigkeit bzw. des ALGII-Leistungsbezug kann die Ausbildung dann wieder aufgenommen werden, so die Idee hinter dieser pauschalen Leistungsverweigerung.

    ABER:

    Dieses Konzept der Ausbildungsfinanzierung entweder durch Leistungen nach BAföG oder eigene Mittel setzt voraus, dass es einen funktionierenden Arbeitsmarkt gibt, auf dem eigene Mittel erwirtschaftet werden können, um die Ausbildung zu finanzieren. Genau dies war aber im März - Juni 2020 nicht gegeben. Es war erklärtes Ziel der "Maßnahmen" die Kontakte zwischen Menschen auf ein Minimum zu reduzieren und zu diesem Zweck wurden flächendeckend nicht zwingend lebensnotwendige Veranstaltungen untersagt.

    Ursache für die Hilfsbedürftigkeit ist demnach das staatliche Handeln, nicht der Wunsch des Antragstellers, mit Hilfe von ALGII-Leistungen eine Ausbildung finanziert zu bekommen.

    Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes haben sowohl erste als auch zweite Instanz diesen Aspekt nicht geprüft, sondern ausschließlich darauf abgestellt: Student => könnte BAföG bekommen, wenn er nicht zu alt wäre => kein ALG II.

    Im Hauptsacheverfahren in der ersten Instanz das gleiche Bild: Keine Prüfung der Sachlage, sondern ausschließlich: Student => könnte BAföG bekommen, wäre er nicht schon zu alt => kein ALG II.

    Keine Berücksichtigung der Gründe, die zur Leistungsbedürftigkeit geführt haben (Arbeitsverbot durch staatliche Anordnung), keine Prüfung auf unbillige Härte im Kontext "der Maßnahmen", nichts. Entscheidung so als sei gerade das Jahr 2019. Wenn der Student kein Geld hat, dann muss er sich eben exmatrikulieren, dann kann er ALGII-Leistungen bekommen.

    Jetzt die Frage: Mit welcher Argumentation könnte ein Anspruch begründet werden? Der Antragsteller hat nachweislich in den letzten 10 Jahren kein Studium verfolgt und auch arbeitsbedingt keines verfolgen können. Alle Studienleistungen für eine Anmeldung der Abschlussprüfung waren schon vor 15 Jahren erbracht, eine Präsenzpflicht bestand deshalb seit über 15 Jahren nicht mehr. Es fehlte alleine die Abschlussprüfung. Diese war vor "den Maßnahmen" angemeldet und ist zwischenzeitlich auch erbracht worden.

    Damit ist erkennbar nicht der Umstand der Immatrikulation für die Hilfsbedürftigkeit ursächlich, sondern sind alleine die Verbote durch "die Maßnahmen" hierfür ursächlich.

    Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation sowohl des JobCenters als auch der I. und II. Instanz im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und der I. Instanz im Hauptverfahren absurd, der Antragsteller könnte ja seine Ausbildung abbrechen, wenn er altersbedingt kein BAföG bekommt. Ein solcher Abbruch — nach Anmeldung der Abschlussprüfung — ist erkennbar eine unbillige Härte. Denn eine Exmatrikulation während der Abschlussprüfung führt zu einer Unwiederholbarkeit dieser, da in diesen Studiengang nicht immatrikuliert wird. Es gibt deshalb keine Option einer "Wiederaufnahme der Ausbildung nach Ende der Hilfsbedürftigkeit".

    Dass der Antragsteller ein Interesse an einem Studienabschluss hatte, ist durch die Anmeldung der Abschlussprüfung — vor — "den Maßnahmen" belegt. Es geht dem Antragsteller erkennbar nicht darum Auflagen der Leistungsbewilligung durch den Rechtsschutz einer Ausbildung zu umgehen. Es ist eine reine Zufälligkeit, dass — nach — der Prüfungsanmeldung dem Antragsteller die bisherige Erwerbsarbeit im Kontext "der Maßnahmen" untersagt wurde und er daraufhin wirtschaftlich hilfsbedürftig wurde. Ohne "die Maßnahmen" wäre der Antragsteller nicht hilfsbedürftig geworden und hätte er keinen Antrag auf ALGII gestellt.

    Effektiv führt die Verweigerung von ALGII beim Antragsteller jedoch dazu, dass er mit einer persönlichen finanziellen Verschuldung "die Maßnahmen" des Staates finanziert. Absurd in Anbetracht der Tatsache, dass abhängig Beschäftigten der Staat Kurzarbeitsgeld über Jahre hinweg zahlt und Beschäftigten in anderen Bereichen "Corona"-Prämien gezahlt werden, ohne dass diese eine Mehrbelastung nachweisen können.


    Was tun?