Um es kurz zu machen: es hat ihn niemand gezwungen über x Jahre zu studieren. Und er kann ganz einfach ALG 2 beziehen, er muss sich nur exmatrikulieren lassen. Zu benötigen scheint er den Abschluss doch eh nicht.
Was ist denn das für eine verquere Logik und Argumentation?
Selber schuld, dass der Staat mal eben so pauschal ein Berufsverbot verhängt? Warum hat der Typ studiert und warum dann so lange und überhaupt? Demnächst Stütze nur für Verheiratete oder Unverheiratete oder solche mit Bart oder ohne Bart, schließlich hat ja niemand den Antragsteller zu dem einen oder anderen Aspekt der freien Lebensgestaltung gezwungen? Ab wann hat man denn "zu lange studiert" um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten — nachdem der Staat — die bisherige Erwerbsarbeit pauschal verboten hat?
1. Es ist völlig egal, wie lange jemand studiert und was er studiert. Solange jemand nicht zwangsexmatrikuliert wird, scheint zumindest für die Universität die formale Fortsetzung eines Studiums kein Problem zu sein.
2. Eine Exmatrikulation — in der laufenden Examensphase — ist in einem Studiengang, in welchen seit 20 Jahren nicht mehr immatrikuliert wird, eben nicht einfach so möglich. Dem Examenskanditaten stehen während dieser Phase nämlich Rechte zu, deren Wahrnehmung und Gewährung er nur als immatrikulierter Student beantragen kann. Er hätte dann nach dem Prüfungsrecht ein Antragsrecht, von welchem er aufgrund der Exmatrikulation ausgeschlossen wäre. Kollidierende Rechtsnorm. Das Recht des Prüflings ist hier jedoch höher zu bewerten als das Interesse der Universität, die sich bei einer erneuten Immatrikulation des Prüflings nicht verwaltungsrechtskonform verhalten würde.
3. Nicht benötigter Abschluss: Es macht in Deutschland einen erheblichen Unterschied, ob jemand einen Ausbildungsabschluss nachweisen kann oder nicht. In diesem Falle geht es um einen ersten und einzigen berufsqualifizierenden Abschluss. Ohne diesen wäre der Antragsteller mit einer Exmatrikulation ohne erfolgreich bestandene Abschlussprüfung "unqualifiziert" und würde entsprechend dieser fehlenden Qualifikation vom Jobcenter eingestuft und behandelt werden. Erste Maßnahme: Qualifikationsmaßnahmen in Form einer Berufsausbildung. Die Forderung nach Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase ist dahingehend absurd und der Solidargemeinschaft gegenüber asozial, als dass eine solche Forderung nach Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase einen unqualifizierten Hilfsbedürftigen produziert anstatt einem Hilfsbedürftigen mit Abschluss der Qualifikation bessere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Fakt ist, dass ihm kein ALG 2 zusteht, weil er vom Gesetz her ausgeschlossen ist. Und genau das definiert den Rechtsstaat: Entscheidungen entsprechend den gesetzlichen Regelungen. Nur, weil dieser nicht deiner Rechtsmeinung ist, bedeutet das nunmal nicht, dass es kein Rechtsstaat wäre.
Danke für den fundierten Kommentar.
Es gab diese Konstellation des Erwerbsverbots bei gleichzeitiger Verweigerung staatlicher Hilfsleistungen schon einmal. Nannte sich Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Und dieses war und ist auch ein Grund, warum diese Art von Konditionierung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts deutlich erkennbar rechtswidrig ist. Es gibt in Deutschland das Recht auf freie Berufswahl. Jeder kann das studieren was er möchte, der Staat ist jedoch nicht verpflichtet jedem eine Ausbildung seiner Wahl zu finanzieren.
Ein pauschales und ad hoc verhängtes Erwerbsverbot, das in Folge zu einem Wegfall der Lebensgrundlage führt, ist dann gleichbedeutend mit einem Berufsverbot, wenn als Bedingung für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Abbruch einer Ausbildung — in der Examensphase — gefordert wird, insbesondere dann, wenn diese Ausbildung — aufgrund der Examensphase — nicht unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden kann.
Der Antragsteller ist nicht aufgrund einer — eigenverantwortlichen Entscheidung — in die Hilfsbedürftigkeit gefallen, sondern als Folge — staatlichen — Handelns. Stellt schon das Erwerbsverbot einen erheblichen Eingriff des Staates in die Vermögenssituation und die Lebensgestaltung des Antragstellers dar, so ist das faktische Berufsverbot als Folge eines irreversiblen Abbruchs einer Ausbildung in der Examensphase ein weiterer — und völlig unbegründeter — Eingriff in die Rechte des Antragstellers. Mit den pauschalen Erwerbsverboten soll die Gesundheit Dritter geschützt werden. Aber welches Rechtsgut wird denn durch die Forderung nach Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase geschützt? Ein "Recht auf Vermögensschutz" der Solidargemeinschaft kann es nicht sein, denn der Abbruch einer Ausbildung in der Examensphase führt a) zu sofortigem Leistungsbezug und b) erkennbar zu deutlich längerem Leistungsbezug, da der Leistungsbezieher als Unqualifizierter deutlich geringere Vermittlungschancen hat als jemand mit berufsqualifizierendem Abschluss.
Also mal Butter bei die Fische: Welches Rechtsgut soll im vorliegenden Fall durch die Verweigerung der Leistungen für einen Studenten in der Examensphase geschützt werden, dessen Hilfsbedürftigkeit ausschließlich durch staatliches Handeln entstanden ist? (Tip: Der Ausschluss von Studenten aus dem Leistungsbezug hat den Hintergrund, dass diese sich nicht mit dem Verweis auf eine laufende Ausbildung den Vermittlungsversuchen der Jobcenter entziehen können. Dieser Aspekt kommt hier aber gar nicht zum Tragen, weil die Examensphase zeitlich begrenzt ist. Fällt der Prüfling nach Ende der zeitlich klar begrenzten Examensphase durch die Prüfung, so ist die Ausbildung beendet. Besteht er die Prüfung, so ist die Ausbildung ebenso beendet. Ein auf Dauer angelegter Entzug aus der Vermittlung durch Betreiben einer Ausbildung ist deshalb — aufgrund der Examensphase — gar nicht möglich, scheidet damit als Begründung für die Verweigerung von ALG II aus.)