Eine Klage gegen das Jobcenter ist der nächste Schitt, sich gegen einen fehlerhaften Bürgergeld Bescheid zu wehren. Diese kann regelmäßig erhoben werden, wenn der Widerpruch fruchtlos verlaufen ist und der Widerspruchsbescheid nicht die geforderte Abhilfe verschafft.
Inhaltsverzeichnis
Funktion der Klage beim Sozialgericht
Mit einer Klage wird das Sozialgericht aufgefordert, einen Umstand, der im Widerspruchsverfahren nicht mit dem Jobcenter geklärt werden konnte – noch einmal richterlich ganz genau auf seine Richtigkeit zu überprüfen.
Wann darf Klage erhoben werden?
Klage kann nur erhoben werden, wenn gegen einen fehlerhaften Bescheid bereits Widerspruch beim Jobcenter erhoben wurde und das Widerspruchsverfahren keine Abhilfe (teilweise oder ganz) schaffen konnte. Damit ist eine Klage die letzte Möglichkeit, wenn alle im Vorfeld außergerichtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Für die Klage ist es erforderlich, den Ablauf des Widerspruchverfahrens einzuhalten. Dies bedeutet:
- Gegen einen fehlerhaften Bescheid muss zwingend im Vorfeld Widerspruch beim Jobcenter erhoben werden.
- Das Jobcenter prüft den Widerspruch und muss innerhalb von drei Monaten (§88 SGG) einen Verwaltungsakt vornehmen und mit einem Widerspruchsbescheid darüber entscheiden. Der Widerspruchsbescheid muss eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, die auf die Möglichkeit der Klage und der entsprechenden Klagefrist hinweist.
- Nun kann schriftlich Klage beim örtlich zuständigen Sozialgericht eingereicht werden.
Hinweis: Erlässt das Jobcenter nach einem Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten einen Widerspruchsbescheid, kann es mit einer Untätigkeitklage darauf verklagt werden, eine Entscheidung zu fällen.
Ablauf eines Bürgergeld Klageverfahrens
Klagefristen
Die Klage muss innerhalb eines Monats (§ 87 SGG) ab Zugang/ Bekanntgabe des Widerspruchbescheids beim Sozialgericht eingehen.
Sollte der Widerspruchsbescheid keine, eine unvollständige oder eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, so beträgt die Frist zur Klage ein Jahr ab Bekanntgabe (§58 VwGO).
Info:
Ein Widerspruchsbescheid gilt nach §122 Abs. 2 AO drei Tage nach der Erstellung beim Empfänger als zugegangen bzw. bekannt gegeben, womit auch die Fristberechnung beginnt. Unter bestimmten Umständen, wenn beispielsweise die Post bestreikt wird, kann eine Postzustellung aber auch mal länger dauern. Daher empfehlen wir – insbesondere, wenn der Bescheid später als drei Tage nach der Erstellung (Datum auf dem Bescheid) eingetroffen ist – das Postzustellungsdatum auf dem Bescheid zu notieren. Dieses Datum ist dann für die Wahrung der Frist entscheidend.
Muster Download Klage vor dem Sozialgericht
Derzeit stellen verschiedene Informationsseiten zum Thema Bürgergeld „Muster Klageschriften“ zum Download bereit, sodass Betroffene selbst Klage beim Sozialgericht erheben können. Dieses Vorgehen halten wir nicht für sinnvoll, weshalb wir eben ein solches Muster nicht zum Download bereitstellen.
Eine Klage vor dem Sozialgericht muss individuell und rechtssicher erhoben und begründet werden. Zwar besteht vor den ersten Sozialgericht Instanzen kein Antwaltszwang, dennoch hängt für den Kläger die existenzsichernde Leistung davon ab.
Um vor dem Sozialgericht gegen einen Widerspruchsbescheid vorzugehen, bedarf es mehr als eines Muster Vordruck Schreibens als Klageschrift, weshalb wir ausdrücklich dazu raten, sich mit einem entsprechenden Anwalt zusammenzusetzen, um gegen das Jobcenter zu klagen.
Wer ist Kläger bei einer Bedarfsgemeinschaft?
Nicht selten kommt es vor, dass die Leistungen für eine Bedarfsgemeinschaft aus mehreren Personen fehlerhaft vom Jobcenter ermittelt wurden. Gegen diesen falschen Leistungsbescheid kann ebenfalls Widerspruch und – wenn nötig – Klage erhoben werden.
Zwar müssen alle erwerbsfähigen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft ihre individuellen Rechtsansprüche einzeln geltend machen – es ist aber nicht erforderlich, dass hierfür pro Person eine eigene Klageschrift aufgesetzt wird. Es genügt, wenn die strittigen und angefochtenen Leistungen pro Person aus dem Schreiben hervorgehen.
Gerichtskosten
Grundsätzlich sind Verfahren vor Sozialgerichten gebührenfrei für Empfänger von Arbeitslosengeld II. Wenn der Leistungsberechtigte das Verfahren jedoch missbräuchlich oder offensichtlich aussichtslos durchführt und die Hinweise des Gerichts nicht beachtet, kann das Gericht nach §192 Sozialgerichtsgesetz Gerichtskosten erheben.
Hinweis: Die Rechtsverfolgung ist missbräuchlich, wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und von anderen Personen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.
Anwaltszwang – Brauche ich einen Anwalt?
In den ersten beiden Instanzen vor dem Sozialgericht und einem Landessozialgericht (z.B. Berufungsverfahren) besteht kein Anwaltszwang.
