Wie sehr Steuerrecht und Sozialrecht auseinanderklaffen können, zeigt ein Urteil des Bundessozialgerichts. Eine Schaustellerin verliert über 12.600 Euro ihrer Witwenrente, weil das Gericht entschied, dass steuerliche Verlustvorträge nicht zur Berechnung ihres anrechenbaren Einkommens berücksichtigt werden dürfen. Damit wird deutlich: Was steuerlich möglich und sinnvoll ist, kann bei der Rente zum Bumerang werden. Für die Betroffene bedeutet das Urteil eine massive finanzielle Belastung.
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Streit um Witwenrente
Seit Januar 1992 bezog die im Jahr 1952 geborene Witwe eine Hinterbliebenenrente von der Deutschen Rentenversicherung. Zwischen den Jahren 2007 und 2016 erzielte sie Gewinne aus ihrem Gewerbebetrieb, die einkommensteuerrechtlich durch Verlustvorträge aus den Vorjahren vollständig ausgeglichen wurden. Als die Rentenversicherung von diesen Gewinnen erfuhr, forderte sie über 12.600 Euro Witwenrente zurück, da der Leistungsträger das Einkommen nun ohne Berücksichtigung der steuerrechtlichen Verlustvorträge anrechnete.
Verfahrensweg der Betroffenen
Gegen die Forderung erhob die Schaustellerin Widerspruch, dieser wurde jedoch zurückgewiesen. Auch die daraufhin erhobene Klage beim Sozialgericht Potsdam hatte keinen Erfolg (S 50 R 287/18). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bestätigte die Entscheidung in der Berufungsinstanz (L 17 R 318/19). Die Revision vor dem Bundessozialgericht war nun die letzte Chance für die Klägerin – und endete mit einer weiteren Niederlage.
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Verlustvortrag verfehlt Ziel der Witwenrente
Das Kasseler Richter machten deutlich, dass steuerliche Verlustvorträge nicht bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens für die Witwenrente berücksichtigt werden dürfen. Ziel der Witwenrente sei es, den aktuellen Lebensunterhalt der Hinterbliebenen sicherzustellen. Steuerliche Verlustvorträge spiegelten jedoch nicht die tatsächliche aktuelle finanzielle Lage wider und dürften daher keine Berücksichtigung finden (Az. B 5 R 3/23 R).
Laut Bundessozialgericht zielt die gesetzliche Regelung klar auf das tatsächlich verfügbare Einkommen ab. Verlustvorträge dienten ursprünglich allein der Minderung steuerlicher Belastungen, nicht jedoch dazu, bei der sozialrechtlichen Einkommensanrechnung berücksichtigt zu werden. Die Rentenversicherung müsse bei der Berechnung die tatsächliche wirtschaftliche Lage der Rentner zugrunde legen. Die Berücksichtigung von Verlustvorträgen würde diese Situation verfälschen und zu ungerechtfertigten Zahlungen führen.
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