Hinweis: Beim Bundessozialgericht (3. Instanz, Revision oder 2. Instanz als Sprungrevision) hingegen ist ein Anwalt oder zumindest ein Bevollmächtigter (Sozialverband, Gewerkschaft, DGB, VdK, etc. ) jedoch zwingend vorgeschrieben.
Anwaltskosten
Tipp: Auch, wenn für die Klage vor Sozialgericht und Landessozialgericht kein Anwalt erforderlich ist, empfehlen wir, eine Klage immer mit Anwalt durchzuführen.
Denn ein Anwalt kennt sich besser aus und hat die nötigen Erfahrungen, eine Klageschrift verständlich und richtig zu formulieren.
Die Vorteile eines Anwalts bei einer Klage gegen das Jobcenter haben wir im gesonderten Artikel unter Bürgergeld Anwalt aufgeschlüsselt.
Prozesskostenhilfe zur Unterstützung
Für die Kosten, die für den Anwalt entstehen, kann Prozesskostenbeihilfe beantragt werden (Gerichtskosten entstehen für Bürgergeld Bedürftige nicht). Darüber hinaus kann bereits für die vorgerichtliche, anwaltliche Beratung (z.B. Widerspruch) Beratungshilfe in Anspruch genommen werden.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird bei dem Gericht gestellt, bei dem auch die Klage eingereicht wird. Der für den Fall beauftragte Anwalt wird den Antrag auf PKH gemeinsam mit der Klageschrift beim zuständigen Gericht einreichen.
Wann kommt es zum Berufungsverfahren?
Bei der Berufung handelt es sich um ein Rechtsmittel, um gegen Endurteile der ersten Instanz – hier: Sozialgericht – vorzugehen. Als zweite Instanz wird das Landessozialgericht über die Berufung entscheiden.
Die Berufung wird durch ein einfaches Schreiben eingelegt. Das Schreiben kann entweder an das Sozialgericht oder direkt an das zuständige Landessozialgericht (Anschrift kann der Rechtsmittelbelehrung des Urteils entnommen werden) gesendet werden.
Wichtig: Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht bzw. beim Sozialgericht eingehen.
Wann kommt es zu einem Revisionsverfahren?
Die Revision als dritte Instanz ist lediglich in zwei Fällen zulässig:
- Entweder lässt das Landessozialgericht eine Revision in seinem Urteil zu.
- Oder aber das Bundessozialgericht lässt die (vom Landessozialgericht nicht zugelassene) Revision aus wichtigen Gründen dennoch zu.
Wichtige Gründe sind:
- Die Rechtssache hat grundsätzlich Bedeutung.
- Es liegt ein entscheidender Verfahrensfehler vor.
- Das Urteil des Landessozialgerichts weicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab.
Im Urteil der Rechtsmittelbelehrung des Landessozialgerichts ist aufgeführt, wo, wie und bis wann die Revision (bzw. die Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt werden muss.
Was ist eine Sprungrevision?
Bei einer Sprungrevision (§335 StPo) handelt es sich um eine Revision, die direkt als zweite Instanz eingelegt wird. Die eigentliche zweite Instanz, das Berufungsverfahren beim Landessozialgericht, wird in diesem Fall übersprungen. Die Sprungrevision dient also der Beschleunigung des Prozesses.
Wenn die eigentliche Rechtsfrage geklärt ist und das Verfahren nicht unnötig in die Länge gezogen werden soll, ist eine Sprungrevision von Vorteil.
Allerdings kann eine Sprungrevision nur statt gehalten werden, wenn sie im Berufungsurteil vom Sozialgericht ausdrücklich zugelassen wurde.
Erfolgsaussichten der Klage vor Gericht
Bürgergeld Empfänger haben gute Chancen, dass ihre Klage vom Gericht anerkannt wird und sie Recht erhalten. Denn ca. 50% der Widersprüche, die vorher von der Behörde abgelehnt wurden, wurden hinterher vom Gericht anerkannt. Daher sollte man seine Chance nutzen und Klage einreichen, wenn es eine Aussicht auf Erfolg gibt.
„In kaum einem anderen Rechtsgebiet werden so viele Bescheide von den Gerichten für rechtswidrig befunden wie bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende“, sagt auch die Linken-Expertin Sabine Zimmermann.
Vergleich vor dem Sozialgericht
Nicht jeder Gerichtstermin endet mit einem Urteil. Es ist auch möglich, dass vor dem Sozialgericht ein Vergleich zwischen den Beteiligten ausgehandelt wird. Dazu kommt es jedoch nur, wenn sich beide Parteien einig sind.
Tipp: Wenn das Jobcenter im Gerichtstermin beispielsweise einen Vergleich anbietet, muss der Kläger diesem nicht automatisch zustimmen. Ein Vergleich kann also auch abgelehnt werden.
Rücknahme der Klage möglich
Auch, wenn die Klageschrift bereits beim zuständigen Sozialgericht eingetroffen ist: Bis zur mündlichen Verhandlung kann die Klage nach §269 ohne Einwilligung des Beklagten noch zurückgenommen werden. Hierfür ist ein Schriftstück erforderlich, in welchem die Klagerücknahme erläutert wird.
Sollte sich der Kläger nach Beginn der mündlichen Verhandlung zur Klagerücknahme entscheiden, ist die schriftliche Zustimmung des Beklagten notwendig. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen, gilt seine Einwilligung als erteilt.
Im Falle einer Klagerücknahme gilt der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden.
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